Studium in Berlin 1966 bis 1969
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Kairo 1961 — 1966 flogen mein Bruder Thomas und ich nach Hamburg, wo wir gerade noch rechtzeitig zum 50. Geburtstag unseres Vaters ankamen. Wir trafen zwei Tage vor seinem Geburtstag ein.
Da das Pastorat in der Alten Rabenstraße vom zweiten Pastor an Sankt Petri bewohnt wurde, kaufte die Landeskirche das Haus Wellingsbüttler Weg für den neuen Hauptpastor. Dort fand am 20. Mai 1966 Vaters Geburtstagsfeier statt. Der Bischof Hans-Otto Wölber, die Hauptpastorenkollegen und viele Freunde bevölkerten das kleine Haus.
Das Haus war nicht sehr groß und, wie ich fand, wenig repräsentativ. Im Parterre befanden sich die Küche, das Wohnzimmer und Vaters Amtszimmer
. Der erste Stock hatte drei kleine Zimmer unter den Dachschrägen und ein Bad. Im Keller gab es eine Garage. Zwischen der Straße und dem Grundstück lagen ein Knick und der Fußweg. Direkt auf der Grundstücksgrenze begann die ungewöhnlich steile und schmale Abfahrt zur Garage, die von großen Natursteinen begrenzt war. Auf dem Garagenniveau angekommen, musste man eine scharfe Rechtskurve in die Garage nehmen. Das ging nicht ohne Rrangieren und blieb nicht ohne Folgen. Deshalb erhielt der mausgraue Ford 12 m meines Vaters auch den Namen Beuli
.
Beim Neukauf eines Autos fragte Vater immer uns Söhne, welchen Wagen wir ihm empfehlen würden. Aber er entschied es schließlich immer selbst, und seine Entscheidungen waren immer ein bis zwei Nummern bescheidener als unsere Vorschläge. Das erste Auto war ein Fiat 124, danach kam Beuli
. An weitere erinnere ich mich nicht mehr.
Der Garten war recht groß. Am Haus befand sich eine schöne Terrasse und an der Nordseite des Gartens stand eine riesige Rotbuche, die bestimmt 200 Jahre alt war. Wahrscheinlich steht sie auch noch heute da. Das Haus musste allerdings in den 2000er Jahren einem Neubau weichen.
Thomas und ich hatten uns entschieden, in Berlin zu studieren, weil die Wehrgesetzgebung wegen der alliierten Vorbehaltsrechte in Berlin nicht übernommen worden war. Da wir im Ausland gelebt hatten und in Deutschland nicht gemeldet waren, hatte uns bisher kein Kreiswehrersatzamt zur Musterung erfasst. Mir kam damals nie in den Sinn, nicht zu studieren. In unseren Kreisen
war es eine Selbstverständlichkeit, dass wir studierten. Und, dass wir Klavier lernten.
Wenige Tage nach unserer Ankunft in Hamburg flogen wir nach West-Berlin. Unser Flugzeug landete in Tempelhof. Ich wusste schon, dass wir den Bus der Linie 4 nehmen mussten, um nach Dahlem zu fahren. Aber wo fuhr er denn ab? Wir verließen also das Flughafengebäude. Dort bei der Hungerharke
– so nannten die Berliner das Luftbrückendenkmal vor dem Flughafengebäude – war ein Taxistand. Ich fragte einen Taxifahrer, wo der Vierer denn sei. Der antwortete mir prompt in waschechtem Berlinerisch: Den Fihrer, den ham wa hier schon seit fümmunvierzig nücht mehr.
Nach unserem Erstkontakt mit Berliner Humor erfuhren wir dann, wo die Haltestelle des Vierers war.
Am 26. Mai 1966 konnten wir uns noch zum Sommersemester 1966 an der Freien Universität (FU) immatrikulieren, obwohl das Semester bereits Anfang April angefangen hatte. Thomas hatte sich für das Studium der Soziologie entschieden, ich für Biologie, denn das Fach hatte mir in der Schule sehr viel Spaß gemacht.
