Jedes Leben zählt
Mel macht sich auf den Weg in den Keller, unterm Arm einen Korb voller Wäsche, die gewaschen werden soll. Die Waschmaschine befindet sich im Keller, den ihr Mann Tobi, der selbstständig ist, zum größten Teil für seine Tätigkeiten nutzt. Katze Bailey ist ihr gefolgt. In dem Wirrwarr von unzähligen Kartons bleibt sie urplötzlich stehen und schaut wie gebannt auf den Fußboden. Mit der Pfote und mit ihrer Nase versucht sie zu erkunden, was da vor ihr liegt. Mel ist fertig und ruft: Komm mit nach oben, Bailey!
Die Katze rührt sich nicht von der Stelle. Mel will sehen, was Bailey entdeckt hat. Hoffentlich nicht eine von den großen schwarzen Spinnen, die so schnell laufen können, denn die kann Mel nicht leiden.
Bailey schaut immer noch auf den Boden und Mel glaubt nicht, was sie dort sieht. Auf dem Boden liegt eine kleine Babymaus, bereits im Fellkleid, aber noch mit geschlossenen Augen. Bailey stupst sie mit der Nase an, schaut hoch zu Mel, als wolle sie fragen: Was ist das?
Mel darauf: Das ist ein Mäuslein, so etwas solltest du eigentlich jagen und nicht die Schmetterlinge und Jungvögel im Garten.
Mel vermutet, dass die kleine Maus tot ist und legt sie sich in die Hand. Durch die Wärme ihrer Hand werden die Lebensgeister des Tierchens geweckt und es bewegt sich. Vielleicht hat die Mäusemama sich erschreckt, ihr Kind abgelegt und ist in ihrem versteckten Nest verschwunden. Sie legt das Mäuschen auf einem Stück Zeitungspapier, das sie auf den kalten Betonfußboden gelegt hat, wieder ab und hofft, dass die Mama wiederkommt und ihr Kind zurück ins Nest holt.
Da Bailey den Schauplatz nicht freiwillig aufgeben will, greift Mel sie und verlässt mit ihr den Keller.
Inzwischen ist es Abend geworden und Mel begibt sich erneut in den Keller, um nach dem Mäuschen zu sehen. Es liegt noch immer an der gleichen Stelle, und als sie es in die Hand nimmt, bewegt es sich. Mel entscheidet nun, diese kleine Kämpfernatur darf nicht sterben, und geht mit ihr nach oben ins Wohnzimmer. Tobi ist nicht begeistert von dem Familienzuwachs und spricht von Mausefallen, die man im Keller aufstellen sollte.
Im Internet hat Mel sich schlau gemacht und erfahren, dass Kuhmilch wohl nicht das Richtige ist, aber Fencheltee helfen könnte. Mel taucht ihren Finger in den abgekühlten Tee und das Mäusebaby leckt begierig das Nass von Finger. Da ihr Mann vorwiegend nachts im Keller arbeitet, erhält er den Auftrag, dem Mäuschen hin und wieder den mit Tee benässten Finger anzubieten. Seinem Kopfschütteln sowie den Gesichtszügen sieht sie an, dass er meint, mit ihr stimme was nicht. Da er Streit vermeiden will, erledigt er den ihm angetragenen Auftrag, wenn auch nur widerwillig. Er will nicht schuld sein an dem Tod des Tierchens.
Das Mäuschen hat die Nacht überlebt. Mel macht sich mit ihm in einer ausgepolsterten Pappschachtel auf den Weg zu einem Tierarzt. Der erklärt ihr, dass er für einen solchen Fall nicht zuständig ist und verweist sie an die Wildtierauffangstation.
Dort angekommen, werden erste Zweifel in Mel wach, ob man ihr das Mäusebaby auch abnehmen wird. Man kommt ihr sehr freundlich entgegen und sie erfährt, dass in diesem Jahr schon einige Mäuse abgegeben wurden. Mel lässt ihr Mäuschen da, wirft ein paar Euro in den Spartopf, der für Spenden bereitsteht, und fährt beruhigt nach Hause.
Nach ein paar Tagen ruft Mel bei der Station an und fragt nach, ob das Mäuschen noch lebt. Die Frau am Telefon kann sich gut an sie erinnern und sagt: Ja, es hat jetzt die Augen auf und erfreut sich bester Gesundheit, wenn Sie wollen, können Sie es besuchen kommen.
Nein, das möchte Mel nun doch nicht, aber es gibt ihr ein gutes Gefühl, denn sie hat - wenn auch nur ein winziges - Leben gerettet.