Regina und die Seerosen
Meine Mutter flüchtete 1945 vor den heranstürmenden Soldaten der Roten Armee zusammen mit ihrer Mutter und meiner Schwester, die im Januar gerade geboren war, aus Osterode in Ostpreußen in Richtung Westen. Nach ihrem illegalen Grenzübertritt bei Ellrich nach Walkenried, von der sowjetisch besetzten Zone in den Westteil Nachkriegsdeutschlands fanden meine Eltern und eine der beiden Großmütter zunächst eine Bleibe in Zarpen, später in Reinfeld, Holstein. Diesem Umstand verdanke ich, dass ich 1949 in einem Schloss geboren wurde. Der Westflügel des bei Bad Oldesloe gelegenen Schlosses BlumendorfDas Bauerndorf Blumendorf wurde erstmals 1314 urkundlich genannt. Es gehörte zum Gut Fresendorf, bis es 1635 Hans von Buchwald zu Schadehorn erwarb. Dieser wandelte es in ein adliges Gut um.
1755 erbaute der damalige Gutsbesitzer Jacob Levin von Plessen das heutige Herrenhaus mit Torhaus und Gartenanlage. Die Leibeigenschaft wurde 1795 durch den damaligen Gutsbesitzer Nicolaus von Luckner aufgehoben. 1889 kam der Gutsbezirk kommunalrechtlich zum Amtsbezirk Fresenburg. 1907 erhielt Blumendorf eine Bahnstation an der Elmshorn-Barmstedt-Oldesloer Eisenbahn. Des Personenbetrieb wurde 1973 eingestellt, es fand aber noch zwischen Blumendorf ↔ Bad Oldesloe Güterverkehr statt. 1928 wurde der Gutsbezirk aufgelöst und nach Bad Oldesloe eingemeindet. Blumendorf hatte damals 307 Einwohner. Ab 1950 entstanden auf 149 Hektar Neusiedlungen für Flüchtlinge und Vertriebene aus dem deutschen Osten. In der Nachkriegszeit wurde der Westflügel des Schlosses bis 1958 als Krankenhaus genutzt.Quelle: wikipedia.org [1] wurde nach dem Zweiten Weltkrieg bis Ende der 50er Jahre als Krankenhaus genutzt, und ich kam dort zur Welt. Meine Wurzeln liegen aber in Ostpreußen, denn von dort stammt meine ganze Familie.
Meine Eltern fanden im September 1950 im Norden Hamburgs eine neue Heimat, meine Oma Martha siedelte aber erst sehr viel später nach Hamburg um.
Es muss 1955 gewesen sein, ich war gerade zur Schule gekommen und hatte nun zum ersten Mal in meinem Leben große Ferien. Meine Oma Martha wohnte noch in Reinfeld, der Karpfenstadt, dort hatte sie erst vor wenigen Jahren eine kleine Wohnung in der Neuhöfer Straße, ganz in der Nähe des Herrenteichs bezogen.
Mein Onkel, Bruder meines Vaters, war zu der Zeit bereits motorisiert, er fuhr voller Stolz ein schwarzes Ungetüm, eine Horex-Regina
Horex Regina mit Beiwagen mit Beiwagen. Da er seine Mutter regelmäßig in Reinfeld besuchte, ergab sich für mich eine Mitfahrgelegenheit. Ich erinnere mich deutlich, wie er mit Ledermantel und Lederhaube, meine Tante auf dem Sozius mit einem flatternden weißen Schal um den Hals, beide mit Motorradbrillen ausgestattet, angebraust kam, um mich abzuholen. Ich war Tage zuvor schon sehr aufgeregt und freute mich auf diese Reise. Mit wärmender Pudelmütze, Schal und dicker Jacke durfte ich im Beiwagen Platz nehmen, der von vorn wie ein Zeppelin aussah, schwarz und mit zur Spitze zulaufenden verchromten Leisten verziert. Um die Beine gab es eine Wolldecke, damit der Fahrtwind mich nicht zu sehr auskühlen konnte. Eine Brille brauchte ich nicht, der Beiwagen hatte ein kleines durchsichtiges Windschild aus Plexiglas, das meine Augen schützte. Den Koffer verstaute der Onkel hinter mir außen auf dem Gepäckträger des Beiwagens, stieg auf den Kickstarter und trat ihn mit seinem Körpergewicht nach unten durch. Der Motor sprang an, wir fuhren los und der weiße Schal meiner Tante flatterte im Fahrtwind.
