Bier, Schnaps und Wein
Alcopops. Ich kann mit diesem Wort eigentlich nicht viel anfangen und weiß noch nicht einmal, ob ich es richtig geschrieben habe, jedenfalls habe ich noch kein einziges (oder einzigen?) getrunken. Das ist wohl die Bezeichnung für alkoholische Getränke, die die heutige Jugend in den Discos trinken. Das ist eine Art Limo mit einem Schuss Alkohol, von der man aber ziemlich duhn werden kann, weil man gar nicht merkt, wie sich die Promille hochschaukeln.
Weil dieses Zeug recht billig ist und gern konsumiert wird, hat sich auch die Politik damit befasst und wollte sie mit höheren Steuern belegen. Dann sollte auch die Pfandpflicht für diese Flaschen eingeführt werden und und und. Inzwischen hört man nichts mehr von diesen Querelen und ich muss annehmen, dass die Teenies und Twens sich weder von den höheren Preisen noch von dem politischen Gebrabbel haben abhalten lassen, sie weiter zu konsumieren.
Mich beschäftigt nun seit einiger Zeit die Frage, haben wir denn in unserer Jugend kein Bier, Schnaps und Wein getrunken, dass wir jetzt um den Alkoholkonsum unserer Kinder und Enkel solch ein Gewese machen müssen? Ich denke mitnichten! Aber mir scheint, wir haben das irgendwie anders gemacht. Wir haben nämlich das Gleiche getrunken wie die Erwachsenen
- darf man so sagen, denn wir wurden ja erst mit 21 Jahren volljährig. Und im Übrigen denke ich, hatten wir uns damals nicht so sehr von der Erwachsenenwelt abgesondert. Wir kannten keine Discos, also Tanzschuppen, in denen wir unter uns gewesen wären, wir hatten keine eigene Teeny-Sprache
, wir trugen keine Designer-Klamotten, wir wollten nicht forever young
bleiben, wir wollten einfach erwachsen werden, folglich benahmen wir uns auch wie kleine Erwachsene, auch wenn wir Alkohol konsumierten.
Der Getränkekonsum war früher, also etwa Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre viel geringer und nicht so abwechslungsreich wie heute. Wenn wir durstig waren, tranken wir Kranewasser, ab und zu mixten wir uns das mit Brausepulver. Wenn es mal hoch kam, gab es eine Fassbrause aus dem Lokal an der Ecke, in Flaschen gab es so etwas (noch) nicht. Cola-Getränke kamen erst Mitte der 50er Jahre auf und wurden auch nicht gleich Hektoliterweise getrunken, schließlich waren sie damals noch recht teuer.
Aber was haben wir denn so getrunken?
In Berlin war Alkohol Anfang der 50er Jahre, als ich in den Flegeljahren war, recht billig. Natürlich hab ich damals noch keinen Tropfen Alkohol getrunken. Schnaps wurde - aus welchem Grund auch immer - subventioniert und ich kann mich erinnern, dass es eine Flasche deutschen Weinbrands mit einem französischen Namen für 4,75 DM gab. Das Zeugs wurde in Tankwagen durch die Zone
, wie wir die DDR damals abschätzig nannten, herübergekarrt und erst in Berlin auf Flaschen gezogen. Der Preis und die Menge, mit der die geteilte Stadt seinerzeit überschwemmt wurde, ließ schnell einen schlechten Ruf aufkommen. Ein Edelgesöff
war das damals allemal nicht. Die Firma hatte danach dann lange zu tun, um diese Marke wieder aufzupolieren.