Thomas und ich wohnten zusammen in einem Zimmer bei einer alten Dame. Leider lag die Bude aber in Lichtenrade in der Cecilienstraße, im südlichsten Zipfel West-Berlins, 200 Meter Luftlinie von der Grenze zur DDR entfernt. Von dort mussten wir täglich mit S- und U-Bahn zur Freien Universität nach Dahlem fahren.
Bald besuchten wir auch Ost-Berlin, einerseits, um das Theater am Schiffbauer Damm zu besuchen, in dem das Berliner Ensemble spielte, andererseits, um unsere Verwandten zu sehen. Sie wohnten sehr zentral in der Glinkastraße. Wir mussten uns zwar polizeilich melden und bekamen einen Berliner Personalausweis, aber ich hatte immer noch meinen Reisepass, der 1965 in Amman ausgestellt worden war. Als Wohnort war dort Jerusalem
eingetragen. So galten wir für die DDR als Auslandsdeutsche und hatten dadurch das Privileg, über Checkpoint Charly nach Ost-Berlin gehen zu können. Von dort aus war es nur ein Katzensprung in die Glinkastraße.
Gelernt habe ich nicht mehr viel in diesem Sommersemester, nicht nur, weil das Semester schon halb rum war. Ich musste feststellen, dass das Grundstudium mit Biologie wenig zu tun hatte. Es war ein allgemeines naturwissenschaftliches Grundstudium mit Themen, die ich schon in der Schule behandelt hatte oder die nicht mein Interesse weckten. Aber das Problem lag tiefer.
Ich war in der Schule immer gut durchgerutscht
und musste mich nicht sonderlich anstrengen, um auf einem Niveau von Befriedigend
oder Ausreichend
gut durchzukommen. Ich verhielt mich ökonomisch
, denn in Deutschland gab es so gut wie keine Arbeitslosigkeit. Jeder, der wollte, bekam einen Job. So hatte ich das selbstständige Lernen bis dahin nicht gelernt. Außerdem hatte ich immer noch nicht kapiert, dass ich nicht für die Schule, sondern fürs Leben, für mein Leben, lernen würde. Zwar hatte ich als Schüler einige Interessen, zum Beispiel Anthropologie und Archäologie, aber daraus eine Berufsperspektive zu entwickeln, kam mir damals nicht in den Sinn. So fehlte mir eine Perspektive, ein Ziel, und ich schwamm so vor mich hin.
Dazu kam noch etwas anderes: Ich hätte einen festen Fahrplan, ein Skelett gebraucht. Wie in der Schule, in der jedes Fach und jede Unterrichtseinheit vorgegeben ist. Aber dieses Studienfach war nicht verschult
. Kurz: Ich wusste einfach nicht, wie Studieren
geht.
Von meinem Vetter Reinhard hielt ich sehr viel. Ich erklärte ihn 1955 zu meinem Patenonkel
, weil sein Vater Onkel Hans diese Aufgabe nicht angenommen hatte. Hans wurde nämlich bei meiner Geburt von meinen Eltern zu meinem Paten bestimmt, ohne dass er gefragt werden konnte, denn wir waren im März 1945 in Niederbayern von der Außenwelt abgeschnitten. Hans hatte die Patenschaft nicht oder nur halbherzig übernommen, weil er schon früh Zweifel an Kirche und Glaube hatte. Heute kann ich das gut verstehen. Aber wenn man in ein System hineingeboren wird, ist es sehr schwer, es zu hinterfragen und sich daraus zu befreien. Da waren zuerst meine Eltern, die ihren Glauben wie selbstverständlich lebten und ihn mir gegenüber nie in Frage stellten. Und dann war da die Menge der theologischen Heerscharen, Pastoren, Bischöfe und andere Würdenträger, die ich im Laufe meiner Jugend kennengelernt hatte. So viele schlaue Menschen – es war undenkbar für mich, dass die alle sich irren konnten.
