Laufende Bilder
Laufende Bilder gab es schon lange vor dem ersten Weltkrieg. Kurze Stummfilme mit richtiger Handlung waren die Jahrmarktrenner. Tonfilme gib es seit Ende der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Aber dass man als Otto Normalverbraucher auch selber drehen
und sich diese Bilder dann zu Hause ansehen konnte, ahnte ich als Kind in meinen kühnsten Träumen nicht. Als Schüler sah ich einmal zu, wie ein Filmteam auf der Straße mit einer riesigen Kamera, oben drauf zwei große Schächte für die Filmrollen, ein paar Szenen abdrehte. Da war mir eigentlich klar, so etwas kann man sich privat gar nicht leisten.
Schon Anfang der 50er Jahre wurde ich eines besseren belehrt. Auf einer Klassenfahrt nach Holzminden belichtete ein Mitschüler mehrere Normal-8-Filme
mit einem relativ kleinen Filmapparat, den er wie ein Uhrwerk aufziehen musste. Ein paar Wochen später hatten wir dann das Vergnügen, uns auf einer Leinwand z.T. sogar in Farbe herumhampeln zu sehen. Allerdings im wahrsten Sinne des Wortes ein einmaliges Vergnügen, der Film landete dann im familiären Privatarchiv und ward vergessen!
Meine erste feste Freundin war die älteste Tochter eines technikbegeisterten Handwerksmeisters. Der hatte schon 1953/54 als Privatmann ein Tonbandgerät, mit dem er Rundfunksendungen aufnehmen konnte, als wir noch mit vielen Tricks versuchten, eine von der Landesbildstelle für unsere Schulklasse ausgeliehene Tonbandmaschine zu präparieren. Der gute Mann besaß auch eine Filmkamera, mit der er schon in den 30er Jahren filmte! Irgendwann an einem lauen Sommerabend baute er zum Ergötzen seiner Familie und mir seinen Projektor auf, stellte eine Leinwand in den Erker und wir sahen im Halbdunkel wie im Kino laufende Bilder
seiner beiden Töchter, als sie drei-vier Jahre alt waren. Und das in Farbe! Die Filme wurden etwa 1939/40 gedreht. Ich fand das erstaunlich. Irgendwann bekam ich dann eine preisliche Vorstellung von dem, was dieses Vergnügen kostete. Für mich als kleinen Schüler waren das natürlich Utopien! Fotografieren war schon teuer genug, Fotoapparate besaßen nur wenige. Und wenn wir als Schüler nicht so experimentierfreudig gewesen wären, gäbe es manch einen Schnappschuss vom Schulhof nicht.
Das Selberfilmen wurde in den 60/70er Jahren populär. Das schien während des immer größer werdenden Wohlstandes der Bundesbürger ein Bedürfnis abzudecken, das viele damals hegten. Inzwischen wurde auch das umständliche Umdrehen der Filmkassette abgeschafft. Das war dann nicht mehr Normal-8 sondern Super-8. Auch die Filmapparate wurden komfortabler. Die deutschen und Schweizer Traditionsfirmen bekamen Konkurrenz aus Fernost. Die großen Versandhäuser hatten ihre Nasen vorn, und so mussten auch die Traditionsfirmen mit schlankeren
Modellen auf den Markt kommen.
Anfang der 70er Jahre bekam ich zum Geburtstag die ganz einfache Bauer C3 - Kamera im Super-8-Format geschenkt. Sie hatte ein kleines Okular und den Auslöser, andere Knöpfe - Fehlanzeige. Am Objektiv war ein Hebel, mit dem man die Brennweite manuell verstellen konnte, heute sagt man dazu zoomen
. Nach der anfänglichen Freude wurde aber allmählich klar, dass das eigentlich ein schlimm-schönes
Geschenk war. Zu der blanken Kamera brauchte man noch einen Projektor, möglichst mit passendem Projektorengestell, eine Leinwand, einen Filmbetrachter mit Klebepresse, Filmrollen und Aufbewahrungsschatullen! Die kleinen 3 ½ - Minuten-Kassetten mit 15 m Film kosteten etwa 11,-- DM, Entwicklung allerdings eingeschlossen. Kein billiges Vergnügen also! Man konnte sich deshalb auch kaum schlechte Aufnahmen leisten und musste sehr überlegen, was man aufnehmen wollte. Das war eine gute Schule, sich auf Wesentliches zu konzentrieren. Es gab zwar immer Leben auf meinen Filmen, das man sah, aber leider nicht hörte. Mit Ton zu filmen, war und blieb für mich letztlich ein unerfüllbarer Wunschtraum.
