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80er, 90er Jahre; das 21. Jahrhundert

1980
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Die 80er bis 90er und das 21.Jahrhundert
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Trapa NatansDie Wassernuss (Trapa natans), wie die mit ihr nicht näher verwandte Art Eleocharis dulcis auch Wasserkastanie genannt, ist eine Pflanzenart innerhalb der Familie der Weiderichgewächse (Lythraceae). Sie kommt in gemäßigten und subtropischen Zonen Europas, Afrikas und Asiens vor. Die einjährige Wasserpflanze ist in Deutschland vom Aussterben bedroht und steht seit 1987 unter Naturschutz. Archäologische Untersuchungen finden insbesondere in Osteuropa große Mengen von Wassernüssen, die die umfangreiche Verwendung in der Ernährung spätestens seit dem Neolithikum belegen. Auch im Umfeld der oberschwäbischen Pfahlbauten etwa am Federsee haben sie offensichtlich neolithisch eine wichtige Nahrungsgrundlage gebildet.
Quelle: By Dasha (Flickr.com - image description page) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons
Botanische Zeichnung der WassernussDie Wassernuss (Trapa natans), wie die nicht verwandte Art Eleocharis dulcis auch Wasserkastanie genannt, ist eine einjährige Wasserpflanze, die in Deutschland vom Aussterben bedroht ist und seit 1987 unter Naturschutz steht. Sie kommt in gemäßigten und subtropischen Zonen Europas, Afrikas und Asiens vor.
Bild: Original book source: Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz 1885, Gera, Germany, Quelle: Wikipedia.de
Fruchtkörper Trapa natansTrapa natans, Fruchtkörper. Quelle: von Steve Hurst @ USDA-NRCS PLANTS Database [Public domain], via Wikimedia Commons


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Trapa natans darf nicht sterben

Als Kinder hatten wir vom Bolzen auf der Straße immer wunde und blutende Knie. Kamen wir heulend nach Hause, ging Mutter auf das lehmige Feld hinter dem Haus und suchte ein paar Blätter des Spitzwegerichs. Die legte sie sanft um das Knie und band sie fest mit der Bandage. Am nächsten Morgen hatten die kühlen Blätter alle Schmerzen und Schwellungen weggeblasen. Und zum Schlafen gab es manchmal Nux vomicaDie Gewöhnliche Brechnuss (Strychnos nux-vomica, auch Strychnos colubrina Wight, Strychnos lucida R.Br., Strychnos spireana, Strychnos vomica), auch kurz Brechnuss oder Krähenaugenbaum, Strychninbaum oder Brechnussbaum genannt, ist eine Baumart aus der Familie der Brechnussgewächse (Loganiaceae), die in Südostasien beheimatet ist.Quelle: Wikipedia. Kräuter, Wurzeln, Früchte, Blätter - nichts davon fehlte in der Hausapotheke.

Im Kriege sammelten Schüler und Pimpfe auf den Feldern Brombeerblätter in großen Säcken und lieferten sie ab zur Verarbeitung. Nach dem Krieg pflückten wir Sauerampfer und Brennnesseln für den schmackhaften Salat. Und bald statteten Pharmakonzerne teure Expeditionen aus. In den tropischen Regenwäldern drehten sie jedes Blatt um und jede Wurzel auf der Suche nach bisher unbekannten heilenden Pflanzen, deren Inhaltsstoffe sich als Medikamente teuer vermarkten ließen. Indianische Schamanen hatten Hochkonjunktur als Ethnobotaniker, so wie die Kräuterweiblein in Oberbayern. Die Regenwälder wurden und werden genutzt als preiswerte Genreservoire und Lieferanten für Medikamente gegen alle möglichen Leiden der zivilisierten Welt. Kaum ein Verbraucher weiß, dass seine Pillen aus dem Urwald kommen. Die Phytomedizin wurde zu einem Milliardengeschäft, in dem die Deutschen führen. Nach einer Studie vom März 1999 stammen 80% der in Europa gehandelten Heil- und Gewürzkräuterarten aus der Wildnis.