Wir wohnten damals in Neukölln, einem Arbeiterbezirk
von Berlin. Nach der Währungsreform zog auch hier ein kleines Wirtschaftswunder ein, die zerbombten Häuser wurden bald wieder aufgebaut und man sah kaum noch Ruinen. Arbeit gab es genug, ich kann mich nicht erinnern, dass in unserer Straße jemand arbeitslos war, aber Luxus konnte man sich noch nicht leisten. Dafür waren aber die kleinen Vergnügen noch einigermaßen billig. Wir gingen häufig ins Kino, zu bunten Veranstaltungen in die großen Filmpaläste. In der Neuen Welt
, vor dem Krieg ein großes Vergnügungszentrum, hatte sich der an anderer Stelle ausgebombte Wintergarten
wieder etabliert. Das war dann ein solcher Filmpalast, in dem ab und an auch Varieté vorgeführt wurde. Dort veranstaltete auch der RIAS(2)RIAS = Rundfunk im amerikanischen Sektor (Berlins), ein von den USA finanzierter Sender, hat sich nach der Deutschen Einheit aufgelöst. seine öffentlichen Rätselsendungen und Bunten Nachmittage mit Bruno Fritz und Konsorten, bevor die dann endgültig in den Titania-Palast
nach Steglitz umzogen. So mit 18/19 Jahren ging ich am Wochenende natürlich auch schon mal in die Tanzbar Intermezzo
in der Hasenheide, während die Älteren ins Resi
gingen, auch ein altbekannter Name. Das war ein Tanzpalast mit Tischtelefonen, sehr beliebt zum Anbandeln. Aber für mich war das dann doch zu teuer, denn dort musstman schon eine Flae sche Wein bestellen und dafür reichte mein Taschengeld als Schüler nun doch nicht. Gelegentlich trafen wir uns mit Freunden auch schon mal auf ne Molle
(3)Molle = Bezeichnung für ein kleines Glas Bier. und nen Korn in der Stammkneipe. Kneipen gab es in Berlin genug, an jeder Ecke mindestens zwei, wenn nicht sogar drei Lokale, und alle hatten ihre Stammkunden!
Die Altberliner Kneipe hatte einen Tresen mit blank geputztem und gelochtem Stahlblech. Dort stand die Zapfanlage meist mit drei, vier Hähnen und daneben war das Spülbecken, mit Überlauf eingelassen, in dem ständig das Wasser lief. Davor stand höchstens ein Stehbiertisch
, ansonsten wurde die Molle
im Sitzen getrunken. Der Stammtisch war ein riesiger runder Tisch, an dem natürlich nur die Stammgäste sitzen durften, ein ungeschriebenes Gesetz. Erst später wurden die Kneipen wohnlicher, intimer. Man konnte dann schon auf Barhockern direkt am Tresen sitzen. Aber auch dort trank man eben hauptsächlich Bier, dazu dann einen Klaren, also einen Korn oder Doppelkorn, die sich nur im Alkoholgehalt unterschieden, 32 oder 38 Volumen-Prozent. Mein Vater sagte zu dem Körnchen
: …der hat ja nur zweendreißich Volt!
, womit er sich Mut machte, wenn ich ihn als Knabe mal abholte und er seinen Absacker bestellte.
