26Aug2017

Lexikon der alten Worte – ganz aktuell

Margot Bintig

Alsterwasser – das Hamburger Gegenstück zum süddeutschen Radler sollte von der Brauerei in Kiezmische umbenannt werden. Große Aufregung in Hamburg und es gab eine Volksabstimmung im Netz. Die überwältigende Mehrheit war für Alsterwasser. Somit hat Hamburg sein Nationalgetränk wieder zurück.

Blechkuchen – Ich esse gerne frischen Pflaumenkuchen. Aber nur den mit Hefeteig. Als ich vor kurzem in der Bäckerei nachfragte: Ist der mit Hefeteig? bekam ich die Antwort: Weiß ich nicht, es ist halt Kuchenteig.

Cowboy – Ich wollte zwar keinen Cowboy als Mann, aber die alten Westernfilme habe ich früher gerne gesehen. Es gewann am Ende immer das Gute, - in Gestalt eines weißen Mannes von geringem Wortschatz, der ohne viel nachzudenken draufschlug, um sein Verständnis von Recht und Ordnung durchzusetzen. Warum sehe ich John Wayne jetzt immer mit einem orangefarbenen Toupet?

Drücker – früher verkauften sie an der Haustür oft Zeitschriften – oder sonstige Abos, die man nicht brauchte. Heute haben sie das Geschäftsfeld erweitert. In meinem Bekanntenkreis wurde einem älteren Herrn eine sofortige Dachrinnenreinigung zu einem einmaligen Aktionspreis angeboten. Dieser Sonderpreis belief sich auf die weit überhöhte Summe von 8.000.— Euro. Aus Angst vor Repressalien bezahlte er die Rechnung.

Eintopf – das ist ja so altmodisch. Ich habe jetzt ein ganz neues Rezept: Man nehme Fleisch, verschiedenes Gemüse wie Bohnen, Paprika, Kohl und verschiedene Gewürze und brate es zusammen in einem großen Topf und nenne es dann: Wok-Gericht.

Flegeljahre – hieß es früher, denn Pubertät kannte man nicht. Wer nicht parierte, bekam was hinter die Ohren. Heute ist es die Zeit, in der die Eltern seltsam und peinlich werden.

Glimmstängel – sagte man scherzhaft zur Zigarette. Wer nicht rauchte, war ein Weichei und gehörte nicht richtig dazu. Das hat sich genau in das Gegenteil verkehrt, cool war gestern. Raucher sind jetzt schwach, unsportlich und müssen draußen ihren Krebs füttern.

Hausarrest – war eine beliebte Erziehungsmaßnahme der Eltern. Ob das heute noch eine Strafe ist? Besser wäre vielleicht: An die frische Luft bis zum Sonnenuntergang an Orte(n) ohne Handy- und WLAN Empfang.

Ivoire – Von meiner Großmutter habe ich eine Elfenbeinkette geerbt. Sie war sehr stolz darauf und sie sprach Elfenbein, wie damals üblich, nur französisch Ivoire aus und nicht wie das englische Ivory. Der Handel mit Elfenbein ist heute zu Recht verboten und nur Stücke die aus der Zeit vor 1947 stammen dürfen mit CITES Dokument gehandelt werden. Meine Kette ist also völlig wertlos, ich hätte sie aber auch so nicht getragen. Dennoch behalte ich sie als Andenken an meine Großmutter.

Jungbrunnen - war gestern, heute heißt es neudeutsch Anti-Aging. Obwohl man in den 1950er Jahren Wellness noch nicht kannte, ging meine Tante trotzdem in die Sauna. Gut gelaunt kam sie anschließend zurück und meinte: Ich bin in einen Jungbrunnen gefallen.

Kotau - dieses Wort war mir bis vor kurzem umgangssprachlich unbekannt. Ich kannte es nur aus der Literatur über China. Damit ist der Bückling vor dem Herrscher gemeint, der mit der Stirn bis zum Boden geht.
Im Augenblick lese und höre ich dieses Wort sehr oft in einem übertragenen Sinn in den Nachrichten. Ich weiß jetzt, dass das Fremdwort schon früher gebraucht wurde, wenn die deutschen Synonyme zu derb waren. Heute hat dieses Wort wieder ein Comeback.