Reinhard hatte Volkswirtschaft (VWL) studiert. Es musste also etwas Interessantes sein. Aber genaue Vorstellungen hatte ich auch von diesem Fach nicht. Es war allerdings genau vorgegeben, welche Vorlesungen und Seminare man im Grundstudium zu absolvieren hatte. So reifte in mir der Entschluss, das Studienfach zu wechseln. Im Wintersemester 1966/67 belegte ich schon mal ein paar Vorlesungen in VWL.
Mit dem Sommersemester 1967 wechselte ich offiziell vom Fachbereich Botanik zum Fachbereich Volkswirtschaftslehre und ließ mir das Wintersemester 1966/67 für VWL anerkennen, weil ich bereits VWL-Vorlesungen belegt hatte.
Ein Professor ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Helmut Arndt. Er hatte ein Standardwerk in zwei Bänden mit dem Titel Volkswirtschaftstheorie
geschrieben und bestritt daraus zwei Vorlesungen: Volkswirtschaftstheorie I und II, die er im Wechsel über zwei Semester anbot. Was mich dabei so faszinierte und warum er mir in Erinnerung geblieben ist, war, dass er tatsächlich aus seinem Buch – vorlas! Wort für Wort! Ich fragte mich, ob es nicht effektiver sei, wenn man das Buch selbst zuhause lesen würde. – Jedenfalls wusste ich von nun an, warum die Veranstaltung Vorlesung
heißt.
Was habe ich fürs Leben gelernt? Arndts volkswirtschaftliche Modelle gingen immer davon aus, dass man die Ökonomie betrachtete unter sonst gleichbleibenden Bedingungen, wenn man nur einen Parameter verändert. Wie verhält sich beispielsweise die Nachfrage, wenn man das Angebot erhöht oder verknappt, ceteris paribus
, wenn also alles andere unverändert bleibt. In BWL habe ich gelernt, dass man unterschiedliche Unternehmensziele haben kann, zum Beispiel Gewinnmaximierung
. Später lernte ich, dass es in der sogenannten freien Wirtschaft eigentlich immer um Gewinnmaximierung geht, kaum um soziale Aspekte. Noch später lernte ich bei der Unternehmensberatung HBT, bei der ich 27 Jahre war, dass es auch anders gehen kann.
Aber zurück zum ersten Semester. In Lichtenrade wollten wir nicht wohnen bleiben, denn der Weg zur FU war lang und die gemeinsame Bude recht eng. So bewarben wir uns schon bald um einen Platz im Studentenheim der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) in Dahlem, Gelfertstraße 45. Von dort aus lagen die meisten Gebäude der FU in Fußwegentfernung.
Die Studentengemeinde war mir aus meinen Hamburger Zeiten vertraut. Vielleicht deshalb fühlte ich mich dort zugehörig und hielt mich öfter dort auf. Ich war mir sicher, dass wir dort im ESG-Heim einem Platz bekommen würden. Nein, ich habe nicht mit einer Beeinflussung der Belegungskommission durch meinen Vater gerechnet. Ich glaubte wohl eher, dass unsere Lebensläufe (Vater als Studentenpfarrer, Auslandsaufenthalt) eine Rolle spielen könnten.