Ob es für den normalen Amateur überhaupt erschwingliche Super-8-Kameras mit Tonaufnahme gab, weiß ich nicht. Mit dem Schneiden der Filme hätte man bestimmt seinen Schaff gehabt, denn aus technischen Gründen war es m.E. gar nicht möglich, Bild und Ton synchron abzutasten. Es gab aber eine Ersatzlösung, jedoch hochkompliziert, wie mir jemand vor kurzem erklärte. Auf den fertig geschnittenen Film wurde ein Magnetband aufgespurt
, auf das anschließend die Toninformation aufgespielt werden konnte. Der Projektor war also zusätzlich auch noch ein Tonbandgerät. Da hätte ich aus pekuniären Gründen passen müssen.
Als mein jüngster Sohn 1976 geboren wurde, habe ich viel gefilmt und habe auch einmal versucht, beim Filmen den Ton auf meiner transportablen Uher 4200
(das war damals die Wunschmaschine für Tonbandamateure) parallel aufzunehmen. Beides existiert noch, aber zusammenführen konnte ich das nicht, einfach weil ich keine Möglichkeit kannte.
Allein schon die Kosten für den Filmbedarf begrenzten das wahllose Herumfilmen, so dass schließlich auch dieses Hobby bald einschlief. Meine letzten Filme habe ich etwa 1980 gedreht. Zu dieser Zeit war schon abzusehen, dass dieses Hobby endlich
war. Inzwischen waren nämlich die ersten Heim-Videorekorder auf dem Markt und es gab auch Kamerasysteme, mit denen man zuhause über Kabelverbindungen sogar mit Ton videografieren
, notfalls sogar löschen bzw. überspielen konnte. Das Filmmaterial
war also wiederverwendbar. Natürlich war auch das anfangs ziemlich teuer.
Meine Begeisterung für bewegte Bilder kam wieder, als es die ersten erschwinglichen Camcorder gab, wobei erschwinglich
eigentlich zu harmlos klingt. Kauft man neue Technik, zahlt man immer drauf. Wenn die Geräte nach kurzer Zeit meist sogar viel billiger wurden, tröstete ich mich immer damit, dass ich bei den ersten gewesen bin.
Um aus dem Rohmaterial einen Film zu schneiden
, brauchte man trotzdem noch ein Videomischpult zum Überblenden und um Musik unterzulegen - und natürlich einen normalen Videorekorder! Kopieren konnte man diesen Film dann aber kaum noch. Beim Überspielen analoger, also magnetischer Informationen gibt es leider immer Verluste. Eine weitere Kopie von dem fertigen Band zu ziehen, war deshalb kaum möglich. Also auch hier: Drehen, zeigen und ab ins Archiv.
Mit den Fortschritten der Computertechnik änderte sich dann aber das Aufnahmeverfahren grundsätzlich. Digital
wurde das große Modewort der Branche. Die heutigen Camcorder sind kleine Wunderwerke. Die meisten arbeiten zwar noch mit Bandmaterial, aber die Informationen werden digital gespeichert. Am Computer kann man dann die Filme auch als Laie mit etwas Geschick bearbeiten und Kopien für Verwandte und Freunde auf CDs ziehen. Camcorder, die Bänder verwenden, sind aber auch schon fast antiquiert, denn jetzt wird auf Mini-DVDs, sogar schon auf Chipkarten gespeichert. Und da es selbst für mich jetzt zu kompliziert wird, will ich auch nichts mehr über die allerneuesten Speichermedien schreiben. Hauptsache ist schließlich heute wie gestern und vorgestern, was zu sehen ist. Und dafür sind immer noch unsere Augen zuständig.
Egal, welche Technik angewendet wird, analog oder digital, auf Film, Magnetband oder digitalem Speichermedium: es werden immer einzelne Bilder produziert, die nacheinander abgespielt werden müssen, damit wir Bewegung wahrnehmen. Das hängt nämlich mit dem Phänomen zusammen, dass unser Gehirn in der Sekunde nur eine gewisse Anzahl von Einzelbildern wahrnehmen kann, werden es mehr als 25, verschwimmen diese Bilder und wir beginnen, fließende Bewegungen wahrzunehmen.
Aber das kennen wir ja schon vom Daumenkino!