Kurz vor Bad Oldesloe kamen wir an meinem Geburtsort, Schloss Blumendorf vorbei, fuhren durch die Stadt in Richtung Ratzeburg, um dann nach wenigen Kilometern links nach Reinfeld abzubiegen. Meine Oma wartete schon auf uns drei und hatte etwas Leckeres gekocht. Am Nachmittag machte ich mit Onkel und Tante einen Ausflug zu Fuß zum nahe gelegenen Herrenteich. Dort mietete mein Onkel ein Ruderboot und ruderte seine Frau und mich zwischen den herrlich blühenden Seerosen über den Teich. Die schwere Lederkleidung war abgelegt und durch leichte Sommerbekleidung ersetzt worden, denn die Luft war lau und mild. Meine Tante trug nun einen hellen, der damaligen Mode entsprechenden Glockenrock, so nannte sie ihn, mit einem Petticoat darunter. Dadurch stand der Rock glockenförmig nach außen ab und es rauschte und raschelte beim Gehen. Auf der hinteren Bank des Ruderbootes war deshalb auch kein Platz für uns beide, ich durfte im Bug des Bootes sitzen, während meine Tante mit ihrem Stoffgebirge es sich auf der breiten hinteren Bank bequem machte.
Solche herrlich blühende Seerosen, im Schatten der großen alten Bäume hatten auch den Maler Claude Monet bewegt, diese Stimmung in seinen Bildern einzufangen. Wir konnten uns dem Zauber nicht entziehen, jedenfalls beugte sich Tante Helga plötzlich nach hinten, um im Vorbeigleiten eine dieser Wasserpflanzen zu pflücken. Sie hatte nicht mit den starken Stängeln gerechnet, mit denen die Seerosen am Grund verankert sind. Sie ließ aber auch nicht von ihrem Vorhaben ab und wurde nach hinten aus dem Boot gerissen. Wie eine Seerose breitete sich ihr Rock durch den luftigen Petticoat darunter auf dem Wasser aus. Tief war es an dieser Stelle nicht, sie konnte im Wasser stehen und mit dem kreisrund ausgebreitetem Rock um sich herum sah sie wie eine Seerose aus.
Diesen Anblick habe ich bis heute nicht vergessen.
Lesen Sie wie es weiterging: Karpfenfest in Reinfeldoder: warum ich keine Karpfen essen mag…
1755 erbaute der damalige Gutsbesitzer Jacob Levin von Plessen das heutige Herrenhaus mit Torhaus und Gartenanlage. Die Leibeigenschaft wurde 1795 durch den damaligen Gutsbesitzer Nicolaus von Luckner aufgehoben. 1889 kam der Gutsbezirk kommunalrechtlich zum Amtsbezirk Fresenburg. 1907 erhielt Blumendorf eine Bahnstation an der Elmshorn-Barmstedt-Oldesloer Eisenbahn. Des Personenbetrieb wurde 1973 eingestellt, es fand aber noch zwischen Blumendorf ↔ Bad Oldesloe Güterverkehr statt. 1928 wurde der Gutsbezirk aufgelöst und nach Bad Oldesloe eingemeindet. Blumendorf hatte damals 307 Einwohner. Ab 1950 entstanden auf 149 Hektar Neusiedlungen für Flüchtlinge und Vertriebene aus dem deutschen Osten. In der Nachkriegszeit wurde der Westflügel des Schlosses bis 1958 als Krankenhaus genutzt.
Quelle: Wikipedia.org