Lohntüte – vor über 50 Jahren habe ich sie selbst mit Bargeld gefüllt mit dem Abrechnungsnachweis, der auf einem Lohnsteifen handschriftlich geschrieben wurde. Später gab es nur noch das ausgedruckte Abrechnungsformular, das Geld wurde auf die Bank überwiesen. Nach dem Renteneintritt gab es nur noch eine Abrechnung, wenn sich die Bezüge veränderten.
Vor einigen Wochen erhielt ich ein Schreiben vom Versicherungsträger mit dem Hinweis, dass es in Zukunft keine Abrechnung mehr gibt. Alle Daten stehen jetzt auf dem Überweisungsträger der Bank im Verwendungszweck.

Murmeln – diese schönen bunten Kugeln aus Glas habe ich für meine Enkel gekauft in der Hoffnung, dass sie genauso gerne damit spielen, wie ich früher. Das war leider nicht der Fall. Jetzt kommen sie zweckentfremdet in Glasvasen. Das sieht hübsch aus und die Blumen haben dadurch einen besseren Stand.

Nietenhosen – wurden die Jeans anfangs genannt. Sie waren kein Bekleidungsstück, sondern ein Ausdruck von Freiheit, Lässigkeit und Rebellion. Das war der Grund, warum meine Eltern mir verboten Jeans zu tragen. Es ging aber kein Weg daran vorbei, sie mussten aber sauber und ordentlich sein.
Nach der heutigen Mode müssen die Hosen durchlöchert und zerfetzt sein. Ja neue, zerrissene Jeans sind viel teurer als normale Jeans. Es gibt sogar für den kleinen Geldbeutel Anleitungen: Zerrissene Jeans selber machen. Das haben wir früher auch ohne Gebrauchsanweisung geschafft.

Ossi – von jeher werden über die Ostfriesen Witze gemacht, weil sie angeblich etwas langsamer im Denken sind, als der Rest der Republik. Die Ostfriesen nahmen es gelassen und erzählten selbst die besten Ossi-Witze. Nach der Wiedervereinigung wurden auch die Ostdeutschen Ossi genannt und die Ossi-Witze aus dem Westen kamen in Vergessenheit. Heute passt das Wort Ossi nicht mehr in die politische Korrektheit unserer Sprache und es gibt keine Ossi Witze mehr.
Was machen die Ostfriesen, wenn sie einen Stromausfall haben? Dann gehen sie an den Strand und holen sich ein paar Kilo Watt.
Ein ostfriesischer Blitzrechner ist einer Fernsehshow zu Gast. Er soll die Anzahl der Individuen in einem großen Haufen Ameisen errechnen. Ohne zu zögern sagt er: 3511 Moderator: Wie konnten Sie das so schnell errechnen? Nun ja, Beine zählen und durch sechs teilen.

Poussieren – war früher ein gängiges Wort, bei uns sagte man rumpoussieren. Das fing beim Händchenhalten an und endete mit der offiziellen Verlobung. Auch die Briefchen: Willst du mit mir gehen? Dann kreuze JA oder NEIN an gehörten dazu.
Heute geht es über das Internet. Ein bekannter Internet-Partnervermittler behauptet: Alle elf Minuten verliebt sich ein Single über unsere Plattform.

Quacksalber – soll es auch heute noch geben. Zum Glück kann ich darüber nichts berichten. Ich bin aber so pragmatisch, dass ich erst gar nicht irgendwelche Heiler aufsuche.

Rauchwaren – das sind edle Pelze. Ein Pelzmantel war früher der Traum jeder Frau, aber meistens war er unerschwinglich. Heute hängen sie fast wertlos im Schrank, denn der Pelzhandel in Europa ist durch den Artenschutz und der Initiative von Tierschutzverbände fast zusammengebrochen. Eine Freundin von mir war Kürschnerin, ihr Beruf ist nicht mehr gefragt und sie selbst hat auch keinen Pelzmantel mehr – es ist nicht mehr zeitgemäß, Pelze zu tragen und es war bis vor kurzem noch ein Tabu. In der letzten Zeit wird, auch aufgrund der nach wie vor großen Nachfrage aus Osteuropa, leider wieder mehr Pelz getragen.

