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1949 bis 1989 - 40 Jahre DDR

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Leben in der DDR — 40 Jahre Diktatur
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Reisen in die Ostzone

Ich saß 1963 mit meiner zweijährigen Tochter im Zug nach Gera. Gera lag in der DDR im Westen seit Kriegsende sowjetisch besetzte Zone oder kurz Ostzone genannt. Monika sollte Oma und Opa kennen lernen.

1960 hatte ich meine Schwiegereltern und meine Schwägerin in Berlin kennen gelernt. Zu unserer Hochzeit durften sie nicht kommen, 1961 war die Berliner Mauer gebaut, die den Osten von dem Westen abschirmen sollte.

Da Werner, mein Mann, 1957 aus der Ostzone geflüchtet war, konnte er jetzt nicht mitfahren. Er befürchtete, dass man ihn an der Grenze wegen Republikflucht verhaften würde. Aber für Monika und mich hatten wir eine Einreisegenehmigung bekommen.

Ich war sehr aufgeregt, denn eine Reise nach drüben war eben nicht eine Reise wie z. B. nach München oder Köln. Wir mussten einen Zettel ausfüllen, was wir an Schmuck (auch der Ehering zählte dazu), Armbanduhr, Geld, Geschenken, Lebensmittel (Kaffee, Schokolade etc.) bei uns hatten. Außerdem brauchten wir den Reisepass und ein Visum für die Zeit des Aufenthaltes.

Die Fahrt ging über Hannover zunächst bis Bebra – das war der Grenzbahnhof.

Im Zugabteil herrschte beklemmendes Schweigen, nur Monika lockerte mit ihrem Plappern ein bisschen die Stimmung auf.

In Bebra stoppte der Zug. Über Lautsprecher-Durchsage wurden wir aufgefordert, unsere Plätze nicht zu verlassen. Angesichts der draußen aufmarschierenden Grenzer mit großen Schäferhunden hätten wir das bestimmt nicht gewagt. Die Abteiltür wurde aufgerissen: Die Pässe! forderte forsch eine Frau in Uniform. Mit verkniffenem Gesichtsausdruck musterte sie die Pässe und uns. Dann kam männliche Verstärkung. Wem gehört der Koffer? fragte der Beamte auf meinen Koffer zeigend. Ich zuckte zusammen. Mir sagte ich erschrocken. Runterholen und öffnen! Ein Mitreisender wollte mir helfen und wurde sofort auf seinen Platz verwiesen. Vor Aufregung kriegte ich den Koffer nur schwer auf, was mich wohl verdächtig machte. Der Koffer wurde durchwühlt bis das Unterste oben lag und alles durcheinander war. Mir lief der Schweiß am Körper runter – ich hatte doch nichts Besonderes eingepackt. Endlich durfte ich den Koffer wieder schließen, es gab nichts zu beanstanden. Ich presste die ganze Unordnung zusammen und war froh, als der Beamte das Abteil verließ. Einige Leute wurden sogar aus dem Zug geholt und mussten in einem abgeschlossenen Raum alles auspacken - das war mir erspart geblieben.

Nach ungefähr einer Stunde setzte sich der Zug wieder in Bewegung. Aber ich hatte das Gefühl, gefangen zu sein und hoffte, dass die Rückfahrt nicht wieder so aufregend würde.

In Gera wurden wir freudig begrüßt. Endlich konnten meine Schwiegereltern ihr Enkelkind in die Arme schließen. Auch mich hatten sie ja erst einmal gesehen, nur brieflich hatten wir uns viel erzählt.

Die große Wohnung der Familie lag am Stadtrand und war für die Verhältnisse in der Ostzone fast luxuriös. Es war sicher eine Dienstwohnung (mein Schwiegervater arbeitete bei der Wismut in gehobener Stellung).

Während unseres Aufenthaltes in Gera gab es eine große Familienfeier: meine Schwägerin Karin verlobte sich mit Rainer. Ich habe gestaunt, wie toll die Menschen feiern konnten, lebten sie doch für meine Begriffe eingesperrt und nur mit den nötigsten Lebensmitteln versorgt. In den Schaufenstern des Gemüsegeschäftes lag Rotkohl und Weißkohl – sonst nichts. Keine Apfelsinen, keine Bananen, ein paar schrumpelige Äpfel – das war alles. Doch die Menschen tauschten und sammelten für so ein Fest, was nur möglich war. So gab es Hähnchen- und Kaninchenbraten, Gemüse von Schrebergärtnern und Früchten aus Dosen, die aus dem Westen geschickt oder mitgebracht waren. Sie waren aufbewahrt für diese Feier. Es wurden Spiele gespielt, getanzt und gelacht und den Twist konnten sie besser tanzen als ich.

Monika und ich hatten eine schöne Zeit und alle waren traurig, als wir wieder abfuhren. Tränen flossen, denn wer wusste schon, ob so ein Wiedersehen noch einmal möglich war. Die Behörden mussten ja gefragt werden und ob sie die Einreise genehmigen würden, stand in den Sternen.

Im Zug herrschte wieder bedrückende Stille. Tränen wurden getrocknet. Man hoffte, ohne Kontrollen durch zu kommen. Monika hatte die neuen Schuhe schon ein paar Mal getragen, damit sie nicht neu aussahen – Schuhe durften nicht ausgeführt werden. Auch die neuen Aussteuer-Handtücher hatten wir gewaschen, etwas zerknüllt und Schilder rausgetrennt. Die Verwandten wollten uns doch auch etwas schenken, aber fast alles war verboten.

Vorbei an grauen Städten, durch ungastliche Bahnhöfe fuhr der Zug nach Bebra. Wieder musste ich den Koffer öffnen. Der Mief von schmutziger Wäsche hat mich vielleicht vor einer großen Wühlaktion gerettet. Der Grenzer rümpfte nur die Nase und ich durfte den Koffer wieder schließen.

Als der Zug die Grenze passiert hatte, ging ein Aufatmen durchs Abteil. Plötzlich wurden die Mitreisenden gesprächig. Jeder erzählte von den kleinen verbotenen Geschenken im Koffer. Mein Gewissen schlug nicht mehr Alarm und Monikas Schuhe waren nicht von den Kontrolleuren bemerkt worden.

Trotz vieler Unannehmlichkeiten auf diesen Reisen bin ich noch oft nach Gera gefahren, immer war es aufregend. Später ging die Fahrt über Leipzig und wenn ich heute den Bahnhof sehe, kann ich es nicht glauben, dass es der gleiche Bahnhof ist, der jetzt im Glanz der Geschäfte und Lokalitäten strahlt und damals nur grau und deprimierend auf mich gewirkt hat. Es war ein Albtraum, hier eine Stunde Aufenthalt oder mehr zu verbringen.


  • Autorin: Renate Rubach, August 2006
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