Probefahrt über den La Plata Fluss
Der breite La Plata Fluss ist zugleich auch Grenze zwischen Argentinien und Uruguay. Dabei sind die Hauptstädte beider Nationen, Buenos Aires und Montevideo, die an diesem Fluss liegen, durch regen Schiffsverkehr verbunden. Die Entfernung zwischen beiden Metropolen beträgt etwa 200 km, weshalb heutzutage viele die schnelleren Fluglinien benutzen. In den 1960er Jahren allerdings bevorzugten die meisten Passagiere die Fähren verschiedener Größe über den löwenbraunen
Fluss.
Damals hatte die staatliche Fluss-Flotte Argentiniens (Flota Fluvial) einen großen Anteil an diesem Verkehr. 1966 ließ diese Gesellschaft auf der spanischen Werft in Matagorda bei Cadiz einen 130m langen Kreuzfahrer unter den Namen 33 Orientales
bauen. Obwohl das Schiff hauptsächlich für den Verkehr über den Rio de la Plata bestimmt war, war bei seinem Entwurf und dem Bau eine gewisse Seetüchtigkeit berücksichtigt worden. So gedachte man, es auch zu Fahrten an der Südamerikanischen Atlantik-Küste einzusetzen.
Zunächst pendelte dieser moderne Fluss-Kreuzer auf der traditionellen Route Buenos Aires-Montevideo. Später versuchte Flota Fluvial die Fahrten zu verlängern und zusätzlich den an der Atlantik-Küste Uruguays gelegenen Badeort Punta del Esteder Name Punta del Este
ist seit 1939 für Uruguayer und Argentinier ein Begriff, der an die gleichnamige Seeschlacht erinnert an der das deutsche Panzerschiff Admiral Graf Spee
teilgenommen hat. (Siehe Erinnerung Internierung in Argentinien
)* zu bedienen.
Als Herausgeber einer der in Lateinamerika führenden Fachzeitschriften hatte ich das Privileg, an der entsprechenden Probefahrt auf der 33 Orientales
teilzunehmen. Kaum an Bord angelangt, wurde ich von meinem ehemaligen Studienkameraden Federico Preusche begrüßt. Er war zur der Zeit Präsident der Flota Fluvial!
Die abendlichen Fluss-Überquerungen waren damals bei den wohlhabenderen Bewohnern der argentinischen Hauptstadt sehr beliebt. Man ging an Bord, um vor der Abfahrt noch einen Drink an Deck genießen zu können und dann im geräumigen Speisesaal zu Abend zu dinieren. Vielleicht wurde anschließend auch noch Tango getanzt, bevor man die klimatisierte Kabine aufsuchte. Das Schiff hatte eine Kapazität für etwa 500 Passagiere, jedoch befanden sich auf dieser Probefahrt, außer der 180 Mann starken Besatzung, nur geladene Gäste an Bord. Unter ihnen Staatssekretäre, Beamte und Experten aus dem maritimen Bereich.
Kurz nach dem Frühstück am folgenden Morgen fuhren wir jedoch an Montevideo vorbei, um einige Stunden später vor Punta del Este vor Anker zu gehen. Dort gibt es kaum Anleger an denen fest gemacht werden könnte. Es sollte versucht werden, die Passagiere über Beiboote an Land zu bringen. Leider waren die Wetterbedingungen an diesem Tag eher ungünstig, um ein solches Manöver zu wagen, und wir kehrten kurzerhand nach Buenos Aires zurück. Dies überzeugte die Behörden, von der geplanten Fahrterweiterung vorerst abzusehen. Man könnte sie ja schließlich nicht ständig vom Wetter abhängig machen.
So blieb die 33 Orientales
letztlich in der traditionellen Fahrt zwischen den beiden südamerikanischen Hauptstädten, bis einige Jahre später die Passagierbeförderung auf den Flüssen Argentiniens ihre wirtschaftliche Bedeutung verlor. Hierzu kamen staatliche Misswirtschaft und hohe Personalkosten sowie auch unmäßige Gewerkschaftsforderungen. Das alles führte dazu, dass die sonst so begehrten Passagierschiffe länger in den Häfen lagen, als dass sie den Fluss befuhren.
Der luxuriösen 33 Orientales
ging es auch nicht besser. Lange Zeit lag sie untätig an den Leinen, bis im März 1976 plötzlich ganz unerwartete Passagiere
an Bord kamen. Es war, als die Regierung der Witwe Perons von Militärs gestürzt und das Parlament aufgelöst wurde.
Viele Politiker und Gewerkschaftsvertreter des alten Regimes wurden inhaftiert. Wegen des Platzmangels in den vorhandenen Vollzugsanstalten und Kasernen, wurden einige Häftlinge auf die im Hafen von Buenos Aires liegenden Schiffen verbracht. Zu diesen zählte auch der Fluss-Kreuzfahrer 33 Orientales
Bei den Inhaftierten auf diesem Schiff handelte sich um 35 ehemalige Mitglieder der peronistischen Regierung, unter ihnen der damalige Gouverneur der Provinz La Rioja und spätere Präsident Argentiniens, Carlos Saúl Menem. Die Häftlinge wurden zu zweit in den Kabinen untergebracht und blieben von der Außenwelt abgeschlossen, die Bullaugen und Fenster waren mit Blechen blind gesetzt worden.
Nach monatelanger Haft wurden die Gefangenen entlassen, und das Schiff geriet im Hafen von Buenos Aires in Vergessenheit. 1980 kaufte es dann ein Grieche, um es in Europa umbauen zu lassen. Seitdem fährt dieses Schiff unter verschiedenen Namen betuchte Touristen aus aller Welt durch die ägäische Inselwelt. Kaum einem von denen wird es in seinen Träumen eingefallen sein, wer alles schon die Deckplanken dieses Luxus-Kreuzfahrers betreten hat.
Inklusive ICH!
* der Name Punta del Este
ist seit 1939 für Uruguayer und Argentinier ein Begriff, der an die gleichnamige Seeschlacht erinnert an der das deutsche Panzerschiff Admiral Graf Spee
teilgenommen hat. (Siehe Erinnerung Internierung in Argentinien
)