Alte Zöpfe
Wie hat sich doch in den letzten Jahrzehnten in dieser so schnelllebigen Zeit so vieles verändert! Wenn ich an meine Kindheit denke, da machten die kleinen Mädchen noch einen Knicks, wenn eine erwachsene Person begrüßt wurde. Von den Jungen erwartete man einen Diener. Man gab die schöne
Hand, also die rechte. Ich erinnere mich, dass Schwester und Bruder der Eltern grundsätzlich mit Tante und Onkel angeredet wurden. Auch den Kindern vertraute Personen, die nicht zur Familie gehörten, wurden so tituliert. Heute benutzt man den Vornamen der jeweiligen Person. Die Anrede Onkel
und Tante
ist ziemlich passee.
Auch mit dem Du
wird es viel lockerer gesehen. Die Generation der unter 50-jährigen duzt sich, abgesehen von einigen Ausnahmen grundsätzlich. In manchen Praxen duzen sich Ärzte mit dem Personal. Sieht man mal auf Clubs, Vereine, Spielkreise, so verzichtet man dort gern auf das Sie
, was den Vorteil hat, dass unter Gleichgesinnten schneller Nähe und Vertrauen aufkommen.
Gut ist auch, dass es die Anrede Fräulein
nicht mehr gibt. Selbst unverheiratete Frauen, die sich schon im fortgeschrittenen Alter befanden, oder gar ein uneheliches Kind hatten, wurden mit Fräulein
angeredet. Allerdings gab es auch die Alte Jungfer
die großen Wert auf diese Anrede legte. Ich habe mich ab meinem 25. Lebensjahr (1960) und meiner unehelichen Schwangerschaft grundsätzlich mit Frau anreden lassen, wobei ich bei vielen Leuten auf Erstaunen gestoßen bin.
Frage: Warum gab es denn keine Herrlein?
Man stelle sich vor, das bei einem unverheirateten Mann im Alter eines Großvaters!
Über eine Frau, die ein uneheliches Kind bekam, wurde sich vor vielen Jahren gern das Maul zerrissen, obwohl andere, die es toll trieben, einfach nur das Glück hatten, dass nichts passierte. Heute regt sich kein Mensch mehr über so ein gefallenes
Mädchen auf.
Überhaupt, die damalige Moral! Wenn ich noch an den Kuppelparagrafen
denke! Um 22:00 Uhr war Zapfenstreich. Als ich 21 Jahre alt und verlobt war, wurde mein Liebster durch seine Firma, nach Berlin versetzt. Ich besuchte ihn an einem Wochenende und hatte mich in einer nahe gelegenen Pension einquartiert. Er wohnte in einem möblierten Zimmer. Mit dem Gongschlag 22:00 Uhr, wurde von der Wirtin an die Tür geklopft und gesagt, dass es für mich an der Zeit wäre, das Zimmer meines Verlobten zu verlassen. Für uns gab es keine Uhrzeit und für das Anklopfen, das sich am nächsten Abend wiederholte, hatten wir nur ein müdes Lächeln. Frage: Warum war es vor 22:00 Uhr keine Kuppelei?
Eine Entwicklung, die allerdings sehr langsam voran ging und die man seit Kriegsende beobachten konnte, war die wilde Ehe. Kriegerwitwen, lebten mit neuem Partner in einer so genannten Onkelehe
, um sich die Witwenrente zu erhalten. Die wilde Ehe ist heute eine weit verbreitete Lebensform. Man spricht von seinem Lebensgefährten, und nennt ihn auch mein LAG
, was so viel heißen soll, wie Lebensabschnittsgefährte
.
In heutiger Zeit ist der Vater, der sich liebevoll - auch in der Öffentlichkeit - um den Nachwuchs kümmert, etwas Selbstverständliches. Dagegen schob in früheren Zeiten kaum ein Mann einen Kinderwagen. Es galt als unmännlich! Wenn man bedenkt, dass heute die werdenden Väter beim Ultraschall, bei der Schwangerschaftsgymnastik, selbst bei der Geburt dabei sind, ist das doch eine sehr positive Entwicklung.
Sich eine sehr viel jüngere Partnerin zu nehmen, ist heute nicht mehr nur ein Privileg der Männer, nein, auch Frauen verlieben sich gern und immer öfter in jüngere Männer.
Wirklich schade ist, wie mit unserer Sprache umgegangen wird. Es wird oft ein sehr schlechtes und nachlässiges Deutsch gesprochen. Sprache ist auch immer Kultur eines Landes. So wird der riesige und schöne Wortschatz, den die Deutsche Sprache hat, wenig genutzt. Dass wir, da wo es angebracht ist, das Englische und auch die Computersprache nutzen können, ist wunderbar. Aber warum sind unsere Kinder nun unsere Kidis
oder Kids
? Warum wollen viele Ausländer, die ständig bei uns leben, unsere Sprache nicht lernen? Warum ist es bei vielen Menschen nicht mehr in
, deutsch zu reden?
Ganz widerlich aber ist doch die Fäkalsprache, die immer gesellschaftsfähiger wird! Bei bestimmten TV-Sendern kann man beobachten, je widerlicher es verbal zugeht, je lauter ist der Beifall!
Es hat immer positive und negative Entwicklungen gegeben. Das kann auch durch nichts und niemanden aufgehalten werden!