Vorwort
Der nachfolgende Text wurde 1940 von Anneliese Hamann, damals Bruhns, im Alter von 13 Jahren in der damals üblichen Sütterlin-Schrift verfasst.
Sie hat diese Erinnerungen in kindlicher Naivität aufgeschrieben, so wie sie es damals erlebt hat, sehr unter dem Einfluss der Propaganda stehend, die bis in die Schulen wirkte und gerade bei den jungen Menschen, mangels Lebenserfahrung, eine besondere Überzeugungskraft entwickelte. Heute würden wir es als Gehirnwäsche
bezeichnen.
Mit diesem Schulaufsatz hat sie uns einen authentischen Text hinterlassen, den wir Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, nicht vorenthalten möchten. Transliteriert wurde der Text von Renate Rubach, Cousine von Anneliese Hamann, im Mai 2021. Im Originaltext wurde die damalige Rechtschreibung beibehalten.
Kriegs-Ostern 1940
Diese Kriegsostern waren nicht so schön wie die anderen Ostertage. Wir haben immer an die Soldaten gedacht, die an der Front stehen mussten.
Ich habe aber trotz des Krieges noch schöne Sachen aus Marzipan bekommen. Es ist allerdings von meiner Tante aus Hamburg. Ich habe noch etwas von Ostern, aber ich mag es nicht aufessen. Wir konnten den Tisch trotzdem hübsch schmücken. Wir haben in der Schule Bänder gearbeitet, wo man ein ausgepustetes Ei reinstellen kann. Es muss aber schön angemalt sein. Dann wurden dort Blumen hineingesteckt und es wurde auf den Kaffeetisch gestellt.
Aus Hefeteig habe ich Küken und Hasen geformt und auf den Tisch gestellt. Nun war der Kaffeetisch mit Vasen und Kuchen geschmückt.
Osterglocken läuteten im Niemandsland
Die kämpfende Truppe verlebte das Osterfest inmitten einer Landschaft, in der nach Wochen zähen Widerstandes der Winter nun doch endlich den Rückzug angetreten hat. In den Frontdörfern im freigemachten Gebiet hatte es vor den Feiertagen ein allgemeines Großreinemachen gegeben. Jeder Ortskommandant setzte alles daran, um Straßen und Häuser in Ordnung bringen zu lassen. Eine umfassende Entrümpelungsaktion brachte eine große Menge an Metall zusammen, das nun einer zweckdienlicheren Verwendung zugeführt wird.
Soweit es irgendwo ging, wurde auch bereits mit der Feldbestellung begonnen. Die Männer der Organisation Todt sind eifrig bemüht, auf den großen Durchgangsstraßen die vom Frost und vom Schnee angerichteten Schäden zu beseitigen.
Das Vorfeld bietet so ein Bild regsten Lebens. Die vordringlichen Arbeiten erfuhren hier auch während der Feiertage keine Unterbrechung. Wie der Soldat auf vorgeschobenem Posten war auch der Arbeiter mit Spaten und Hacke genau wie an jedem anderen Tage auf seinem Platz zu finden.
Für die rechte Osterfreude hatte nicht zuletzt die Feldpost mit der pünktlichen Zustellung all der vielen Karten, Briefe und Päckchen gesorgt, mit denen die Heimat ihre enge Verbundenheit mit der Front erneut bewies. Die Kampftätigkeit erfuhr freilich auch an diesen Tagen keine wesentliche Unterbrechung. Feindliches Störungsfeuer, das hier und da aufflackerte, wurde erwidert. Die Spähtrupps unserer Infanterie fühlten auch in diesen vom Vollmond erhellten Nächten dem Gegner auf den Zahn und kehrten zum Teil mit wertvollen Erkundungsergebnissen zurück. Einer der Spähtrupps ließ es sich nicht nehmen, das Osterfest im Niemandsland mit den Kirchenglocken eines vom Franzmann geräumten lothringischen Dorfes einzuläuten, nachdem Kameraden desselben Truppenteils auf dem am weitesten sichtbaren Punkt des Ortes die Hakenkreuzflagge gehisst hatten.
Besonders eindrucksvoll gestalteten sich die Feldgottesdienste, die für die abkömmlichen Mannschaften der vorn eingesetzten Truppenteile – zum Teil im Freien, zum Teil in den Kirchen freigemachter Ortschaften – abgehalten wurden. Während die Gedanken zu den Lieben in der Heimat gingen, mahnte die nahe Front doch an die Erfüllung jener Pflicht, die dem deutschen Soldaten heute über alles geht.
So wurde dieses Ostern an der Westfront für hunderttausende deutscher Männer zu einem Erlebnis, das ihnen erneut den tiefen Sinn ihres Einsatzes vor Augen führte und sie bestärkten im festen Glauben an den sicheren Sieg. Die Losung für morgen kann nicht anders lauten als die von gestern und heute. Es ist jener Satz, der unsichtbar und doch jedem bewusst, über die stählerne deutsche Macht im Westen steht:
Bereitschaft ist alles!