Als wir dann flügge wurden, tranken wir gerne die moderneren Spirituosen, die mit entsprechender Reklame eingeführt wurden. Da gab es Bommi mit Pflaume
, ein Klarer, der mit einer aufgeweichten Trockenpflaume getrunken wurde, oder Puschkin mit Kirsche
, das war ein Wodka, in den man eine gezuckerte, hellrote Kirsche einlegte. Beliebt war damals immer noch der uralte Kutscherschnaps namens Koks
, das war ein Glas Rum mit einem Stück Würfelzucker und einer Kaffeebohne darauf, War der Zuckerwürfel voll gesogen, musste man beides zerkauen, dann erst wurde mit dem restlichen Rum nachgespült
. Frauen haben gern das Blutgeschwür
getrunken, das war ein roter Likör, etwa Kroatzbeere
oder Edelkirsch
auf Eierlikör, farblich sehr nett anzusehen, nur wer sich etwas anderes vorstellen konnte, schüttelte sich! Eine Zeitlang wurde auch gern Escorial grün
getrunken, das war ein 56prozentiger Likör, den man anzünden konnte. Er brannte mit einer leicht bläulichen kleinen Flamme, man musste ihn aber schnell ausmachen, sonst war der Spaß vorbei. Beliebt war auch der Steinhäger
, ebenfalls ein Klarer, der in speziellen Tonflaschen verkauft wurde. Solche Flaschen hatte Oma früher auch gern als Wärmflasche benutzt, natürlich wenn kein Alkohol mehr drin war! Auch der Stonsdorfer
, kurz Stoni
genannt, ein Kräuterlikör, der vor dem Krieg im schlesischen Stonsdorf zusammengebraut wurde, hatte seine Liebhaber. Bei den Whisky-Sorten gab es keine speziellen Lesarten, man trank den schottischen Whisky aber nie pur, sondern on the rocks
, also über Eisstückchen oder mit Sodawasser, so gehörte sich das! Nur Exoten verlangten dann - sicher mehr aus Angabe - die amerikanische Machart Whiskey
. Ich empfand da nie einen gravierenden Unterschied. Als ich noch lernte, trafen wir uns in Berlin manchmal in einem Lokal, wo es ein Schnaps mit dem Namen Stichpimpuli-bockforzelorum
gab. Was das war, weiß ich bis heute nicht, aber dieses Zeugs war dort sehr beliebt.
In dem kleinen Heidestädtchen C., wo ich 1968 meinen Außendienst begann, wollte man mich mit dem Ratzeputz®(1)
Die Markennamen sind Eigentum der Hersteller. Ohne deren volle Nennung wäre dieser Beitrag wie Winter ohne Schnee. reinlegen, das ist ein Ingwerschnaps, der beinahe wir Cognac aussieht, mit einem pfeffrig-scharfen Geschmack, der -falsch getrunken- einen heftigen Hustenreiz auslösen kann. Dieses Teufelszeugs wird dort gebraut
und gern getrunken, aber da ich davon hörte und gewarnt wurde, wusste ich, was Sache ist. Übrigens in der Heide trinkt man seit alters her die so genannte Lüttje Lage
, einen recht milden Klaren mit Schwarzbier. Das besondere daran ist die Zeremonie, mit der dieses Ensemble getrunken werden muss: zwei Gläser mit eben diesem unterschiedlichen Inhalt müssen so geschickt mit gespreizten Fingern gehalten werden, dass sich beide Flüssigkeiten beim Trinken vereinen, man schüttet sie sich also übereinander in den weit geöffneten Mund - musste ich auch erst lernen. Ich geb allerdings zu, dass ich daran keinen besonderen Geschmack fand, übrigens auch kein großes Geschick entwickelte, diese Lüttje Lage
richtig zu trinken. Trotzdem muss man das Zeug hauptsächlich bei den Schützenfesten in sich hineinkippen, sonst wird man schnell ausgegrenzt. Diese Feste werden ja auf dem platten Land immer noch gefeiert und begannen zu meiner Zeit dort meist im Juli mit dem großen Umzug in Hannover, der den Karnevals- bzw. Faschingsumzügen keineswegs nachstand. Ob das heute noch so ist, kann ich nicht sagen.
Als die Cola-Getränke Mitte der 50er Jahre bei uns ihren Siegeszug antraten, mixte man sie auch bald mit diversen Schnäpsen, am beliebtesten war Cola-Whisky, Cola-Rum, auch mal mit Cognac, sagen wir mal mit Weinbrand.
Es gab natürlich immer wieder Gruppen, die ihre eigenen Trinkgewohnheiten auslebten. In Berlin machte ich mal eine Wohnungseinweihung mit und bekam ein Wasserglas mit einer hellen Flüssigkeit in die Hand gedrückt. Das Zeug tranken die Leute in großen Schlücken. Als man mir sagte, dass es sich um hochprozentiges Kirschwasser handelte, war ich gewarnt. Dieses Zeug und nix anderes trinken wir bei allen Gelegenheiten auf dem
Bau
, sagte mir mein Freund, der zu dieser Fete geladen hatte.
