Mit dem Fernbus durch den Vorderen Orient
Epilog
Thomas, der auf eigene Faust von Istanbul aus getrampt war, berichtet nach seiner Rückkehr:
Ich benötigte drei Tage bis Aleppo. Die erste Nacht verbrachte ich in einer Pension in Ankara. Dann nahm mich ein Lkw mit kaputten Bremsen mit, der in halsbrecherischer Geschwindigkeit über das Taurusgebirge fuhr. Bergauf bis zum Pass gab es keine Probleme, aber jenseits des Passes blockierte plötzlich ein Auto die Dorfstraße. Die Leute standen beim Auto und quatschten, und der Lkw rollte ganz ganz ganz langsam, nur etwas motorgebremst, mit höchstens 15 km/h, doch unaufhaltsam in die Katastrophe hinein. Der Lkw-Fahrer brüllte in Panik, die Tür weit aufgerissen hing er außenbords, die rechte Hand ans Lenkrad gekrallt, mit dem linken Fuß fast den Asphalt streifend, so als wolle er mit der Hacke bremsen, mit der Linken hilflos fuchtelnd! – In allerletzter Sekunde verstanden die da unten unsere und ihre Notlage und machten die Straße frei… Schwein gehabt!
Die zweite Nacht verbrachte ich auf offenem Feld bei Adana. Ein junger Franzose hatte mich dazu überredet, der auf dem Heimweg nach Frankreich und ganz und gar unbekümmert war. Am nächsten Morgen wollte es nicht mehr voran gehen. Niemand wollte nach Syrien fahren. So ging es in mühseligen 20-Kilometer-Etappen bis zur Grenze. Am Ende hatte ich Glück. Vor der Grenze bei Antakya fühlte ich mich schon fast wieder wie zu Hause. Es gab dort geschmorte Auberginen mit Reis, wie bei uns im Jerusalemer Suq, man sprach arabisch. Da spricht mich ziemlich akzentfrei ein schwäbischer Syrer an, der auf dem Weg von
Konschtanz
nach Syrien mit seinem R4-Transporter ist, und lädt mich ein, mit ihm zu seiner Familie nach Aleppo zu fahren, wo wir, also ich und meine aus Istanbul mitgebrachten Wanzen, in Seidenbetten schliefen.
Am vierten Tag nahm ich von Aleppo aus über Hamah und Homs nach Damaskus den Bus und von dort bis Jerusalem das Sammeltaxi. Mutter amüsierte sich über mein letztes Hemd, das ungelogen nicht umfiel, als ich es auf den Fußboden stellte, so starr war es geworden von getrocknetem Reiseschweiß.
Zum Schluss noch einige Zahlen: Die ganze Reise kostete mich nach damaligem Umrechnungskurs 266,- D-Mark. Davon gingen 180,- D-Mark (70%) allein für Fahrtkosten drauf. 21,- D-Mark kosteten die Übernachtungen und 55,- D-Mark die Verpflegung. Wenn man nur trampen würde, hätte man eine solche Reise mit 90,- D-Mark machen können. Wir haben ungefähr 10,- D-Mark pro Tag ausgegeben, und der Kilometer kostete uns etwa 1,7 Pfennige bei einer Strecke von 10.200 zurückgelegten Kilometern. Zum Vergleich: Bei der Deutschen Bundesbahn kostete der Kilometer damals 8,5 Pfennige!