Der erste Ski-Urlaub (1974)
Wenn ich im Fernsehen die Ski-Asse den Hang runter sausen sehe, fällt mir immer mein erster Ski-Urlaub ein und ich kann diese Sportler nur bewundern.
Es war 1974. Monika, unsere große Tochter, hatte eine Klassenreise in den Harz gemacht zum Skifahren. Sie schwärmte und machte auch uns Lust auf so ein Abenteuer. Die gebraucht gekauften Skier passten mir, spezielle Skikleidung brauchte man damals noch nicht. Auch keinen Helm oder Funktions-Unterwäsche. Der warme Anorak, die lange Hose, Mütze, Schal und Handschuhe genügten.
Monika wollte ihre Ferien jetzt lieber bei Tante Christel verbringen, aber Katja, acht Jahre jung, kamen mit nach Seefeld.
Am ersten Tag sollte ich mich auf die Skier stellen und zur Probe einen kleinen Hang abwärts gleiten. Die Skier rutschten schon auf dem Weg mit mir los. Wie sollte ich bremsen? Und so viele Leute liefen da herum. Ich rief nur immer: Vorsicht, ich kann nicht bremsen!
und alle machten schnellstens Platz. Dann rutschte ich vom Weg ab und eine kleine Tanne kam immer näher. Es half nur noch die Po-Bremse und links und rechts der Tanne lag je ein Bein von mir mit diesen riesenlangen Dingern an den Füßen, die jetzt hochkant standen. Wie sollte ich bloß wieder auf die Füße kommen? Immer wieder lag ich im Schnee. Das sollte ein Vergnügen sein? Ich protestierte: Ohne Ski-Unterricht schnalle ich die Dinger nicht wieder unter die Stiefel!
Zunächst besorgten wir für Katja Stiefel und Skier – leihweise und meldeten uns bei einer Ski-Schule an und am nächsten Morgen ging es los.
Erst einmal mussten wir das Stehen lernen, noch dazu auf abschüssigem Gelände! Dann erklärte uns der Skilehrer, was ein Berg- und ein Tal-Ski ist. Auch das Bremsen, also der Schneepflug
, wurde geübt. Und dann kamen die ersten Gleitversuche. Als das so einigermaßen klappte, ging es zum Schlepplift. Wo sollte ich denn den Bügel
hintun? Noch etwas ängstlich schauten wir aus der Anfängertruppe zu, wie die Geübten den Bügel unter den Hintern schoben, sich am Seil festhielten und ab ging es. Jetzt waren wir dran, immer zu Zweit. Fiel einer von seinem Bügel runter, kippte auch der Nachbar aus der Bahn. Als wir nach kurzer Fahrt
oben ankamen, lag da ein ganzes Knäuel von Anfängern übereinander, wir obendrauf. Der Skilehrer rief immer nur: Ihr müsst Platz machen für die Nächsten
. Das war leichter gesagt als getan. Auf allen Vieren robbten wir an den Rand – bloß weg vom Lift, der immer mehr Skiläufer nach oben baggerte.
Dann standen wir mit schlotternden Knien auf dem so genannten Idiotenhügel
, den wir nun hinunterfahren sollten. Ich nahm allen Mut zusammen und rutschte mehr zitternd als gleitend abwärts, nicht ohne ab und zu im Schnee zu landen. Wie sollte man auch noch Kurven fahren? Und warum waren die Skier nur so entsetzlich lang? Als endlich Mittagpause war, konnte ich kaum noch gerade gehen. Alle Knochen taten weh und mit Schrecken dachte ich an den nächsten Morgen, an dem es weitergehen sollte.
Auch Katja hatte ihre ersten Übungen hinter sich. Ich hatte einmal gesehen, wie sie in Hockstellung – hatte sie einen Hocker unter dem Po? – vorsichtig abwärts rutschte. Aber es hatte ihr Spaß gemacht, sie fiel ja auch nicht so tief wie ich. Werner, der als Junge im Thüringer Wald auf Fassbrettern das Skilaufen gelernt hatte, kam strahlend von der Piste, für ihn war es das reine Vergnügen.
Am dritten Tag wollte Werner mal sehen, wie ich den Hügel hinunter sauste
. Es ging ja schon etwas besser, aber in den Kurven legte ich mich meistens in den Schnee und so beschloss ich, quer über den Hang ohne Kurven bis vor das Café am Pisten-Ende zu fahren. Nur Bremsen half mir, und Werner hielt sich die Augen zu, als ich mit einer Vollbremsung
ankam.
Am vierten Tag löste sich am hinteren Ski-Ende das Eisen und Schnee setzte sich zwischen Ski und Eisen, immer dicker wurde der Klumpen und es legte mich immer öfter auf die Piste. Ich streikte, wollte diese Quälerei nicht weiter mitmachen und nur noch im Schnee spazieren gehen. Aber Werner sägte einfach ein Stück ab vom Ski und ich musste wieder los.
Als ich einigermaßen heil den Hang runter kam, den Schneepflug beherrschte und es mir fast Spaß machte, war der Urlaub zu Ende. Ich beschloss, die Skier gleich zu verschenken an einen Jungen aus der Anfängergruppe, da ich nie wieder Ski-Urlaub machen wollte.
Damals konnte ich nicht ahnen, dass ich später Spaß finden würde am Langlauf, was im Schneewinter 1978/79 anfing. Wir konnten vor der Haustür anfangen und über die Felder laufen, allerdings auf fast ebenem Gelände.
Ich habe noch einige Urlaube im Harz gemacht zum Langlaufen, wobei es dort manchmal mächtig bergab ging und oft nur die Po-Bremse zum Anhalten half. Auch kann ich mich noch gut an meine immer eiskalten Hände erinnern. Nach vielen schneelosen Wintern habe ich beschlossen, für diesen Sport zu alt
zu sein und die Skier im letzten Jahr entsorgt
.