Straßenfeger – nannte man früher vor allem Krimiserien (Das Halstuch), bei denen die Straßen leergefegt waren, weil alle vor dem Fernseher saßen und der Auflösung entgegenfieberten. Ich glaubte, heute kann das nicht mehr passieren, weil man durch die Mediathek nicht mehr auf den Ausstrahlungstermin angewiesen ist. Junge Leute sehen ohnehin auf YouTube ihre eigenen Sendungen und dort gibt es Stars, von denen ich noch nichts gehört habe.
Es war während des Halbfinalsspiels der Europameisterschaft 2016 Deutschland gegen Frankreich. Als bekennender Nicht-Fußball-Fan , wollte ich für die Mannschaft vor dem Fernseher Pizza besorgen. Die Straßen waren wie früher leergefegt, weil alle das Spiel verfolgten. Nur in der Pizzeria musste ich lange warten, denn alle, auch der Koch versammelten sich vor dem Fernseher.

Telex – Fernschreiber. Wie oft habe ich mit diesem Kommunikationsgerät gearbeitet. Damit kamen Reparaturaufträge aus aller Welt in unsere Firma. Techniker fuhren dann vor Ort, um den Schaden zu besichtigen. Später kam das Faxgerät. Damit konnten Bilder übermittelt werden, und der Schaden konnte schon grob eingeschätzt werden. Heute kommen so aussagefähige Bilder auf das Smartphone, dass sich viele Geschäftsreisen erübrigen. Sehr zum Bedauern der Betroffenen.

U…… – und was fällt ihnen dazu ein?
Vielleicht Ucht – ein veraltetes Wort, welches die Dämmerung oder die Schummerstunde bezeichnet. (Die Redaktion - H.K.)

Vokuhila – Männerhaarschnitt der 1980er Jahre vorne kurz- hinten lang. Aus heutiger Sicht sieht es ziemlich seltsam aus. Es waren aber Haare zu sehen. Heute kommen Männer mit sehr kurzen Haaren zum Friseur, um sich diese noch kürzer schneiden - oder gar eine Glatze rasieren zu lassen. Doch ich habe gelesen, die Vokuhila kommt zurück. Na, wenn's denn schönmacht.

Wählscheibe – ich erinnere mich, dass man, um die Fingernägel zu schonen, einen Bleistift in die Löcher der Wählscheibe steckte und dann die Scheibe drehte. Dann kam das Tastentelefon. Dummerweise war die Anordnung der Tasten anders als auf der vertraueten Additionsmaschine, was zu häufigen Fehlverbindungen führte. Dann kam das Handy. Immer und überall muss ich jetzt mit anhören, welche Probleme andere Leute haben. Ich will das gar nicht wissen. Nun habe ich ein Smartphone, bei dem ich nur auf ein Display drücken muss. Telefonieren ist ohnehin schon unmodern, man kommuniziert überwiegend auf Messenger Apps wie WhatsApp oder Twitter. Ja wer schreibt, der bleibt. Man kann nachher nicht mehr behaupten, das habe man nicht gesagt.

Xanthippe - Die böse Frau Xanthippe heißt, die ihren Mann am Halstuch reißt. Sie goss das volle Nachtgefäß hinunter über Sokrates. Da sprach der Weise sehr verlegen: Aufs Donnerwetter folgt der Regen!(Frank Wedekind)

Y…… – Yeah, yeah, yeah - vielleicht haben Sie ja was Besseres auf Lager?
Vielleicht Yatagan – ein osmanischer Säbel, der nach der gleichnamigen Stadt im Südwesten der Türkei benannt ist und auch gerne für Hinrichtungen genutzt wurde. Ob das in der Türkei gerade wieder in Mode kommt?(Die Redaktion - H.K.)

Zentner – Ein Zentner sind 50 kg oder 100 Pfund. Für das Pfund gab es ein Sonderzeichen das wie ein durchgestrichenes W aussah. So schrieb es auch meine Mutter immer auf ihren Einkaufszettel. Ein Viertelpfund Wurst waren 125 Gramm. Als vor einigen Jahren alles auf dezimal umgestellt wurde, mussten die Preisschilder auf 100 Gramm ausgewiesen werden. Der Preise war aber oft der Gleiche, wie bei einem Viertelpfund.
Neulich im Supermarkt: Eine ältere Frau verlangte an der Wursttheke ein halbes Pfund Katenschinken für den Spargel. Die Verkäuferin sah sie nur verständnislos an.

Margot Bintig, im August 2017