Besuch bei Oma und Opa auf St.Pauli
In den 1950er Jahren wohnten wir in Hamburg-Langenhorn. Autos auf der Tangstedter Landstraße waren eine Seltenheit. Linienbusse fuhren nicht so oft wie heute.
Ein privater Busunternehmer fuhr Mittwoch, Samstag und Sonntag zum Heidberg-Krankenhaus zur Besuchszeit.
An einem Sonntag wurde ich wieder einmal in beste Kleidung gesteckt. Dann wusste ich, es geht wo hin.
Meine Eltern gingen mit mir zu Fuß zum U-Bahnhof Langenhorn-Nord. Laufen musste man ungefähr 15 Minuten. Mit der U-Bahn fuhren wir stadteinwärts Richtung Kellinghusenstraße.
An der U-Bahn Kellinghusenstraße stiegen wir um in die andere U-Bahn, Richtung St. Pauli.
Die Linie nannte sich Barmbek-Ring und fuhr über Eppendorfer-Baum, Hoheluftbrücke, Schlump, Sternschanze, Feldstraße, und St. Pauli hielt die U-Bahn an.
Hier stiegen wir aus und wurden von meinem Opa an der Sperre erwartet. Der nahm uns drei mit Freuden in die Arme. Ein Kassenschalter war immer am Bahnsteig und er war mit Personal der Hamburger-Hochbahn besetzt. Darum musste mein Opa an der Sperre warten.
Die Treppen am Ausgang des Bahnsteigs nach oben hatten Werbe-Emailleschilder. Sie waren senkrecht an der Treppe angebracht. Ich glaube, dass Alsterhaus wurde angepriesen. Denn zu der Zeit konnte ich leider noch nicht lesen. Die Schilder klapperten so schön, wenn man dran klopfte. Oben angekommen, konnte man den Michel sehen, gegenüber das Bismarck-Denkmal und rechts das Operettenhaus. Um drei Straßenecken weiter waren wir in der Rendsburger Straße angelangt. Vor dem Haus links war ein Torweg. Das Mietshaus hatte drei oder vier Stockwerke. Oma und Opa wohnten ganz oben rechts. Ein Zimmer mit Küchenbenutzung. Es wohnten noch die Vermieterin (Frau Richter) und eine Frau Herbst in der Wohnung mit je einem Zimmer. Meine Oma freute sich schon auf den Besuch von uns. Mittags gab es selbst gemachte Semmelklöße oder Kartoffelklöße mit Braten und Gemüse. Zum Nachtisch Vanille-Pudding (selbst gemacht) mit Erdbeeren. Bei den Erdbeeren handelte es sich um eingemachte Erdbeeren im Einweckglas. Kühlschrank und Kühltruhe waren Luxus. Opa hatte immer etwas Süßes für mich im Küchenschrank platziert.
Nach dem Essen machten wir einen Spaziergang. Links aus dem Treppenhaus heraus gingen wir zum Hafen, an die Landungsbrücken. Treppenhaus rechts raus ging es auf den Dom.
Jeder Spaziergang war immer was Neues. An den Landungsbrücken die vielen grün-weißen Schiffe der HADAG. Es gab noch ein oder zwei Schiffe an den Landungsbrücken, die hatten einen tollen Schornstein. Am Schornstein waren zwei gekreuzte Schlüssel abgebildet. Mein Opa erklärte mir, diese Schiffe fahren ins Alte Land nach Lühe.
Opa zeigte mir, dort drüben links ist die Stülcken-Werft. Gegenüber ist Blohm und Voss, dort arbeite ich
, sagte er. Weiter rechts ist die Schlieker-Werft. Die Schlieker-Werft gab es bis 1962 und die Stülcken-Werft bis 1966.
In der warmen Jahreszeit gab es immer ein kleines Eis, lose natürlich oder eine Sahnetüte. Die Sahnetüte bestand aus einer Eiswaffeltüte mit Sahne gefüllt.
Viele Straßenbahnen konnte man an den Landungsbrücken sehen. Sie fuhren Richtung Altona, Innenstadt und Eimsbüttel. Es kamen viele Straßenbahnen von links und rechts angefahren.
Am Alten Elbtunnel war viel los und man konnte mit den Aufzügen von oben nach unten fahren. Unten war es schön kühl vor allem im Sommer. Es war immer sehr laut im Tunnel. Der Rückweg war meistens ein anderer als der Hinweg.
Wenn Domzeit war, im Frühjahr, Sommer und im Winter ging es auf den Dom. Ein fünf Minuten Fußmarsch und wir waren auf dem Dom. Ohne eine Fahrt mit dem Kinderkarussell ging ich nie nach Hause. Meistens erlaubten Oma und Opa mir noch eine Extrafahrt. Am Ende des Dombesuches wurden Lose an der Losbude gekauft, das Los für zehn Pfennige das Stück.
Einmal gewann ich einen großen Teddybären, ich war stolz wie Oskar, den mit nach Hause nehmen zu dürfen.
Bei Oma und Opa wurde dann Kaffee getrunken. Ich bekam meine Milch und Mohnkuchen, den meine Oma am Vortage selber gebacken hatte. Von dem Mohnkuchen träume ich heute noch. Beide waren tolle Köche und stammten aus dem Sudetenland.
Dann brachten beide meine Eltern und mich an die U-Bahn Station St. Pauli.
Mit der U-Bahn zu fahren, war immer etwas Interessantes. Mein Vater versuchte immer, im ersten Wagen einen besonderen Platz zu erhaschen. Der Platz war neben dem Fahrer und mit einem Klappsitz versehen. Hier hatte man eine tolle Sicht auf die Gleise. Dieser Platz war immer von Kindern sehr begehrt und besetzt.
Einmal umsteigen – Kellinghusenstraße und einmal aussteigen Langenhorn-Nord und 15 Minuten Fußweg und wir waren wieder zu Hause.
Schade! Ich wäre gerne länger geblieben!