Regulativ

über
die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabriken.
D. d. den 9. März 1839.

§. 1. Vor zurückgelegtem neunten Lebensjahre darf niemand in einer Fabrik oder bei Berg-, Hütten- und Pochwerken zu einer regelmäßigen Beschäftigung angenommen werden.

§. 2. Wer noch nicht einen dreijährigen regelmäßigen Schulunterricht genossen hat, oder durch ein Zeugniß des Schulvorstandes nachweiset, daß er seine Muttersprache geläufig lesen kann und einen Anfang im Schreiben gemacht hat, darf vor zurückgelegtem sechszehnten Jahre zu einer Beschäftigung in den genannten Anstalten nicht angenommen werden.
Eine Ausnahme hiervon ist nur da gestattet, wo die Fabrikherren durch Errichtung und Unterhaltung von Fabrikschulen den Unterricht der jungen Arbeiter sichern. Die Beurtheilung, ob eine solche Schule genüge, gebührt den Regierungen, welche in diesem Falle auch das Verhältniß zwischen Lern- und Arbeitszeit zu bestimmen haben.

§. 3. Junge Leute, welche das sechszehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, dürfen in diesen Anstalten nicht über zehn Stunden täglich beschäftigt werden. Die Orts-Polizei-Behörde ist befugt, eine vorübergehende Verlängerung dieser Arbeitszeit zu gestatten, wenn durch Naturereignisse oder Unglücksfälle der regelmäßige Geschäftsbetrieb in den genannten Anstalten unterbrochen und ein vermehrtes Arbeitsbedürfniß dadurch herbeigeführt worden ist. Die Verlängerung darf täglich nur eine Stunde betragen und darf höchstens für die Dauer von vier Wochen gestattet werden.

§. 4. Zwischen den im vorigen Paragraphen bestimmten Arbeitsstunden ist den genannten Arbeitern Vor- und Nachmittags eine Muße von einer Viertelstunde und Mittags eine ganze Freistunde und zwar jedes Mal auch Bewegung in freier Luft zu gewähren.

§. 5. Die Beschäftigung solcher jungen Leute vor 5 Uhr Morgens und nach 9 Uhr Abends, so wie an den Sonn- und Feiertagen ist gänzlich untersagt.

§. 6. Christliche Arbeiter, welche noch nicht zur heiligen Kommunion angenommen sind, dürfen in denjenigen Stunden, welche ihr ordentlicher Seelsorger für ihren Katechumenen- und Konfirmanden-Unterricht bestimmt hat, nicht in den genannten Anstalten beschäftigt werden.

§. 7. Die Eigenthümer der genannten Anstalten, welche junge Leute in denselben beschäftigen, sind verpflichtet, eine genaue und vollständige Liste, deren Namen, Alter, Wohnort, Eltern, Eintritt in die Fabrik enthaltend, zu führen, dieselbe in dem Arbeits-Lokal aufzubewahren und den Polizei- und Schulbehörden auf Verlangen vorzulegen.

§. 8. Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung sollen gegen die Fabrikherren, oder deren mit Vollmacht versehenen Vertreter durch Strafen von 1 bis 5 Thalern für jedes vorschriftswidrig beschäftigte Kind geahndet werden. Die unterlassene Anfertigung oder Fortführung der im §. 7. vorgeschriebenen tabellarischen Liste wird zum ersten Male mit einer Strafe von 1 bis 5 Thalern geahndet; die zweite Verletzung dieser Vorschrift wird mit einer Strafe von 5 bis 50 Thalern belegt. Auch ist die Orts-Polizei-Behörde befugt, die Liste zu jeder Zeit anfertigen oder vervollständigen zu lassen. Es geschieht dies auf Kosten des Kontravenienten, welche zwangsweise im administrativen Wege beigetrieben werden können.

§. 9. Durch vorstehende Verordnung werden die gesetzlichen Bestimmungen über die Verpflichtung zum Schulbesuch nicht geändert. Jedoch werden die Regierungen da, wo die Verhältnisse die Beschäftigung schulpflichtiger Kinder in den Fabriken nöthig machen, solche Einrichtungen treffen, daß die Wahl der Unterrichtsstunden den Betrieb derselben so wenig als möglich störe.

§. 10. Den Ministern der Medizinal-Angelegenheiten, der Polizei und der Finanzen bleibt es vorbehalten, diejenigen besondern sanitäts-, bau- und sittenpolizeilichen Anordnungen zu erlassen, welche sie zur Erhaltung der Gesundheit und Moralität der
Fabrikarbeiter für erforderlich halten. Die hierbei anzudrohenden Strafen dürfen 50 Thaler Geld- oder eine diesem Betrag entsprechende Gefängnißstrafe nicht übersteigen.

Berlin, den 9. März 1839

Königliches Staats.Ministerium.

Friedrich Wilhelm, Kronprinz.


Frh.v.Altenstein. v.Kamptz. Mühler. v.Rochow. v.Nagler.
Graf v.Alvensleben. Frh.v.Werther. v.Rauch.

