Eine hektische Flugreise
1972 war ich wieder mal mit meinem Freund Oscar P. (Inhaber einer größeren Bootswerft und Vertreter für die Mercury Außenbordmotoren) auf einer Geschäftsreise in den USA. Wir befanden uns in Tampa, Florida und Oscar telefonierte von unserem Hotel aus mit einem Vice-President der Chrysler Corp, in Chicago. Kaum hatte er den Hörer aufgelegt, sagte er mir; Schnell, wir haben noch für heute Nachmittag einen Termin in Chicago
. Ich rief sofort die Fluglinie an und fragte, wann die nächste Maschine nach Chicago ginge. Die Antwort war, dass, wenn wir es in einer Stunde zum Flughafen schafften, wir den nächsten Flug nehmen könnten. Ich bestätigte die zwei Tickets und wir machten uns auf den Weg.
Ich hatte aber die Zeit unterschätzt. Das Kofferpacken, das Aus-checken vom Hotel und die Taxifahrt im Großstadtverkehr nahmen mehr Zeit in Anspruch, als ich dachte. Am Flughafen angekommen, rasten wir im Laufschritt dem Abfertigungs-Schalter entgegen und riefen der Stewardess zu: Wir haben den Flug nach Chicago gebucht
. Sie antwortete prompt, dass die Maschine schon startbereit sei, aber es keine Zeit mehr gäbe, um die Tickets auszustellen. Fügte aber ganz unbürokratisch dazu, wir sollten schnell das Flugzeug besteigen, bezahlen könnten wir bei derAnkunft am Zielort. Außer Atem erreichten wir die Maschine, das Bordpersonal war schon dabei, die Türen zu schließen.
Wir setzten uns erleichtert auf unsere Sitze und warteten auf den Abflug. Inzwischen hörten wir eine Durchsage des Kapitäns, der uns herzlich an Bord willkommen hieß und uns die modernen Einrichtungen des Flugzeugs erläuterte. Es wäre nämlich eine Maschine mit neuen Komfort-Einrichtungen: An unseren Armliegen befanden sich etliche Knöpfe, mit denen man die Beleuchtung, Luftzufuhr und - das allerneueste - die Anpassung der Rücklehne an unseren Körper steuern konnte.
Wir probierten alles aus und waren begeistert über die neue Technik.
Inzwischen standen wir aber noch immer auf unserem Ausgangspunkt. Dann kam wieder eine Durchsage: der Kapitän bedauerte, uns mitteilen zu müssen, dass auf Grund eines Antriebsdefekts die Maschine nicht starten könne. Wir wurden aufgefordert in ein anderes Flugzeug umzusteigen. Zwar war dieses noch vom älteren
Typ, also ohne die modernsten Einrichtungen, aber wir hätten nicht länger auf eine Reparatur warten müssen. Zum Glück waren wir nur wenige Passagiere an Bord und, da es sich um einen Binnenflug handelte, war auch wenig Gepäck zu verladen. Also befanden wir uns bald in der Luft mit Kurs nach Chicago.
Zwar mussten wir die Luftzufuhr und die Lesebeleuchtung, wie üblich, mit ausgestrecktem Arm unter dem Gepäckregal betätigen, aber der Flug verlief ganz normal. Unter den wenigen Passagieren befand sich eine ältere Dame, mit der ich ins Gespräch kam. Sie erzählte mir, dass sie jede Woche einmal nach Chicago fliege, um ihre Tochter zu besuchen. Die Zeit im Flugzeug verbrachte sie dann beim Stricken von Jäckchen für ihre kleine Enkelin.
Kaum waren wir auf dem Ziel-Flughafen gelandet, wurden mein Freund und ich schon über die Lautsprecher aufgefordert, uns an einem der Schalter zu melden, um den Flugpreis zu begleichen.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ich amüsierte mich darüber, wie in Amerika mein Name ausgesprochen wurde. Es klang etwa wie Mr. Päthaaf
. Den italienischen Nachnamen meines Freundes konnten sie dagegen nur zungenbrecherisch
über die Lippen bringen. Das brachte sein lateinisches Gemüt natürlich in Rage.
Wir erledigten die Angelegenheit mit den Tickets so schnell wie möglich und nahmen ein Taxi zum Chrysler Building. Dort angekommen, fragten wir an der Information, in welchem Stock wir den Vice-Presidenten finden könnten. Die Empfangsdame sah uns erstaunt an, äugte auf unsere Koffer und sagte ganz höflich: Aber zudieser Stunde werden Sie im Gebäude niemand mehr antreffen, es ist ja schon 5 pm
. (In den USA ist es üblich, eine Bürozeit von 9 Uhr morgens bis 5 Uhr abends einzuhalten). Wir antworteten ihr gelassen, dass wir uns telefonisch angemeldet hätten und der Herr uns bestimmt erwarten würde.
Also fuhren wir mit dem Fahrstuhl hinauf und suchten die Gänge entlang bis zu den Räumlichkeiten des Vice-Presidenten. Die einzige, die wir antrafen, war eine Putzfrau, die ihren Staubsauger betätigte …
Es blieb uns nichts anderes übrig, als ein Hotel aufzusuchen und es am nächsten Tag nochmal zu versuchen. Oscar spülte seine Verdrossenheit mit einem Whisky herunter. Die Verspätungen, dass niemand seinen Namen aussprechen konnte und schließlich dieser Korb
… Das war alles zu viel für sein Temperament!
Am nächsten Morgen, als wir endlich unseren Gesprächspartner im Chrysler Gebäude antrafen, empfing dieser uns ganz kühl mit den Worten: Ich hatte Sie ja eigentlich gestern erwartet
.
Ich musste Oscar an seinem Ärmel zupfen, um ihn zu beruhigen …
Nach der Besprechung konnten wir endlich weiterreisen zu unserem Endziel, die Kiekhaefer Corporation in Fond du Lac, Wisconsin, Hersteller der Mercury Außenbord Motoren. Hier verlief alles wie geplant und wir traten daraufhin unseren Rückflug nach Argentinien an.
Einige Wochen später – ich hatte diese Ereignisse schon fast vergessen - bekam ich in meiner Wohnung in Buenos Aires einen Brief der American Airlines, mit folgendem Text:
AmericanAirlines
den 9. Mai 1972
Sehr geehrter Herr Potthoff:
Es ist weder für unsere Passagiere noch für uns eine schöne Angelegenheit, wenn ein Flugplan unterbrochen wird. Es tut mir Leid, dass es Ihnen geschehen ist und bitte Sie aufrichtig um Entschuldigung für die entstandene Planänderung.
Ich versichere Ihnen, dass in Zukunft wir das Beste hergeben werden, damit Sie einen besseren Service bekommen als den am 22. April dieses Jahres.
Mit freundlichen Grüßen
V. PaulMcCauley
Manager Kundendienst
Offensichtlich war damals der Fluggast noch König!