Mit Eiern konnte man mich jagen!
Ich war als Kind unheimlich schnäubisch, was Essen anbelangte. Ich mochte kein Fleisch, keine Zwiebeln in der Soße und vor allem keine Eier, weder gekochte noch gebackene.
Das Fleisch tauschte ich mit meinen Schwestern gegen Gemüse und die Soße musste immer durchgesiebt werden. Auf Eier verzichtete ich voll und ganz. Mir wurde auch nie verraten, dass ein Ei in den Blumenkohl verrührt wurde.
Es war 1950 gewesen, also zu der Zeit, wo es noch nicht alles wieder gab. Ich ging auch noch nicht zur Schule. Im März 1950 kam ich mit Blaulicht ins Krankenhaus. Ich hatte eine doppelseitige Lungenentzündung. Ich erinnere mich noch genau daran, dass ich nicht sofort in den Kindersaal kam, sondern mein Bett allein in einem gekachelten Bad stand. Dass das ein sehr schlechtes Zeichen war, habe ich erst viel später erfahren, und wenn ich damals kein Penicillin bekommen hätte, wär es für mich sicher bös ausgegangen. Meine Mutter erzählte mir später, dass ich acht Tage mit dem Leben gekämpft habe.
Aber auch wenn diese Medizin die schlimmen Folgen der Lungenentzündung bekämpfte, irgendetwas habe ich nicht vertragen. Jedenfalls bekam ich am ganzen Körper einen Ausschlag und die Ärzte wussten nicht, ob es die Masern oder Pocken oder sonst was war. Jedenfalls kam ich wieder in ein Einzelzimmer, nicht auf der Kinderstation sondern in der Infektionsabteilung ein paar Häuser weiter! Es stellte sich aber Gott sei Dank heraus, dass das doch mit den Penicillingaben zusammenhing. Ich reagierte eben anders als die anderen Kinder auf diese Medizin.
Nachdem dieser Ausschlag abgeklungen war, kam ich zurück auf die Kinderstation, und zwar in den großen Saal, wo wir dann zu sechst lagen. Obwohl wir alle ziemlich krank waren, war das doch eine quirlige Gruppe.
Die Schwestern achteten bei mir besonders darauf, dass ich meinen Teller leer aß, denn ich sollte ja wieder zu Kräften kommen. Auch bekam ich morgens immer eine Kalktablette
, die ich sehr gerne mochte. Als es dann einmal Spinat mit Kartoffelpüree und einem gebackenen Ei gab, habe ich das nicht essen wollen. Ich schob den Teller einfach weg und ließ mich auch nicht belehren, dass es doch ein gutes Essen wäre und ich nur, wenn ich den Teller leer essen würde, wieder zu Kräften käme. Spinat und Püree mochte ich ja. Die Schwestern wussten sich keinen Rat und so riefen sie den Kinderarzt. Ich mochte diesen Kinderarzt sehr, weil er sich sehr um mich sorgte und überhaupt sehr beliebt bei uns Kindern war. Außerdem hatte er den herrlichen Namen Dr. Hase
. Er setzte sich zu mir aufs Bett und redete gütlich auf mich ein, dass es doch ganz toll wäre, einmal ein gebackenes Ei zu probieren. Weil ich ihn sehr mochte, überwand ich alle Scheu und probierte das Ei. Ich stellte überraschend fest, dass es sehr lecker schmeckte. Ich bekam auch eine Belohnung dafür. Seit dieser Zeit kann ich gebratene Eier essen …
Gekochte Eier habe ich Jahre später erst - aber auch nicht sehr begeistert - gegessen. Ich glaube, das war auf Mallorca, als ich mit meiner Mutter dort als 17-Jährige den ersten Auslandsurlaub machte. Ich kann heute noch nicht diesen wässrigen Glibber ab, der sich meist bei den nicht ganz durchgekochten Eiern bildet. Dabei mag ich aber auch kein hartes Eigelb – ich hab da immer noch meine Probleme.
Keine Probleme hatte ich mit Brot und Wurst. Wir waren vier Geschwister, meine Mutter arbeitete als Witwe nach dem Krieg bei den Adler-Werken in Frankfurt/M. Mein Bruder und die beiden Schwestern waren um einiges älter als ich, gingen zur Schule, und ich war Schlüsselkind. Oft holte ich die Mutti von der Arbeit ab, dann kamen wir bei der Metzgerei Borst
vorbei, bei der es für mich jedes Mal ein Stückchen Gelbwurst über die Theke gab. Wir bekamen vom Metzgermeister auch immer ein preiswertes Päckchen
, so nannte man bei uns die aus verschiedenen Wurstsorten zusammengestellten Wurstenden und Abschnitte, die nicht mit dem Aufschnitt verkauft wurden. Beim Auspacken war es dann immer wie Weihnachten - jeder bekam das, was er gerne aß, aber es blieb auch noch Aufschnitt für den anderen Morgen übrig, der dann auf Muttis Brot gelegt wurde, das sie mit zur Arbeit nahm. Oftmals passierte es auch, dass meine älteste Schwester vorher soviel von der Wurst genascht hatte, dass die Frühstücksbrote für meine Mutter ziemlich dünn belegt wurden. Abends gab es zu Hause dann jedes Mal Protest.
Wir waren damals Anfang der 1950er Jahre immer noch eine verfressene Bande
und verbrauchten täglich ein Dreipfundbrot
. Ich holte es meist am Abend ab, es war dann extra für uns zurückgelegt worden. Aber auch wenn es gut eingewickelt war, mit den Knärtzchen guckte es raus und oft genug war es angeschoben
. Es gab also eine herrlich durchgebackene Kruste, die man abbrechen konnte. Ich habe nie widerstehen können und brauchte dazu weder Butter noch Wurst – so toll schmeckte dieses knackige Stückchen Brot. Aber es gab regelmäßig Schimpfe, weil Mutti ja anständige Scheiben schneiden wollte.
Heute gibt es so etwas leider nicht mehr