Im Sommer 1966, wir waren in den Semesterferien in Hamburg, erhielten wir die Zusage, zum Wintersemester 1966/67 im ESG-Heim aufgenommen worden zu sein. Wir kamen beide ins Haus A, das rote Haus, das direkt hinter dem Hauptgebäude lag, in dem sich die ESG befand. Außerdem gab es noch die Häuser B und C, gelb und grün, die gestaffelt hinter dem roten Haus lagen. Anfang Oktober bezogen wir unsere Zimmer. Es gab fast nur Einzelzimmer, allerdings war auf jedem Flur auch ein Doppelzimmer. Und dort kamen erst einmal die Neuen rein. Im folgenden Sommersemester wollte ich dann eines der größeren leer werdenden Einzelzimmer haben und klärte dies mit den anderen Flurbewohnern. Als ich nach den Ferien wieder nach Berlin kam, hatte sich Peter C. in diesem Zimmer eingenistet. Ich empfand das als hinterhältig und gemein. Da ich das heute noch so genau weiß, zeigt, wie sehr mich dieses unkollegiale Verhalten getroffen hat. Ihm war es aber nur peinlich. An Rückzug dachte er nicht.
Ich begann, mich in der ESG zu engagieren. Der damalige Studentenpfarrer war Karl-Behrnd Hasselmann. Wir nannten ihn Pope
, was ihm sehr schmeichelte. Er bat mich und drei weitere Studenten, im Sommersemester 1967 V
der ESG zu werden. V
war die vertraute Abkürzung für Vertrauensstudent. Mit mir zusammen wurden es Armgard von Bülow, Angelika Obert genannt Geli
, später Theologin und Auguste-Viktoria-Kennerin, und Henning von Alten genannt Teddy
, später Präsident des Lüneburger Verwaltungsgerichts und mein Freund bis heute. Wir stellten das Semester unter das Motto action and fun
. Außerdem sang ich in der Kurrende, dem Chor der ESG, den Dieter Ebert leitete.
Die Kurrende plante, im Sommer 1967 eine fünfwöchige Tournee durch die Oststaaten der USA zu machen. Dafür probten wir insgesamt elf Stücke von Schütz bis Reda. Dass ich diese Chance hatte, die mir meine Eltern finanzierten, war großes Glück. 21 Sängerinnen und 18 Sänger reisten mit. Auch der Pope war dabei. Nach einer Vorbereitungsfreizeit im März in Glücksburg startete die Tournee am 13. Juli in New York City. Der gecharterte Bus der Black Bus Lines brachte uns dann nach Boston, wo wir auf der Anti Viet Nam Peace FairPlakat Internationale Vietnam-Konferenz 1968 auftraten – ein kleiner Vorgriff auf die uns bevorstehende Zeit in Berlin, – dann Plymouth (Mayflower angucken) und drei weitere Orte in Massachusetts. Die nächste Station war Niagara Falls (NY), wo wir auch auf die kanadische Seite fahren konnten, um das Schauspiel in ganzer Breite bewundern zu können.
Dann fuhren wir weiter über Indianapolis und Kentucky in die Südstaaten, wo wir bei schwarzen Baptisten- und Methodistengemeinden zu Gast waren. Es begann in Nashville (TN) mit einem Fernsehauftritt im Lokalfernsehen und dem Besuch des Upper Room, wo wir Fans von Mahalia Jackson wurden. Dann ging es weiter nach Alabama, Georgia und North Carolina. Dort verliebte ich mich in die Tochter meines Gastgebers und überlegte, wie ich am Ende der Tournee dorthin noch einmal zurückkehren könnte, was natürlich unrealistisch war. In Washington DC besichtigten wir das Capitol und das Grab von JFK in Arlington. Von da aus brachte uns unser Fahrer Nicki, der uns in den fünf Wochen sehr ans Herz gewachsen war, nach NYC zurück, wo wir uns von ihm trennen mussten. Auch ich trennte mich zwei Tage von meinen Mitsängern und besuchte meine Verwandten. Mit ihnen fuhr ich in die Catskill Mountains nach Ashokan 200 Kilometer nördlich von NYC, wo sie ein Ferienhaus hatten.
Am 17. August waren wir wieder in Berlin. Im Nachhinein erfuhren wir, dass die Busgesellschaft während der Tournee Konkurs angemeldet hatte. Aber sie erfüllte unseren Vertrag bis zuletzt.