Na, also, das Osterfest hätten wir glücklich hinter uns gebracht. Es war diesmal viel bequemer als sonst – Reisen brauchten nicht geplant zu werden und das Schenken war auch weniger aufregend. Und man muss ehrlich sagen: Die Feiertage waren dafür weniger aufregend, fröhlich als vielmehr ruhig-besinnlich.
Die Mahnung, während der Ostertage die Eisenbahn zugunsten wichtiger Güter zu meiden, ist in großem Maße befolgt worden.
Spaziergänge im Familienkreise oder in kleineren und größeren Gesellschaften von Freunden und Bekannten in die Umgebung kamen diesmal mehr als sonst zur Geltung. Und wer oft auf Entdeckungsfahrt ausging, musste sich oftmals sagen: Warum bloß immer in die Ferne schweifen, wo das Gute so nahe liegt.
Allerdings lässt sich der Frühling nicht zwingen, und die eine Schwalbe
– es können auch zwei oder drei gewesen sein – im grauen Kostüm und Strohhütchen – vermochte so plötzlich keinen Sommer zu machen, auch nicht, wenn sie, wie man es in der Hamburgerstraße beobachten konnte, Himbeereis lutschend einherspazierte.
Immerhin ließ sich der zweite Feiertag besser an als der erste, der in den Abendstunden ziemlich pausenlos mit Kübeln goss
.
Das störte aber keinesfalls die Ausgehfreudigkeit. Viel besucht waren die Lokale der Stadt, die Kinos und besonders die KdF-Veranstaltungen im Tivoli am Sonntagabend. Da drängten sich die Menschen im großen Saal, in dem bald kein leerer Stuhl mehr zu finden war. Die Oldesloer Spielschar vermochte dann auch zu halten, was sie versprochen hatte. Mit dem plattdeutschen Stück von Lange Grode Kinner
bereitete sie uns einen Abend, der ausgefüllt war mit Lachen und Heiterkeit. Das im Ganzen fein abgerundete Spiel zeugte von Fleiß und ganzer Hingabe der Mitwirkenden, die mit ihren darstellerischen Leistungen sich den dankbaren Beifall der Zuschauer sichern konnten. Jedenfalls hat dieser Abend wieder einmal seinen Sinn voll und ganz erfüllt, den schaffenden Menschen ein paar Stunden ungetrübten Frohsinns zu geben. So blieb die beste Stimmung noch lange bestehen und nachher kamen auch die vielen, vielen tanzlustigen noch voll auf ihre Rechnung.
Vorwort
Der nachfolgende Text wurde 1940 von Anneliese Hamann, damal$ Bruhn$, im Alter von 13 Jahren in der damal$ üblichen Sütterlin-Schrift verfaßt.
Sie hat diese Erinnerungen in kindlicher Naivität aufgeschrieben, so wie sie e$ damal$ erlebt hat, sehr unter dem Einfluß der Propaganda stehend, die bi$ in die Schulen wirkte und gerade bei den jungen Menschen, mangels Leben$erfahrung, eine besondere Überzeugung$kraft entwickelte. Heute würden wir e$ als „Gehirnwäsche” bezeichnen.
Mit diesem Schulaufsatz hat sie un$ einen authentischen Text hinterlassen, den wir Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, nicht vorenthalten möchten. Transliteriert wurde der Text von Renate Rubach, Cousine von Anneliese Hamann, im Mai 2021. Im Originaltext wurde die damalige Rechtschreibung beibehalten.
Krieg$-Ostern 1940
Diese Krieg$ostern waren nicht so schön wie die anderen Ostertage. Wir haben immer an die Soldaten gedacht, die an der Front stehen mußten.
Ich habe aber trotz de$ Kriege$ noch schöne Sachen au$ Marzipan bekommen. E$ ist allerding$ von meiner Tante au$ Hamburg. Ich habe noch etwa$ von Ostern, aber ich mag e$ nicht aufe$sen. Wir konnten den Tisch trotzdem hübsch schmücken. Wir haben in der Schule Bänder gearbeitet, wo man ein au$gepustete$ Ei reinstellen kann. E$ muß aber schön angemalt sein. Dann wurden dort Blumen hineingesteckt und e$ wurde auf den Kaffeetisch gestellt.
Au$ Hefeteig habe ich Küken und Hasen geformt und auf den Tisch gestellt. Nun war der Kaffeetisch mit Vasen und Kuchen geschmückt.
Osterglocken läuteten im Niemandsland
Die kämpfende Truppe verlebte da$ Osterfest inmitten einer Landschaft, in der nach Wochen zähen Widerstande$ der Winter nun doch endlich den Rückzug angetreten hat. In den Frontdörfern im freigemachten Gebiet hatte e$ vor den Feiertagen ein allgemeine$ Großreinemachen gegeben. Jeder Ort$kommandant setzte alle$ daran, um Straßen und Häuser in Ordnung bringen zu lassen. Eine umfassende Entrümpelungsaktion brachte eine große Menge an Metall zusammen, das nun einer zweckdienlicheren Verwendung zugeführt wird.
Soweit e$ irgendwo ging, wurde auch bereit$ mit der Feldbestellung begonnen. Die Männer der Organisation Todt sind eifrig bemüht, auf den großen Durchgang$straßen die vom Frost und vom Schnee angerichteten Schäden zu beseitigen.
