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Zweiter Weltkrieg, 1939 bis 1945

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Zweiter Weltkrieg, Flucht und Vertreibung, 1939 bis 1945
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… und ich war Augenzeuge

Es war Krieg, aber der war weit weg. Was kümmert das einen kleinen Jungen. Jedenfalls nicht allzu sehr – der kümmert sich mehr um sein Spielzeug, streunt hier und da herum, geht zur Oma, wenn ein Zahn wackelt, weil Oma der einzige Mensch ist, der wackelige Zähne ziehen kann. Und – wenn es sich trifft – setzt er sich bei Oma zwischen die versammelte Mannschaft, wenn die Töchter und Schwiegertöchter bei ihr die Konfektionskleider ausfertigen, und fädelt dort Nadeln ein (meist waren aber die Fäden viel zu lang und einen Knoten konnte ich auch noch nicht machen).

Trotzdem spürten wir den Krieg, weil die Sirenen auch nachts heulten und wir manchmal angezogen schlafen mussten, um schneller vom vierten Stock in den Luftschutzkeller zu kommen.

Das ging schon Ende 1939 los, als wir noch in der Weserstraße wohnten. Aber es war wohl bloß ein Probealarm, als wir das erste Mal in den Luftschutzkeller mussten. Günther Gohlke war damals schon ein großer Junge. Er setzte sich zu uns und brachte uns das Abnehmen bei. Das ist ein Spiel mit einer einfachen, zusammengeknoteten Schnur, bei dem man komplizierte Figuren zusammenfingeren kann, bis einer die Krone fertigt bringt – das dauert ein Weilchen. Oder wir falteten aus alten Zeitungen Schiffchen oder Dreieckshüte. Und als wir nach der Entwarnung wieder in die Kühle der Nacht hinaus durften, schwirrten Wortfetzen herum, in denen über Polen oder gar die Pollaken geschimpft wurde und … na die soll'n mal kommen, wir lassen uns nicht unterkriegen!

Irgendwann später wanderten wir mit einer riesigen Menschenmenge Richtung Kottbusser Tor, wo das erste Haus durch Fliegerbomben zerstört wurde und starrten fassungslos auf die hohle Fassade, hinter der noch gestern Menschen gewohnt hatten.

Die Weserstraße war die einzige Straße weit und breit, die geteert war, alle anderen Straßen hatten Pflastersteine. Auf dem Damm ließ sich prächtig mit Kreide malen und Hopse spielen oder Ringelreih'n oder trieseln. Manchmal kamen Autos, aber wir sind nie weggesprungen, schließlich störten die uns beim Spielen und nicht wir sie beim Fahren! Die Straßenbahn fuhr durch die Pannierstraße, wenn sie kam, rannten wir dann meist zur Ecke, um zuzusehen, wie sie vorbeifuhr. Straßenbahnen hatten damals absolute Vorfahrt. Über die Kreuzung Weserstraße fuhr sie noch unvermindert schnell und bremste erst kurz danach, weil an der nächsten Ecke eine Haltestelle war. Die Linie 12 fuhr meist solo und bald war das für uns nicht mehr interessant. Wenn sie jedoch einen Anhänger hatte, dann meldeten das die Kinder, die an der Ecke spielten. Manchmal hatte sie sogar zwei Anhänger. Das war dann die Sensation, der wir lange nachstarrten.

Einige Kinder hatten kleine Spielzeugsoldaten aus Linol mit Waffen im Anschlag und so; und einer hatte auch einen Panzer aus Blech, der beim Fahren Funken spuckte, weil irgendwo innen ein Feuerstein gerieben wurde. Ein anderer hatte sogar Adolf Hitler als Linolfigur mit einem beweglichen Arm, den er zum Gruß heben konnte. Echte Soldaten sahen wir nur selten und dann in Ausgehuniform und natürlich ohne Stahlhelm.

Einmal mussten wir doch verschreckt vom Fahrdamm springen, weil ein Kradmelder, das war ein schweres Motorrad mit Beiwagen, vom Reuterplatz in Richtung Pannierstraße lang donnerte. Es war feldgrau gestrichen mit braunen und grünen Farbflecken und der Auspuff blubberte schon aus einiger Entfernung unüberhörbar. Beide Soldaten waren in voller Feldausrüstung, mit Karabiner, Gasmaske und Stahlhelm. Das Gespann schepperte mit Getöse über unsere Kreidemalereien und wir standen verängstigt staunend am Bürgersteig.

Von der Pannierbrücke kam eine Straßenbahn mit zwei Anhängern. Es gab einen fürchterlichen Schlag und die Räder schmirgelten über den Bremssand.

Die Soldaten waren wahrscheinlich sofort tot. Einer schlidderte unter der Straßenbahn durch, sein Gesicht war nicht mehr zu erkennen. Auch der andere bewegte sich nicht mehr, sein Kopf war nach hinten abgeknickt. Langsam versammelten sich hilflos tuschelnde Menschen, aber die meisten waren stumm vor Entsetzen.

Als die Polizei und andere Soldaten kamen, mussten wir Kinder nach oben. Von unserem Balkon im vierten Stock konnte ich über die ganze Pannierstraße bis zur Brücke sehen. Dort standen mindestens zehn Straßenbahnen, die nicht weiterfahren konnten.


  • Autor: Fritz Schukat, 1979
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