Ab dem Sommersemester 1967 begann ich wieder, Arabisch zu studieren. Mein Studienbuch weist fünf Veranstaltungen für Arabisch aus, eine für Musik und nur zwei für Volkswirtschaft. Im Nachhinein betrachtet war es fast ein Studium generale. Rückblickend betrachtet war das einerseits ein Zeichen dafür, dass ich auch an VWL kein gesteigertes Interesse hatte, andrerseits, dass ich das Arabische nicht ganz einschlafen lassen wollte. Im darauffolgenden Semester war das Verhältnis wieder zugunsten der VWL gekippt. Ich belegte drei Veranstaltungen Arabisch und fünf in VWL. Allerdings waren drei davon Statistik. Ich wollte wohl das Grundstudium hinter mich bringen. Im Sommersemester 1968 waren die Arabisch-Veranstaltungen völlig aus meinem Studienbuch verschwunden.
Langsam aber stetig begann sich ein Teil der Studentenschaft zu politisieren. Denn in Bonn regierte die erste Große Koalition unter Kiesinger. Es fehlte eine starke parlamentarische Opposition. Immer noch saßen Nazis in wichtigen Positionen von Wirtschaft und Politik, die nationalsozialistischen Verbrechen blieben ungesühnt und drohten zu verjähren. Auch in den Universitäten waren die Strukturen verkrustet. In Indochina tobte der Vietnam-Krieg, und die Bevölkerung beurteilte dies alles durch die Brille des meinungsbildenden Springer-Verlags, Vox Springer
genannt.
So begann sich die Außerparlamentarische Opposition (APO) zu formieren. Es begann bereits im Sommersemester 1966 mit Protestaktionen und Sitzstreiks im Audimax, und wir waren dort plötzlich mitten drin. Einer der Wortführer war Knut Nevermann, der damalige AStA-Vorsitzende der FU und Sohn des früheren Hamburger Bürgermeisters Paul Nevermann. Anfang 1967 gründete sich die Kommune IDie Kommune 1, 1967 © Thomas Hesterberg
freie Liebe, Hasch und Polithappenings, die in Form von Polithappenings protestierte. Ich habe damals die unzähligen Flugblätter und Zeitungsausschnitte gesammelt, sie füllen einen dicken Aktenordner. Auch wir in der ESG bezogen Stellung und gaben Flugblätter heraus. Der Pope schrieb an die Berliner Gemeinden und wir ESG-Studenten besuchten Gemeindeveranstaltungen, um unsere Sicht auf die Proteste zu vermitteln. Im Vertrauensstudenten-Zimmer koordinierten wir unsere Arbeit, legten Informationen aus und führten Informationsveranstaltungen durch. Ich erinnere mich, dass Rudi Dutschke einmal bei uns war und neben mir auf dem Sofa saß, um eine Aktion mit uns abzusprechen. Auch zu Helmut Gollwitzer, den wir sehr verehrten und Golli
nannten, hatten wir engen Kontakt. Er war ein Befürworter der Studentenbewegung und ein großes Vorbild für uns.
Verständlicherweise kam das Studieren in diesen Monaten zu kurz, die Kultur aber nicht. Beliebt waren bei uns die Auftritte von Insterburg & CoInsterburg & Co. war eine deutsche Komikerband, die in der Urbesetzung von 1967 bis 1979 bestand.Klick für Wikipedia und des ReichskabarettsDas Reichskabarett war die satirische Stimme der Studentenbewegung in Berlin. Es bestand von 1965 bis 1971 unter der Leitung von Volker Ludwig und Günter Schäfer und galt in dieser Zeit als das wichtigste politische Kabarett West-Berlins. Klick für Wikipedia. Außerdem gewannen damals Reinhard Mey und Katja Ebstein an Popularität in der Szene und wir sangen Spiel nicht mit den Schmuddelkindern
von Franz Josef Degenhardt. Gelegentlich besuchten wir das Theater am Schiffbauerdamm in Ost-Berlin, der Spielstätte des Berliner Ensembles. Aber besonders kultig war für uns Studenten die wöchentliche Vorführung in einem kleinen Kino, das direkt am U-Bahnhof Thielplatz (heute: Freie Universität) lag. Dort wurden in der Sonnabend-Nacht-Vorstellung um 23 Uhr alte Eddie Constantine-Filme gezeigt. Das Kino war immer gerappelt voll und das Publikum ging lautstark mit, wenn der FBI-Agent Lemmy CautionEddi Constantin alias Lemmy Caution in Aktion trat.
