Im Lande der Apartheid
Südafrika 1974
Gesegnet seien jene, die eine weiße Haut tragen, nur ihnen ist gestattet, dies schöne Land zu genießen. Apartheid ist Rassismus in Reinkultur. Ganz oben stehen die Weißen, darunter die Coloured People, also Inder und Chinesen, da ganz unten kommen die Schwarzen. Nach Hautfarben wird sorgsam getrennt.
Ich laufe in Johannesburg umher, sehe die getrennten Eingänge für Schwarz und Weiß an den Banken, an der Post, erblicke die schwarzen und weißen Bänke im Park. Die Menschen gehen aneinander vorbei, aber sie sehen sich nicht an, reden nicht miteinander, höchstens an der Tankstelle, im Laden, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Südafrika befindet sich in den Fängen der unseligen Apartheid. Sie ist erschreckend, diese strikte Trennung der RassenIch beobachte heutzutage zunehmend, dass Menschen das Thema, ob es Menschenrassen gibt, wohltuend entkrampft sehen. Sie sagen, es wäre doch töricht, offensichtliche äußere Merkmale bei Menschengruppen zu leugnen, die vererbbar sind und nach biologischen Maßstäben als Eigenschaften einer Rasse bezeichnet werden. Strikt abgelehnt wird jedoch, daraus eine Ideologie oder Religion zu entwickeln, die eine Wertigkeitsskala aufstellt und die Rassenmitglieder danach behandelt. Leider ist das in der Vergangenheit geschehen, aber deshalb dürfen wir doch natürliche Fakten nicht ignorieren oder abstreiten. Jeder Mensch, gleich welcher Rasse, hat seine Würde, und die ist unantastbar.Matiba, 10.09.2012, und sie gebärt den Hass, den Rassenhass.
Ich will das Land und seine Menschen kennenlernen, mir einen Eindruck der Atmosphäre der Apartheid verschaffen. In grauslicher Morgenfrühe sitze ich in meinem VW, das Tonbandgerät bereit mit frischen Batterien, hinten eine Kiste Bier für den Notfall. Eine Karte auf den Knien. In diesem Land denkt man rechts und fährt links. Man fährt langsam mit 80 km/h. Radarkontrollen überall. Tankstellen finden sich nur in den Ortschaften und auf einer Farm vielleicht. Die Straßen sind gut, stückweise Autobahnen, nach einer Stunde passiere ich das Städtchen mit dem vertrauten Namen Heidelberg, fahre weiter durch eine kahle Landschaft, überall steht hoch das Zuckerrohr auf den Feldern. Die politische Lage – so erzählt man mir, ist unruhig. Überall werden die kommenden Wahlen besprochen. Man erhofft sich danach einen stärkeren Einfluss der Conservation-Leute
, denn hier haben Naturliebhaber im Parlament keine Lobby, dafür um so mehr die Farmer. Wenn die für ihre Felder Wasser brauchen, werden von der Regierung Dämme gebaut, auch in den Tierparks. Um 10 bin ich in Warden, starker Regen setzt ein, ich fühle mich einsam in meinem Gehäuse, kaum ein Wagen passiert, die Straßen werden schmal. Mittags fahre ich in Pietermaritzburg ein, leiste mir einen schnellen Kaffee und frage mich durch nach dem Campus der kleinen Universität. Hier residiert der junge (weiße) Säugetiermann Dr. Meesters. Er hält Kleinsäuger und Schlangen in Käfigen. Sein wissenschaftliches Hobby sind Fledermäuse, Gartenschläfer und Golden Mole. Die NyalasDer Nyala (Tragelaphus angasii) ist eine südostafrikanische Antilope aus der Gruppe der Waldböcke. Zur Unterscheidung vom Bergnyala wird er manchmal auch als Flachlandnyala oder Tiefland-Nyala bezeichnet. Die Bezeichnung Nyala stammt aus dem Swahili.
Quelle: Wikipedia sollen schon auf der Roten Liste gefährdeter Tiere stehen, sie seien besonders angepasst an das feuchte Klima des Zululandes.