Die Botanikerin Dagmar Lange ermittelte 150 europäische Pflanzenarten, die durch übermäßiges Sammeln in ihrem Bestand bedroht sind. Die fünf wichtigsten sind das Adonisröschen, die Echte Bärentraube, Arnika, Sonnentau und Gelber Enzian. Der Handel mit natürlichen Arzneistoffen, mit der ganzheitlichen Medizin führt zu einem globalen Raubbau. Rückkehr zu den Wurzeln? Es klingt so gesund, so biologisch und sauber, wenn einer davon schwärmt, wie Mutter Natur ihn von seinen Leiden erlöste. Dahinter steht der Raub an Gewachsenem. Wenn eine Art verschwindet, und das geschieht oft schneller, als man denkt, dann verschwindet mit ihr eine lange Evolution, und die ist nicht zu wiederholen, auch nicht mit modernster Gentechnik. Was hat es auf sich mit den gefährdeten Pflanzen in unserer Umwelt? Wir gingen auf Reisen.

Wir beobachteten am Rande Münchens die Biologin Annette Otte und die Studentin Margit Röger, wie sie geduldig die Feldraine absuchten und die gefundenen Ackerwildkräuter auf langen Listen registrierten. Ein Drittel der auf Äckern vorkommenden Wildkräuter sei durch die moderne Landwirtschaft mit ihren Giften gefährdet. Wir sollten uns abgewöhnen, sagte Frau Otte, jedes Kraut nach der Elle der Nützlichkeit zu messen, keine Lobby sei da, die etwa für den Persischen Ehrenpreis spräche. Und man solle aufhören, immer von Un-Kräutern zu sprechen, wie von Un-Geziefer.

Ihr Kollege Hans Michael Schober, wanderte mit uns auf die Randhänge der Frankenalp, zu den Weidedriften und SchafhutungenSchafbeweidung mit Hüteschafen ist eine traditionelle Bewirtschaftungsform der Kalkmagerrasen-Lebensräume.. Er hoffte, für die Nachwelt zu bewahren, was alte bäuerliche Weidewirtschaft schuf, den sogenannten Kalktrockenrasen – mit der schönen, gefährdeten Silberdistel. Da ist der Langstielige Klappertopf, der so heißt, weil die trockenen Samen in der Kapsel scheppern. Nebenan der geschützte Deutsche Enzian. An ganz trockenen Stellen siedelt das Bewimperte Perlgras, und das Ochsenauge würde bald verschwinden, wenn jemand den Rasen düngt. Dann müsste auch die lichthungrige Glockenblume der hochwüchsigen Konkurrenz weichen. Dass hier einmal Schafe weideten, deutet der Name an: Schafgarbe. Die Karthäusernelke ist woanders kaum noch zu sehen. Die Gesellschaft der Kalkrasen-Spezialisten ist hoch empfindlich. Um sie zu retten, müsste man wieder Schafe hierher treiben und die Büsche schlagen, doch wer bezahlt das? Pflanzengesellschaften, die nährstoffarme Böden lieben, lassen sich nur erhalten, wenn man auf Kunstdünger ganz verzichtet.

Wenn die Bagger den Kies abgetragen haben, bleiben große Bodenflächen zurück, die kaum Nährstoffe enthalten. Dr.Peter Jürging wanderte mit uns über sein wild wucherndes Testgebiet nicht weit von Manching. Um 1850 hatte man hier eine Bahnlinie gebaut, den rohen Kies ließ man liegen. Nach hundert Jahren hat sich daraus ein sekundäres Kalkflachmoor ausgebildet auf reinem Schotter, ein Paradies seltener Pflanzen und Tiere. Hier hat das früher häufige Schneideried eine Zuflucht gefunden. Hier blühte der seltene, ganzjährig geschützte Gefranste Enzian, der trockene Hänge liebt. Dort stand die Mehlprimel, die viel Feuchte braucht. Dicht am Boden die Fettwurz, der Ackerschachtelhalm, das Senfkraut. Auch das seltene Gelbe Zypergras gedeiht hier. Jürging forderte, man solle Kiesflächen nicht kultivieren, sondern sich selbst überlassen, das wäre ein sinnvoller und billiger Pflanzenschutz.