Dann kam der 2. Juni 1967, der Schah besuchte Berlin. Es war eine große Demonstration angekündigt. Aber die Stimmung war in den Tagen davor bereits so weit angeheizt, dass ich mich entschloss, nicht auf die Demo zu gehen. Ich hatte Schiss, und dieses Bauchgefühl war richtig. Was dann geschah, ist allseits bekanntKarl-Heinz Kurras, Pseudonym Otto Bohl, ein West-Berliner Polizist, tötete am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg mit einem gezielten Schuss in den Hinterkopf aus seiner Dienstwaffe und trug damit erheblich zur Radikalisierung der westdeutschen Studentenbewegung bei. 2009 wurde er als Spion der DDR-Staatssicherheit enttarnt. Der Todesschuss erfolgte in voller Absicht, doch Kurras wurde vom Verdacht der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Kurras wurde zum Kriminaloberkommissar befördert und bezog ab 1987 eine Beamtenpension. Er lebte bis zu seinem Tode 2014 mit seiner Frau in einer Eigentumswohnung in Berlin-Spandau. Klick für Wikipedia. Die Jubelperser
Als Jubelperser (in den Medien auch Prügelperser genannt) wurde eine Gruppe von rund 150 iranischen Staatsbürgern bezeichnet, die den Staatsbesuch des Schahs Mohammad Reza Pahlavi und seiner Frau Farah Pahlavi am 2. Juni 1967 in West-Berlin begleiteten. Die Gruppe bestand aus Mitarbeitern des iranischen Geheimdienstes SAVAK und von diesem angeheuerten Landsleuten, die als Pro-Schah-Demonstranten auftraten und unter Duldung der Berliner Polizei mit Gewalt gegen friedliche Gegendemonstranten vorgingen. Klick für Wikipedia schlugen mit ihren mitgebrachten Latten zu und die Polizisten bekamen den Befehl Knüppel frei
. Ich war im Nachhinein froh, nicht im Gemetzel gestanden zu haben. Kurz darauf begann der SechstagekriegDer Sechstagekrieg oder Junikrieg zwischen Israel und den arabischen Staaten Ägypten, Jordanien und Syrien dauerte vom 5. bis zum 10. Juni 1967. Als Teilaspekt des Nahostkonfliktes war er nach dem Israelischen Unabhängigkeitskrieg (1948) und der Suezkrise (1956) der dritte Arabisch-Israelische Krieg.Klick für Wikipedia zwischen Israel und den arabischen Staaten Ägypten, Jordanien und Syrien. Die durch die damalige Israelpolitik einseitig informierten Kommilitonen jubelten, was mich sehr ärgerte.
Im September 1967 machte ich ein Bankpraktikum bei der Privatbank Wilhelm Ree jr., deren Inhaber Herr Dr. Leverkus war. Mein Vater hatte den Kontakt vermittelt, denn Herr Leverkus war im Kirchenvorstand von Sankt Petri. Er war ein sehr integrer und weiser Mann und ein supertoller Ausbilder. Er gab sich alle Mühe, mir in regelmäßigen Einzelsitzungen wirtschaftstheoretisches und wirtschaftspolitisches Wissen zu vermitteln. Ich schrieb brav mit, aber viel ist bei mir nicht hängen geblieben. Was mich wunderte war, dass er seine Bankunterlagen mit Wilhelm Ree jr.
unterschrieb. Das sei, so erklärte er mir, bei Privatbanken so üblich. – Viele Jahre später las ich noch einmal das Zeugnis, das er mir für dieses Praktikum ausgestellt hatte, und war erschrocken. Da stand nämlich: Herr Malsch hat alle ihm übertragenen Arbeiten gewissenhaft und zu meiner Zufriedenheit erledigt.