Um 10 holt mich ein typischer Wildlife Mann ab, man traut ihm zu, dass der blauäugige Riese eine Legende wurde. Ian Player war es, der der Serie Daktari
zum Welterfolg verhalf. Über 25 Jahre hat er versucht, durch ein riesiges Umsiedlungsprojekt das White Rhino zu retten. Ein schönes Buch hat Ian Player darüber geschrieben, und seine schwarzen Mitarbeiter kommen dabei nicht zu kurz, sein Verhältnis zu den Zulus ist ganz unverkrampft. Player kennt sie alle, die Geschichten der ersten Jäger, die Rhinos abschossen wie Hasen und wie Zulu-König Shaka von seinem Halbbruder ermordet wurde. Heute werden die Rhinos vom Hubschrauber aus mit modernen Drogen betäubt, dann mit LKW abtransportiert, in der Rhino-Boama akklimatisiert und an die Zoos der Welt verschickt.
Player hat eine Wilderness Leadership School
gegründet auf einem Gutshof in Pietermaritzburg, hier lernen junge Menschen aus aller Herren Länder in Kursen, wie man Spuren liest, wie man Lager errichtet und Tiere beobachtet, wie man ökologische Situationen einschätzt. Aber Zulus sind wasserscheu, erzählt der Leiter, und die indischen Mädchen allzu schwer zu bewachen, er möchte gern mehr europäische Jugendliche hier haben.
Die rote Erde von Natal spritzt mir so heftig gegen die Scheibe, dass meine Wischer nicht gegenan kommen, dabei gießt es in Strömen. Fast blind folge ich dem vorausfahrenden Landrover Ian Players, der mit dem Tempo gar keine Rücksicht nimmt und neuen Schlamm aufwirft. Endlich fahren wir in den Hof. Ein altes grün gestrichenes, fast könnte man sagen, heimeliges Kolonial-Stil-Haus mit großer Veranda und ganz aus Holz. Ich eile mich, ins Warme zu kommen. Uns empfängt eine riesige Küche, das Petroleumlicht leuchtet. In der hintersten Ecke, im Dustern nur zu ahnen, hockt eine tiefschwarze Gestalt mit weißen Haaren. Das ist Joe (einen eigenen Namen hat er auch), aber nicht irgendein Zulu, es ist der Urenkel von König Shaka, der einst die Engländer schlug. Wir trinken Kaffee, Ian redet seinen alten Mitarbeiter und Freund, der ihm immer half beim Umsiedeln der Rhinos, an in der völlig unbegreiflichen Klicklautsprache der Zulus an und bittet ihn, für den Besucher doch etwas zu erzählen. Das tut Joe, und er erzählt in Zulu, Ian übersetzt ins Englische. Eine fantastische Geschichte entsteht vor meinen inneren Augen. Da ist ein uralter Baum in der Savanne irgendwo. Und in den Jahreszeiten kommen die Tiere, die Gazellen, die Baumläufer, die Vögel, jedes Tier hat etwas anderes vor mit dem Baum, jedem gibt er Nahrung. Schließlich kommt der Mensch, wird er den Baum fällen? Spannend ist es in der stillen Küche, draußen rauscht der Regen, drinnen duftet der Whisky in den Gläsern. Ich bin gebannt und fern in der rätselhaften Vergangenheit dieses unbegreiflichen Landes und kann die Apartheid nun schon gar nicht mehr verstehen Dann bringt Ian mich in ein Verandazimmer, ich öffne das Fenster und lausche den mannigfaltigen Tönen des dichten Waldes, der nahe am Haus beginnt. Und träume von Nashörnern, die auf mich zu rennen, und ich kann nicht fliehen.
Es hat aufgeklart. Ian und ich fahren in den Queen Elisabeth Park. Game-Warden David Rowe-Rowe zeigt mir seine Lieblingstiere, er studiert das Fressverhalten des Fischotters, und erklärt mir den Weg zum 24.000 Hektar großen Mkuzi Park. Ich fahre los, auf einer belebten Landstraße, die rechts manchmal den Blick freigibt auf den leuchtenden Pazifik. Schwarze Kinder am Straßenrand halten Holzfigürchen von Elefanten, Krokodilen und Büffeln feil.