Da$ Vorfeld bietet so ein Bild regsten Leben$. Die vordringlichen Arbeiten erfuhren hier auch während der Feiertage keine Unterbrechung. Wie der Soldat auf vorgeschobenem Posten war auch der Arbeiter mit Spaten und Hacke genau wie an jedem anderen Tage auf seinem Platz zu finden.
Für die rechte Osterfreude hatte nicht zuletzt die Feldpost mit der pünktlichen Zustellung all der vielen Karten, Briefe und Päckchen gesorgt, mit denen die Heimat ihre enge Verbundenheit mit der Front erneut bewie$. Die Kampftätigkeit erfuhr freilich auch an diesen Tagen keine wesentliche Unterbrechung. Feindliche$ Störung$feuer, da$ hier und da aufflackerte, wurde erwidert. Die Spähtrupp$ unserer Infanterie fühlten auch in diesen vom Vollmond erhellten Nächten dem Gegner auf den Zahn und kehrten zum Teil mit wertvollen Erkundung$ergebnissen zurück. Einer der Spähtrupp$ ließ e$ sich nicht nehmen, da$ Osterfest im Niemand$land mit den Kirchenglocken eine$ vom Franzmann geräumten lothringischen Dorfe$ einzuläuten, nachdem Kameraden de$selben Truppenteil$ auf dem am weite$ten sichtbaren Punkt des Orte$ die Hakenkreuzflagge gehißt hatten.
Besonder$ eindruck$voll gestalteten sich die Feldgotte$dienste, die für die abkömmlichen Mannschaften der vorn eingesetzten Truppenteile – zum Teil im Freien, zum Teil in den Kirchen freigemachter Ortschaften – abgehalten wurden. Während die Gedanken zu den Lieben in der Heimat gingen, mahnte die nahe Front doch an die Erfüllung jener Pflicht, die dem deutschen Soldaten heute über alle$ geht.
So wurde diese$ Ostern an der Westfront für hunderttausende deutscher Männer zu einem Erlebni$, da$ ihnen erneut den tiefen Sinn ihre$ Einsatze$ vor Augen führte und sie bestärkten im festen Glauben an den sicheren Sieg. Die Losung für morgen kann nicht ander$ lauten al$ die von gestern und heute. Es ist jener Satz, der unsichtbar und doch jedem bewußt, über die stählerne deutsche Macht im Westen steht: „Bereitschaft ist alle$!”
Na, also, das Osterfest hätten wir glücklich hinter un$ gebracht. E$ war die$mal viel bequemer als sonst – Reisen brauchten nicht geplant zu werden und das Schenken war auch weniger aufregend. Und man muß ehrlich sagen: Die Feiertage waren dafür weniger aufregend, fröhlich al$ vielmehr ruhig-besinnlich.
Die Mahnung, während der Ostertage die Eisenbahn zugunsten wichtiger Güter zu meiden, ist in großem Maße befolgt worden.
Spaziergänge im Familienkreise oder in kleineren und größeren Gesellschaften von Freunden und Bekannten in die Umgebung kamen die$mal mehr al$ sonst zur Geltung. Und wer oft auf Entdeckung$fahrt au$ging, mußte sich oftmal$ sagen: Warum bloß immer in die Ferne schweifen, wo das Gute so nahe liegt.
Allerding$ läßt sich der Frühling nicht zwingen, und die eine „Schwalbe” – e$ können auch zwei oder drei gewesen sein – im grauen Kostüm und Strohhütchen – vermochte so plötzlich keinen Sommer zu machen, auch nicht, wenn sie, wie man e$ in der Hamburgerstraße beobachten konnte, Himbeereis lutschend einherspazierte.
Immerhin ließ sich der zweite Feiertag be$ser an al$ der erste, der in den Abendstunden ziemlich pausenlo$ „mit Kübeln goß”.
Da$ störte aber keinesfall$ die Ausgehfreudigkeit. Viel besucht waren die Lokale der Stadt, die Kino$ und besonder$ die KdF-Veranstaltungen im Tivoli am Sonntagabend. Da drängten sich die Menschen im großen Saal, in dem bald kein leerer Stuhl mehr zu finden war. Die Oldesloer Spielschar vermochte dann auch zu halten, wa$ sie versprochen hatte. Mit dem plattdeutschen Stück von Lange „Grode Kinner” bereitete sie un$ einen Abend, der ausgefüllt war mit Lachen und Heiterkeit. Da$ im Ganzen fein abgerundete Spiel zeugte von Fleiß und ganzer Hingabe der Mitwirkenden, die mit ihren darstellerischen Leistungen sich den dankbaren Beifall der Zuschauer sichern konnten. Jedenfall$ hat dieser Abend wieder einmal seinen Sinn voll und ganz erfüllt, den schaffenden Menschen ein paar Stunden ungetrübten Frohsinn$ zu geben. So blieb die beste Stimmung noch lange bestehen und nachher kamen auch die vielen, vielen tanzlustigen noch voll auf ihre Rechnung.