Brief an Max
(das war ihr Spitzname!)
Es ist kaum zu glauben! Als Du vor rund 65 Jahren geboren wurdest, geschah dies in der Neuköllner Weserstraße, in einer Kleinstwohnung im Erdgeschoss des Quergebäudes, in der unsere Eltern mit uns beiden Rangen -Christel und mir- wohnten.
Es gab nur ein Zimmer, eine kleine Küche und einen Minikorridor. Käckern und Pullern mussten wir aber draußen auf einem Plumpsklo am Flureingang. Wie sich das abspielte, daran erinnere ich mich nicht mehr - nur dass ich ein Dreirad hatte, mit dem ich im Sommer immer ganz früh auf dem Hof herumkarrte. Einmal muss es so gequietscht haben, dass Herr Gohlke, unser Hausobmann, mit einer riesigen Ölkanne kam und die Räder abschmierte. Ab da war endlich Ruhe. Aber kurz darauf klauten mir ein paar böse Jungs mein geliebtes Dreirad. Ich war todunglücklich.
Im Frühjahr 1941 zogen wir dann von dort in die Pannierstr. 10 und bekamen eine Komfortwohnung
im 4. Stock mit 2 großen Zimmern (mit Zwischentür) und einem Balkon, auf dem wir unseren Dagobert - ein weißes Angora-Kaninchen (das war aber eine sie) - pflegten. Wir hatten dort eine große Wohnküche und sogar eine Innentoilette.
1943 wurden wir dann nach Muschten evakuiert
. Das ist in aller Kürze mein Erinnerungspotential.
Als Du geboren wurdest - Du bist natürlich wie wir anderen auch zu Hause geboren und von Frau Michalik, unserer
Hebamme geholt worden - da muss es in unserer kleinen Wohnung ziemlich laut zugegangen sein. Ich habe wohl den Schlaf des Gerechten geschlafen, denn daran kann ich mich nicht erinnern. Aber - als ich um 6:00 Uhr früh aufwachte und das Körbchen sah, in dem Du lagst und merkte, dass da Leben drin war, weckte ich die Eltern mit einem Freudenschrei: Mama, Mama, der Klapper-sstorch hat uns ein Kindsjen gebracht!!
Ich habe damals fürchterlich gelispelt, das muss sich richtig niedlich angehört haben! Ich begriff natürlich nicht, warum sich die Eltern nicht freuten, denn für mich war das die Sensation. Jetzt weiß ich warum!
Ja, so war das damals! Das ist tatsächlich 65 Jahre her. Und jetzt stelle ich für meine kleine Schwester den Altersruhegeldantrag! Es ist der helle Wahnsinn!
Alles Gute weiterhin
(Weil ich mal auf Beamter
gelernt habe, half ich meiner Schwester beim Rentenantrag aus der Ferne, wir wohnten damals noch in Norderstedt und sie in Berlin)