Bei den wilden Schimpansen
Sechs heiße Monate lang waren sie tausend Kilometer nördlich des Äquators verschwunden, weit entfernt von New Guineas Hauptstadt Konakry, wo Präsident Sékuo Touré die Expedition genehmigt hatte. Bis zur 30 000 Seelen-Stadt Kankan waren sie vorgedrungen, wo die Frauen ihre Wäsche im Milo wuschen, dem Seitenarm des Niger. Im Urwald verlief die Grenze zu Nigeria. Die eingeborenen Malenke vom Berg Boussou glaubten, die Horden der Schimpansen droben auf dem heiligen Berg bewachten die Seelen der Toten und dürften nicht gestört werden. Man duldete aber die Filmleute, wie sie ihr Camp aufbauten, die Kameras installierten und wie sie auf die Herren der Berge warteten, die Toubabs brachten Geld. Und die Schimpansen kamen. Die Crew gab ihnen Namen, um sie später im Film besser zu unterscheiden. Die wuchtigen, oft cholerischen Männer hießen Konrad (nach Adenauer), Wotan, Scotch und Demu. Die Weibchen nannte man Fatu und Aisetta. Bewunderung verdiente das vielleicht 50 Jahre alte Weibchen mit dem gelähmten Arm, es hatte ein schweres Leben in der Horde. Man nannte sie die Witch
, die Hexe, weil sie eben nicht in Schönheit erblühte.
Die Crew häutete und briet eine 10 m lange Pythonschlange und meinte, sie schmeckte nach Huhn. Die schwarzen Damen aus der Nachbarschaft halfen beim Gießen des Fußbodens mit gequirltem Kuhmist. Und, was war sonst mit den Damen? Niemand verriet es.
Peter hockte in zäher Geduld im Versteck, wartete, beobachtete, drehte Szenen aus dem Alltag der Schimpansenhorde, 20-30 Tiere stark. Regelmäßig kamen alle zum Haufen mit den lockend ausgelegten Pampelmusen. Die Kamera dokumentierte ihr Tun und Treiben. Sexuelle Beziehungen, die Promiskuität,Im Tierreich versteht man unter Promiskuität, dass sich Weibchen und Männchen in einer Saison mit mehr als einem Geschlechtspartner paaren. die gegenseitige Pflege des Fells, das Bauen der Baumnester, das Spiel von Müttern mit ihren Kindern, wie Mütter den kleinen Söhnen präsentieren, den Gebrauch von Lianen zum Herauspuhlen der schmackhaften Ameisen, die sechs Techniken zum Schälen einer Pampelmuse. Nach sorgfältigen Vorbereitungen gab es dann den Hordenkampf mit Geschrei gegen den ausgestopften Leoparden, den Erzfeind. Weit schallten die kreischenden und buhenden Laute der rasend wütenden Bande, die Damen immer vorneweg – große, beeindruckende Szenen. Man fragte, ob unsere Vettern, die Schimpansen, eine Ahnung vom Tode haben könnten, eine Schimpansenmutter, die ein Kind verloren hatte, trug das aus Hamburg mitgebrachte Steiff-Kind lange mit sich herum. Der Schimpansen-Clan ließ die Hexe nicht verhungern, immer blieben genügend Früchte für sie übrig, und niemand nahm ihr etwas weg, wenn sie die Früchte mühsam davontrug. Gab es hier Parallelen zum frühen Menschen? Hatte diese Expedition ihr Klassenziel erreicht, hatte sie die These des Holländer Zoologen Dr.Adriaan Kortlandt bewiesen? Jener formulierte es so:
Vor eineinhalb Millionen Jahren etwa überquerte der Mensch den Nil oder die Sahara und traf auf den Schimpansen. Eine Million Jahre hat der Mensch vor dem Gebiet der Schimpansen gestanden, eindringen konnte er nicht, denn mit seinen Faustkeilen war er den Knüppeln der Schimpansen nicht gewachsen. Vor ungefähr 200.000 Jahren hat der Mensch den Wurfspeer entwickelt. Nun konnte er sein Jagdwild, auch den Schimpansen, aus sicherer Entfernung töten. Er drang in das Gebiet der Schimpansen ein, und der Schimpanse zog sich allmählich in den sicheren Urwald zurück. Dort sind im Laufe der folgenden 200.000 Jahre manche seiner Fähigkeiten des Kämpfens und der sozialen Zusammenarbeit verkümmert. Wichtige Teile seines Verhaltens dehumanisierten
, wurden weniger menschlich. Es war der Mensch, der den Schimpansen nicht menschlicher werden ließ, als er heute ist.
Beweisen konnte die Expedition die These Kortlandts nicht, doch die Fragestellung war 1969 neu und führte zu Filmaufnahmen, die man so noch nicht gesehen hatte. So hat die Expedition zu unseren armen Vettern
Furore gemacht. Experten und Einkäufer erschienen in Hamburg und wollten sehen und kaufen. Endlich ein Stoff, den man international vertreiben konnte. Schimpansen findet jeder faszinierend und ungemein menschlich, in jeder Sprache.