Kein Reisender sieht sie, und doch blühen sie an alten Bahndämmen – der Genfer Günsel, die Knautzie, das Seifenkraut, die Salvie, der Hauhechel, die Goldraute und die Coronilla varia. Friedrich Duhme lief die langen Geleise ab und genoss den Anblick der seltenen Bahn-flora. Hin und wieder trieb es ihn auf ein riesiges Kiesgebirge, wo schnelle Motorräder und Panzer Berg- und Talfahrt übten. Historiker wussten: Hier schufteten einst auf Befehl des Führers Tausende von Arbeitern, um einen fünf Kilometer langen Rangierbahnhof für München in die Landschaft zu setzen. Der Krieg ließ die Arbeiten ruhen. Es blieb ein Monument der Vergeblichkeit. Da niemand regulierend eingriff, niemand auf dem Gelände bauen konnte bzw. durfte, entstand auf den alten Gleisböschungen buchstäblich aus dem Nichts eine dichte Wildnis, ein Naturpark auf trockenen, nährstoffarmen Böden. Mit seltenen und sehr hübschen Blumen: Sonnenröschen, Große Braunelle, Glockenblume, Rosa Distel, Herbstzeitlose, Froschlöffel. Und ungezählten Insekten. Könnte hier ein Ökologiepark entstehen, fragte Duhme, ein Park, der den Besuchern aus der Stadt anschaulich vorführt, wie reich die Flora sein kann, trotz aller Gefahren, die ihr in unserer geordneten Umwelt drohen, u.a. von den ewigen Blumenpflückern.

Auch sehr alte Wirtschaftsformen lassen Landschaften entstehen, die ein reiches Pflanzenleben bieten. Erhard Bolender und Otto Aßmann zeigten uns die See- und Teichrosen auf den aufgestauten Fischteichen, die vor Jahrhunderten in der Oberpfalz von fleißigen Mönchen angelegt worden waren. Daraus entstanden Sümpfe und Moore, letzte Zufluchtsorte für Sumpfpflanzen, die mit 24% die größte Gruppe innerhalb der Roten Liste stellten. Der Gelbe Zweizahn gehört dazu, der Herzlöffel, den man für verschollen hielt. Dann sprach Bolender im Boot: Bei unseren letzten Wasserpflanzenkartierungen im Ingolstädter Raum stellten wir fest, dass eine sehr seltene Pflanze inzwischen fast ausgestorben ist: Die Wassernuss, Trapa natans. Vorsichtig hob er sie hoch, die schwimmenden Blätter der letzten Wassernuss. In den Fischteichen der Benediktinermönche vom Kloster Scheyern war sie vor kurzem noch zuhause. Einst wurde Trapa natans, die seltsam geformte Nuss mit dem Spitznamen Teufelskopf, geschätzt als Amulett, Sympathiemittel, als Heilmittel, Kaffee-Ersatz , Schweinemast und als Mehl für das Brot. Nur leere Nüsse schwammen noch auf dem Teich. Würde man die hübsche, geheimnisvolle Jesuitenmütze Trapa natans, retten können?

Loki Schmidt, Gattin des Bundeskanzlers, und hochinteressiert an allem, was blüht und grünt, sagte uns im Gewächshaus: Dieser Film zeigt nur einen Ausschnitt aus dem, was in Deutschland noch zu finden ist, aber auch er macht vielleicht deutlich, dass wir alles versuchen sollten, das, was noch da ist, zu erhalten, und nehmen Sie doch die Wassernuss als ein Symbol unserer Umwelt, die noch sehr reichhaltig ist, die aber dabei ist, sehr zu verarmen. Der Film erinnert an ein paar Pflanzenarten, die aus dem Leben verschwunden sind. Wir können nur trauern um Wesen, die früher jeder gekannt hat, weil sie zur heimischen Flora gehörten. Doch man entzog ihnen den Boden, veränderte ihre Standorte, ihre Umwelten. Sie konnten sich den neuen Bedingungen nicht anpassen. Sie starben aus und stehen nun im Museum der Verschollenen:

 

Cyperus badius
Ornithogalum sulphureum
Astragalus onobrychus
Gentiana amarella
Ononis natrix
Orchis spitzelii

Mit jeder Art, die verschwindet, wird unsere Welt ärmer. Das müsste vielleicht nicht sein.

  • Autor: Kurt Jürgen Voigt, München 1981 / Erinnerungswerkstatt, 5. September 2012
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