Schilder weisen mich zum Parkplatz. Weiter in ein Rund ganz runder Häuser mit Strohdächern. Das ist die Mkuzi-Lodge. Irgendwo bezahle ich meinen Obolus von fünf Rand plus zwei fürs Auto und bekomme die Schlüssel zum Häuschen Nr.5. Die Doppeltür mit feiner Moskitogaze lässt mich in ein sauberes Inneres, rund wie außen, mit kühlem Steinfußboden und hellem Holzmobiliar. Ein schwarzer Boy kommt grüßend und fragt nach dem Begehr. Mir ist nach Fleisch, ich ordere ein Steak mit Bier. Es ist totenstill, selten ein dumpfer Vogellaut. Nach einer halben Stunde erscheint der Boy, deckt fein sauber den Tisch und stellt das Fleisch darauf mit dem Bier. Ein Trinkgeld lehnt er ab. Ich probiere... kaue...
Es ist sauber gebratenes duftendes Schuhsohlenleder. Meine Zähne leiden, aber ich habe Hunger und bleibe tapfer. Ein paar Sätze ins Tonband und ich schlafe tief. Die Parks sind in Südafrika Nationaleigentum, sie sollen so unberührt wie möglich bleiben, deshalb erlaubt der Board keinerlei Kommerzialisierung in Form von Läden oder Restaurants. Bettwäsche sollte jeder selbst mitbringen. Zelten nur unter Aufsicht eines Rangers. Wegen der Zäune und Farmen in der Umgebung kann das Wild nicht mehr frei umherwandern, es tendiert zu Überpopulationen, deshalb hat der Board 1972 schon 20.000 Antilopen und 1.000 Rhinos in andere Gegenden umquartiert. Mkuzi hat Giraffen, Blue Wildebeest, Nyala, Steenbok, Zebras.
Die Nsumu-Pfanne ist in der Regenzeit überflutet und beherbergt Massen von Wasservögeln. Verstecke für beobachtende Touristen wurden überall gebaut. Streng verboten ist es, außerhalb des Camps zu Fuß zu gehen und Waffen zu tragen, man darf keine Geweihe wegnehmen und nicht im Fluss paddeln.
Es regnet immer noch, ich nehme mein karges Gepäck, schaue auf die Benzinuhr, noch was drin, und fahre los. Drei Stunden Landstraße, zwei Zulumädchen winken, ich lasse sie ein. Sie sitzen auf der hinteren Bank und malen sich an, zinnoberrot die Lippen, ein hinreißender Kontrast zur mahagonischwarzen Haut. Sie reden mit vielen Klicks, ich finde dabei nicht statt. Mitnehmen von Schwarzen ist bei Strafe verboten, aber ich kann die Damen doch bei dem Regen nicht auf der Straße stehen lassen, oder? Irgendeiner erzählte mir, bei schweren Verkehrsvergehen gäbe es im Johannesburger Gefängnis sogar die Prügelstrafe! Ich lade die Damen dort aus, wo sie hin wollten. Dann der Eingang des großen Umfolozi-Game Reserve. Auf dem Parkweg, der befahren werden darf, treffe ich den jungen Wildhüter Christoph Freeman, der mich in sein Häuschen führt und zeigt, draußen äsen friedlich die Giraffen hoch im Gezweig. Eine Familie Warzenschweine rast schwanzwedelnd über den Weg. Herden von Pavianen laufen umher. Es gibt wieder 1.500 Weiße NashörnerDas Nördliche Breitmaulnashorn (fälschlicherweise oft auch als Weißes Nashorn