Da stand nicht etwa zu meiner vollsten Zufriedenheit
. Das war wohl die Quittung dafür, dass ich das Studium nur halbherzig betrieb.
Der Alltag der Wintersemester 1967/68 und Sommersemester 1968 war weiterhin gekennzeichnet durch Sitzstreiks und Demos. Das Establishment wollte einfach nicht klein beigeben. Am Gründonnerstag, 11. April 1968, verübte der durch die rechtsextreme National-ZeitungGerhard Frey mit National-Zeitung 2009
Die rechtsextreme National-Zeitung wurde im DSZ-Verlag (bis zu seinem Tod 2013 von dessen Eigentümer Gerhard Frey, dem langjährigen Vorsitzenden der Deutschen Volksunion, DVU) herausgegeben. aufgewiegelte Hilfsarbeiter und Neonazi Josef BachmannJosef Erwin Bachmann (* 12.10.1944, † 24.02.1970) war ein deutscher rechtsextremistischer Attentäter. Er schoss am 11. April 1968 in West-Berlin auf Rudi Dutschke, eine Leitfigur der studentischen Protestbewegung. Dutschke überlebte schwerstverletzt und mit bleibenden Behinderungen. Bachmann beging später im Gefängnis Suizid. Er hatte lange Zeit als durch rechtsextremes Gedankengut motivierter Einzeltäter gegolten, bis 2009 Verbindungen in die rechtsextreme politische Szene bekannt wurden. Klick für Wikipedia einen Anschlag auf Rudi DutschkeAlfred Willi Rudi Dutschke, Rufname Rudi (* 7.3.1940 - † 24.12.1979), war ein deutscher marxistischer Soziologe und politischer Aktivist. Er gilt als Wortführer der Studentenbewegung der 1960er Jahre in West-Berlin und in Westdeutschland.Klick für Wikipedia Und im Juni darauf drückte die Große KoalitionIm Jargon der '68 Große Kloalition
genannt mit ihrer Zweidrittelmehrheit die NotstandsgesetzeAufruf zur Demo gegen die Notstandsgesetze durch.
Im Wintersemester 1968/69 wurde ein Kurs Einführung in das Programmieren
angeboten. Es ging um die Programmiersprache FORTRAN IVDer Name der Programmiersprache entstand aus FORmula TRANslation und wurde bis zur Version FORTRAN 77 mit Großbuchstaben geschrieben.. Ich war neugierig, belegte den Kurs. Als Übung programmierte ich das StreichholzspielLesen Sie auch:Von der Lochkarte zum Smartphone –
.Klick und Spielen:
die Entwicklung der InformationstechnikWer das letzte Streichholz nehmen muss, hat verloren
. Das hatten wir in der Schulzeit gern gespielt und ich wusste daher, dass es einige für den Gegner tödliche
Stellungen gab, die mich zum sicheren Sieg führen würden. Dieses Wissen setzte ich so um, dass immer der Computer gewann. – Ich kann mich nicht daran erinnern, in welchem Fachbereich der Kurs angeboten wurde, denn Informatik gab es damals noch nicht. Aber das interessierte mich mehr als VWL. Doch ein erneuter Wechsel des Studienfaches kam nicht infrage.
Wie es weiterging? Lesen Sie auch Studium in Marburg 1969 - 1970, oder: Mein erstes Auto, ein R4.