Regulativ

über
die Beäigung jugendlier Arbeiter in Fabriken.
D. d. den 9. März 1839.

§. 1. Vor zurügelegtem neunten Lebensjahre darf niemand in einer Fabrik oder bei Berg-, Hüen- und Powerken zu einer regelmäßigen Beäigung angenommen werden.

§. 2. Wer no nit einen dreijährigen regelmäßigen Sulunterrit genoen hat, oder dur ein Zeugniß des Sulvorſtandes naweiſet, daß er seine Muerſprae geläufig leſen kann und einen Anfang im Sreiben gemat hat, darf vor zurügelegtem ſeszehnten Jahre zu einer Beäigung in den genannten Anſtalten nit angenommen werden.
Eine Ausnahme hiervon iſt nur da geſtaet, wo die Fabrikherren dur Erritung und Unterhaltung von Fabrikulen den Unterrit der jungen Arbeiter ern. Die Beurtheilung, ob eine ſole Sule genüge, gebührt den Regierungen, wele in diesem Fae au das Verhältniß zwien Lern- und Arbeitszeit zu beſtimmen haben.

§. 3. Junge Leute, wele das seſzehnte Lebensjahr no nit zurügelegt haben, dürfen in diesen Anſtalten nit über zehn Stunden tägli beäigt werden. Die Orts-Polizei-Behörde iſt befugt, eine vorübergehende Verlängerung dieſer Arbeitszeit zu geſtaen, wenn dur Naturereignie oder Unglüsfäe der regelmäßige Geäsbetrieb in den genannten Anſtalten unterbroen und ein vermehrtes Arbeitsbedürfniß dadur herbeigeführt worden iſt. Die Verlängerung darf tägli nur eine Stunde betragen und darf höſtens für die Dauer von vier Woen geſtaet werden.

§. 4. Zwien den im vorigen Paragraphen beſtimmten Arbeitsſtunden iſt den genannten Arbeitern Vor- und Namiags eine Muße von einer Viertelſtunde und Miags eine ganze Freiſtunde und zwar jedes Mal au Bewegung in freier Lu zu gewähren.

§. 5. Die Beäigung soler jungen Leute vor 5 Uhr Morgens und na 9 Uhr Abends, ſo wie an den Sonn- und Feiertagen iſt gänzli unterſagt.

§. 6. Chriſtlie Arbeiter, wele no nit zur heiligen Kommunion angenommen nd, dürfen in denjenigen Stunden, wele ihr ordentlier Seelsorger für ihren Kateumenen- und Konfirmanden-Unterrit beſtimmt hat, nit in den genannten Anſtalten beäigt werden.

§. 7. Die Eigenthümer der genannten Anſtalten, wele junge Leute in denſelben beäigen, nd verpflitet, eine genaue und voſtändige Liſte, deren Namen, Alter, Wohnort, Eltern, Eintri in die Fabrik enthaltend, zu führen, dieſelbe in dem Arbeits-Lokal aufzubewahren und den Polizei- und Sulbehörden auf Verlangen vorzulegen.

§. 8. Zuwiderhandlungen gegen dieſe Verordnung soen gegen die Fabrikherren, oder deren mit Vomat verſehenen Vertreter dur Strafen von 1 bis 5 Thalern für jedes vorriswidrig beäigte Kind geahndet werden. Die unterlaene Anfertigung oder Fortführung der im §. 7. vorgeriebenen tabearien Liſte wird zum erſten Male mit einer Strafe von 1 bis 5 Thalern geahndet; die zweite Verleung dieſer Vorri wird mit einer Strafe von 5 bis 50 Thalern belegt. Au iſt die Orts-Polizei-Behörde befugt, die Liſte zu jeder Zeit anfertigen oder vervoſtändigen zu laen. Es gesieht dies auf Koſten des Kontravenienten, wele zwangsweiſe im adminiſtrativen Wege beigetrieben werden können.

§. 9. Dur vorſtehende Verordnung werden die geſelien Beſtimmungen über die Verpflitung zum Sulbeſu nit geändert. Jedo werden die Regierungen da, wo die Verhältnie die Beäigung ulpflitiger Kinder in den Fabriken nöthig maen, ſole Einritungen treffen, daß die Wahl der Unterritsſtunden den Betrieb derſelben so wenig als mögli ſtöre.

§. 10. Den Miniſtern der Medizinal-Angelegenheiten, der Polizei und der Finanzen bleibt es vorbehalten, diejenigen beſondern ſanitäts-, bau- und enpolizeilien Anordnungen zu erlaen, wele e zur Erhaltung der Geſundheit und Moralität der
Fabrikarbeiter für erforderli halten. Die hierbei anzudrohenden Strafen dürfen 50 Thaler Geld- oder eine dieſem Betrag entſpreende Gefängnißſtrafe nit überſteigen.

Berlin, den 9. März 1839

Königliches Staats.Ministerium.

Friedrich Wilhelm, Kronprinz.


Frh.v.Altenſtein. v.Kamp. Mühler. v.Roow. v.Nagler.
Graf v.Alvensleben. Frh.v.Werther. v.Rau.

 

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