bezeichnet) wurde erstmals 1908 wissenschaftlich beschrieben. Zu jener Zeit war es noch zahlreich vertreten. Großwildjäger schafften es binnen weniger Jahrzehnte, die Unterart überall auszurotten – mit Ausnahme des Garamba-Nationalparks, wo 1963 1.000 Breitmaulnashörner unter strengem Schutz lebten. In dieser Zeit begann allerdings die starke Nachfrage nach Hörnern wegen ihrer angeblichen Heilkraft in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) sowie wegen der Begehrtheit von Nashorndolchen als Status- und Männlichkeitssymbol bei der Oberschicht Jemens. Die Bereitschaft der Käufer in Ostasien und Jemen, selbst höchste Preise für illegal importierte Hörner zu zahlen, macht die Wilderei trotz aller Risiken staatlicher Verfolgung zu einem lohnenden Geschäft. Während wegen der relativen Stabilität die südlichen Breitmaulnashörner Südafrikas nie in solchem Ausmaß von Wilderei betroffen waren, konnte Zaire (später Demokratische Republik Kongo) keinen vergleichbar wirksamen Schutz liefern. Der Bürgerkrieg im Kongo, der seit 1997 ununterbrochen tobt, erschwerte die Schutzmaßnahmen. Die Schätzung der letzten überlebenden Population im Garamba-Nationalpark ergab im Jahr 2003 noch rund 40 Breitmaulnashörner. Seitdem ist der Bestand durch Wilderei immer weiter gesunken. Eine Bestandserhebung im Jahr 2008 konnte im Garamba-Reservat keine lebenden nördlichen Breitmaulnashörner mehr nachweisen. Die Unterart muss damit in freier Wildbahn als höchstwahrscheinlich ausgestorben angesehen werden. Nur sehr wenige Exemplare der nördlichen Unterart befinden sich noch in Gefangenschaft. Seit dem Jahr 2010 hat auch die Wilderei in Südafrika stark zugenommen, was mit der stärkeren Einflussnahme ostasiatischer Wirtschaftsorganisationen zusammenhängt.
Quelle: Wikipedia. Verstecke für das Filmen dürfen nur mit Dornengestrüpp erbaut werden, weil die Löwen hier überaus aggressiv seien. Der Park ist in einem vorzüglichen Zustand, der manchmal über die Ufer tretende Umfolozi bildet aber durchaus eine Gefahr. Es geht das Gerücht, man wolle den Umfolozi aufstauen, weil ein paar Zuckerrohrfarmer das wollen, das wäre das Ende des Parks und der White Rhinos. Der Park ist weit größer als Mkuzi und teilweise noch wilder. Hier wäre ich gern geblieben. Aber die Uhr läuft.
Ich fahre quer durch das Zululand, über Hlabisa, Nongoma, Sihlengeni, sechs Stunden durch eine wildromantische, einsame Gebirgslandschaft, hin und wieder ein Zuludorf, erstaunlich viel Wild. Rechtzeitig zum Abendbrot bin ich im Ort Vryheid, das nur aus alten Häusern und einer Tankstelle besteht. Mein Hotel ist ebenso alt und besteht aus Plüsch und Mief. An meinem Tisch sitzt ein unerfreulicher Handelsvertreter, der mir einen langen Vortrag hält über die unbezweifelbaren Vorteile der Rassentrennung, denn ohne diese würde der Staat untergehen, weil die Schwarzen gar nichts könnten, keine Technik, keine Landwirtschaft, überhaupt nichts. Mir wird das Geschwätz zu viel, ich begebe mich in mein Plüschzimmer und sitze in der Badewanne, die auf geschwungenen Füßen ruht.
Mit dem Frühesten zur Tankstelle, ich muss auch den Reservekanister füllen, denn am Wochenende sind alle Tankstellen geschlossen. Südafrika hat kein eigenes Öl und besorgt sich sein Benzin mit Hilfe eines deutschen Chemieverfahrens aus eigener Kohle. Ich fahre durch ein Land, das tellerflach und extrem langweilig ist, so dass ich immer in Gefahr bin einzuschlafen. Die Musik aus dem Lautsprecher ist auch nicht zum wachbleiben. Nach fünf Stunden ist es geschafft: Johannesburg.
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