Auf den Tagungen, die ich später regelmäßig zu Schulungszwecken und zur Information frequentierte, trank man gern den von uns so genannten Revisorenschnaps
, das war Malteser-Aquavit®(1)
, und es durfte nichts anderes sein.
Hin und wieder gab es eine neue Creation
, die dann mit großem Reklameaufwand angepriesen wurde. An eine erinnere ich mich gern, der Hersteller, die Schnapsbrennerei Eckes in der Nähe von Mainz nannte sie Zinn 40®(1)
. Das war ein Klarer aus Wein, weich und lieblich auf der Zunge, aber auch dieses Zeugs durfte man eben auch nur mäßig trinken.
Als es uns dann doch schon ein wenig besser ging, tranken wir schon mal zu festlichen Gelegenheiten einen Champagner
und wenn Hochprozentiges, dann bitte ein französischer Weinbrand, ein Hennessey®(1)
oder ein Remy®(1)
. Und wer Wein anbot, schwärmte meist für eine bestimmte Weingegend.
In den 70er Jahren wohnte ich längere Zeit in der Nähe von Mainz, natürlich tranken wir dort nur Rheinhessen
-Weine, etwas anderes durfte man dort jedenfalls in Gesellschaft kaum anbieten. Und dennoch gab es da Leute, die vielleicht aus Protest für andere Weingegenden schwärmten und nichts anderes tranken. Ich kannte damals Fans
, die für Frankenweine oder Württemberger, für Moselweine oder Rotweine von der Ahr schwärmen! Am besten ist natürlich, man hat alle Sorten im Keller, dann kann einem nichts passieren!
Komisch, seitdem ich keinen Alkohol mehr trinke, abgesehen von einem Schlückchen Mittrunk
, um keine Spaßbremse zu sein, füllt sich mein Keller mit schönsten Weinen, speziell mit Rotweinen aus allen Gegenden der Welt, wie Frankreich, Griechenland, Chile, Kalifornien und Australien. In der Bar stehen Schnäpse bester Marken und im Kühlschrank steht ein Klarer und ein Aquavit und immer mehrere Flaschen Sekt zum Köpfen bereit. Aber unser Besuch trinkt lieber alkoholfreies Bier, Tee oder Kaffee - höchstens mal mit einem kleinen Remy®(1)
dazu.
Ich würde alles gerne auf den Tisch stellen, gleichgültig, was es sei, selbst eine meiner älteren Weinflaschen, die ich noch aus dem vorigen Jahrhundert herübergerettet habe, würde ich guten Freunden anbieten. Ich habe noch mindestens ein Dutzend Flaschen mit guten Weinen aus 1983, 1989, und mehrere aus den 90er Jahren. Nur eine Flasche würde ich niemals kredenzen, das ist ein Eiswein aus dem Jahre 1976, den ich damals anlässlich der Geburt meines Sohnes gekauft habe. Ich bewahr ihn mit zwei weiteren Weinflaschen aus 1976 für Sohnimatz auf, der sich seit einigen Jahren in Amerika aufhält.
Aber ich hab ihm gesagt, dass er sich diese Weine selber abholen muss, wenn er sie denn haben will!
Dieses Jahr wird er 30 Jahre alt. Wär ja eine gute Gelegenheit, das zu tun!
(1) Die Markennamen sind Eigentum der Hersteller. Ohne deren volle Nennung wäre dieser Beitrag wie Winter ohne Schnee.
(2) RIAS = Rundfunk im amerikanischen Sektor (Berlins), ein von den USA finanzierter Sender, hat sich nach der Deutschen Einheit aufgelöst.
(3) Molle = Bezeichnung für ein kleines Glas Bier