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Mit scheuen Indianern auf Du und Du

Als der portugiesische Kapitän Pedro Cabral um das Jahr 1500 Brasilien entdeckte, gab es dort annähernd drei Millionen rote Ureinwohner. Zu Hunderttausenden starben indianische Arbeitssklaven in den Zuckerrohrplantagen portugiesischer Kolonialisten, das Gummifieber des 19. Jahrhunderts brachte eine Welle unvorstellbaren Terrors. Mit dem weißen Mann kamen nicht nur Grausamkeit und Habgier, es kamen Krankheiten, denen die Indianer wehrlos ausgeliefert waren. Mariano da Silva Rondon gründete zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Indianer- Schutzdienst und gab seinen Mitarbeitern die Devise: Stirb, wenn du musst, aber töte nie! Zu diesen Männern gehörte Harald Schultz, Sohn eines deutschen Arztes. Ich traf diesen erstaunlichen Mann in Bad Homburg, und er erzählte mir lebhaft von seinen Erlebnissen im Dschungel des Amazonas. Seine Berichte klangen, als kämen sie aus einer anderen Welt, in der andere Gesetze herrschen als in unseren Breiten.

Einmal, so berichtete Harald, stieß ihm ein Xavante-Indianer das Messer tief in die Schulter, weil er kein Geschenk erhalten hatte. Schultz rächte sich nicht. Im folgenden Jahr kehrte er zurück und schenkte seinem Angreifer ein neues Messer. Der beschämte Stamm machte den Weißen zum Ehrenmitglied. Haralds Vater war 1914 als Truppenarzt nach Deutschland geeilt, um in der alten Heimat Dienst zu tun. Sohn Harald ging hier bis zum Tode des Vaters zur Schule. 1924 wieder in Brasilien, begann er ohne alle Mittel, in verschiedenen Berufen des Handwerks und Handels zu arbeiten. Lehrberufe gab es noch nicht, er musste sich durch Zusehen das Nötige aneignen. Es waren harte Jahre. Die Erlösung kam in Gestalt der ersten selbst verdienten Schmalfilmkamera. Gleich der erste Tierfilm wurde von der Agfa mit einem Glückwunsch belohnt. Ein späterer Dokumentarbericht über den Eisenbahnbau erweckte das Interesse des Diktators Vargas. Der machte ihn zum technischen Berater der staatlichen Filmzensurkommission. Nebenher lernte Schultz mit Ausdauer fotografieren, sein Name als Industriefotograf bekam einen guten Klang. Es folgte die Einladung Rondons, eine eigene Abteilung innerhalb des Indianer-Schutzdienstes aufzubauen. Schultz baute ein völkerkundliches Filminstitut auf, es wurde später zum Vorbild für andere. Man gewährte ihm ein Regierungsstipendium, er konnte drei Jahre lang Anthropologie, Zoologie und Ethnologie studieren.

Das Wichtigste blieben seine Expeditionen in das noch unerforschte Gebiet des Amazonas und seiner Zuflüsse, wie dem Rio Negro. Zwanzig Jahre lang ist Schultz jedes Jahr mindestens vier Monate im Urwald gewesen, allein, ohne festen Plan. Wie von einem Instinkt getrieben, fand er immer wieder neue, unbesuchte Indianerstämme. Er war bei den Umutina, den Kashinana, den Krahó, bei den Suyá, den Karayá und vielen anderen. Oft brauchte er Wochen, bis er Sprache und Mythos – grundverschieden von Stamm zu Stamm – erlernt hatte. Bis er wusste, wie die Kraho ihre Gewässer mit Pflanzensäften vergifteten, um Fische zu fangen. Der große wissenschaftliche Extrakt der Reisen wurde in 16-mm Filmen, Tonbändern und Fotoserien niedergelegt. Schultz war unendlich stolz, als National Geographic einige seiner Farbbilder in sein Heft aufnahm, das war für ihn wie ein Nobelpreis.

Seine Indianer kannte und liebte Harald wie kaum ein anderer. Es sind entzückende Menschen, immer gastfreundlich und mit großem Vertrauen, erzählte er mir. Schultz finanzierte nicht nur seine Expeditionen selbst, sondern auch die vielen Gastgeschenke und Medikamente, die er mitnahm zu seinen braunen Kindern. Die kostbaren Masken und Schnitzereien, die er geschenkt bekam, stiftete er einem Museum. Oft brachte er einen halbverhungerten, kranken Indianer mit nach Hause, pflegte ihn gesund und brachte ihn zurück. Nebenbei ist der sympathische Forscher auch noch der Entdecker des legendären Tropenfisches Blauer Diskus, ein Star vieler Aquarienfreunde. Er war es, der das erste Paar unter großen Mühen nach Bad Homburg brachte, wo es in den Aquarien des Frauenarztes Dr. Schmidt-Focke eine neue Heimat fand.

Ich fuhr mit Harald nach Göttingen. Wir wurden empfangen von dem Leiter Dr. Luther des Instituts für den wissenschaftlichen Film. Gemeinsam mit dem großen britischen Forscher David Attenborough besahen wir einige hundert Meter seines wundervollen Farbmaterials vom Amazonas. Attenborough kaufte schöne Szenen ein für seine Sendungen in der BBC. Das Göttinger Institut hat viel beachtete Kurzfilme mit ethnologischen Inhalten und sorgsamen Beschreibungen für den Unterricht gefertigt.

Ich möchte noch zehn oder zwanzig Jahre in den Urwald gehen und eines Tages auch dort sterben, sagte Harald mir zum Abschied. Es war eine Vision. Freunde berichteten mir viel später, Harald sei von einem eifersüchtigen Mann im Zelt bei einer braunen Dame erwischt und erstochen worden.

Für mich war Harald Schultz ein Denkmal selbstloser Forschung in einem unbekannten Gebiet bei Menschen, die hier in Europa niemand kannte. Niemand je verstand. Harald berichtete von einem untergehenden Volk.

  • Autor: Jürgen Voigt, Bad Homburg 1961 / 29. Oktober 2012
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