Laura
Wir wohnten in Hamburg am Grindel, auch genannt Klein-Jerusalem. Es gab in unserem Stadtviertel eine Synagoge und eine Talmudschule. In dieser Gegend lebten sehr viele Juden. Meine Freundin Laura war Jüdin und trug an ihrer Kleidung den gelben Judenstern. Mich störten diese Äußerlichkeiten nicht, trugen doch viele diesen Stern, die mir auf der Straße begegneten. Außerdem arbeitete meine Großmutter für eine jüdische Familie, half bei der Wäsche, erledigte Putzarbeiten und strickte für den Hausherrn Strümpfe aus sehr feiner Wolle. Das Einzige, was sie bemängelte war, dass dieser sehr große Füße hatte, was beim Stricken viel Zeit in Anspruch nahm.
Im Juli 1943, ich war 10 Jahre alt, waren die so genannten Bombennächte in Hamburg. Danach hatte ich große Angst vor Fliegeralarm und verbrachte mit den anderen Kindern unserer Straße die folgenden Nächte im Luftschutzkeller. Laura durfte nicht in unseren Schutzraum, weil sie Jüdin war. Ich konnte das nicht verstehen.
Im Herbst erzählte Laura mir, dass sie nun bald Hamburg verlassen würde und ich mir von ihren Spielsachen etwas aussuchen könne, da sie nur wenig mitnehmen dürfe. Sie sagte voller Stolz: Der Führer Adolf Hitler, schenkt den Juden eine Stadt. Dort gibt es keinen Fliegeralarm und es fallen keine Bomben. Diese Stadt ist nur für uns Juden, ist das nicht toll?
Wo liegt Theresienstadt,
wollte ich wissen, ist das weit von hier?
Sie wusste es nicht, aber ich fand, es hörte sich gut an, Theresienstadt, so friedlich. Ich habe Laura glühend um die Reise nach Theresienstadt beneidet und konnte nicht verstehen, warum der Führer die Juden so bevorzugte. Von ihren Puppen suchte ich mir eine aus und versprach ihr, diese gut zu behandeln. Wir verabschiedeten uns und unsere Mütter, die etwas abseits standen, taten das Gleiche. Meine Mutter hatte Tränen in den Augen, was ich überhaupt nicht verstand, oder wäre sie auch gern mitgefahren, so wie ich? Am Anfang habe ich noch oft an Laura gedacht, doch die Erinnerung verblasste mehr und mehr.
Vor sieben Jahren bin ich mit meinem Enkel für eine Woche nach Prag gefahren. Der Busfahrer machte uns darauf aufmerksam, dass wir gleich an einem Konzentrationslager der Nazis, Theresienstadt, vorbeikommen. Das Gefühl, das mich in diesem Moment überkam, kann ich nicht beschreiben. Obwohl es Sommer und sehr heiß war, bekam ich eine Gänsehaut und Laura fiel mir wieder ein. Dieses Gefühl habe ich jedes Mal, wenn ich jetzt an Laura denke oder von ihr spreche. Was ist wohl aus ihr geworden?
Eines Tages werde ich die Gedenkstätte Theresienstadt besuchen.