Skifahren lernen in den 60er Jahren
Meine Frau kam im Sommer 1962 mit der Idee nach Hause, mit Freunden in den Winterurlaub zu fahren. Natürlich war ich von der Idee anfangs nicht begeistert. Als Hamburger in den Winter zu fahren, um das Skifahren zu erlernen, was für ein Blödsinn! Aber wie das nun mal so ist mit der holden Weiblichkeit, immer wieder das Thema auf den Tisch und irgendwie kriegt man den Kerl schon weich geknetet.
Dann ging es los, Ausrüstung kaufen. Skistiefel, Keilhose und Anorak. Die Ski, so sagten unsere Freunde, kann man vor Ort mieten. Ich dachte mir, wenn mir die Sache nicht gefällt, Jacke und Hose, damit kann man, auch bei uns im Winter spazieren gehen. Die Stiefel damals waren aus weichem Leder, damit hätte man auch wandern können.
Also saßen wir Anfang Februar 1963 bei unseren Freunden mit in ihrem VW-Käfer. Die Reise ging nach Österreich, in das Gschnitztal. Das ist ein Seitental des Wipptales und der Ort hieß Gschnitz. Die Reise dauerte 14 Stunden.
Unsere Pension hieß Alpenrose
und der Wirt Hans Schafferer. Weil unsere Freunde früher schon einmal dort waren, kam der Wirt gleich aus dem Haus gestürmt nd begrüßte uns herzlich mit einem Glas Obstler. Der ging mir gleich durch, bis in die Kniekehlen, weil ich um Alkohol immer einen großen Bogen gemacht habe.
Das Auto blieb vollgepackt und mit weit offenen Türen erst einmal vor der Alpenrose stehen. Denn es mussten ja erst die anderen Gäste mit reichlich Obstler begrüßt werden. Zwischendurch bekamen wir noch ein Abendessen serviert. So kam es denn dazu, dass ich volltrunken und mit wackelnden Knien um Mitternacht unsere Koffer in die erste Etage schleppen musste. Das Zimmer war geräumig und hatte einen Waschtisch. Toilette und Vollbad waren auf dem Flur und wurde von allen Leuten, deren Zimmer am Flur lagen, benutzt. Wir waren alle genügsam und anspruchslos und es gab keinerlei Reibereien.
Der erste Morgen am Frühstücktisch war für mich nicht ganz einfach. Denn ich hatte einen Riesenbrummschädel. Alle Leute im Raum hatten nur ein Thema Skifahren
. Ohne unser Zutun waren wir schon bei der Skischule angemeldet und die Leihski waren auch schon bestellt.
Die Ski holten wir im Gemischtwarenladen des Ortes ab. Es waren Holzski mit angeschraubter Stahlkante. Die Saufkumpanen des Vorabends drehten und schraubten an der Bindung herum und sagten: Alles OK!
Die Ski waren 210 cm lang, sie überragten mich um einiges. Dann ging es los zum Übungshang, der nannte sich Kirchhang
. Der Zugang zum Hang lag zwischen der Kirche und einem Bauernhof, der hatte vor der Tür einen großen Misthaufen. Die Freunde nannten ihn die Notbremse
.
Unser Skilehrer hieß Hans, ein kleiner, untersetzter, Austria 3
rauchender Mann. Wie wir später erfuhren, war er der beste Rennfahrer des Ortes. Als erstes brachte er uns den seitwärts Treppenschritt bei. Den brauchten wir, um aufwärts zu unserem Übungshang zu gelangen. Schon nach wenigen Metern war ich vor Angst und Enträftung völlig durchgeschwitzt. Es hatte in der Nacht geschneit, also mussten wir unseren Übungsplatz erst einmal mit den Skiern festtreten.
Unser Kurs bestand aus 6 Leuten, 4 Männlein und 2 Weiblein. Die erste Übung war der Schneepflug, oh war das eine Schinderei, ich mit meinen langen Skiern hatte es besonders schwer. Andauernd lag ich auf der Nase, ich hatte das Gefühl, dass ich mehr unter dem Schnee als auf dem Schnee agierte. Den anderen ging es nicht anders und wir lachten uns kringelig. Man lernte auch, über sich selbst zu lachen und das tat gut. Ich hatte immer das Gefühl, die Ski machten mit mir, was sie wollten. Das lag aber auch daran, dass die Stiefel sehr weich waren, man hatte keine feste Verbindung mit dem Ski.
Was an der Übung so komisch war, man musste sich mit dem Oberkörper und viel Körpergewicht nach links legen, wenn man rechtsrum wollte. Das muss man erst mal begreifen.
So kämpften wir uns die 14 Tage voran. Es fing an, Spaß zu machen. So viel gelacht hatte ich lange nicht mehr. Einmal rutschten einer Freundin die Beine wie im Spagat auseinander und die Skihose riss vom hinteren Bündchen bis zum vorderen auseinander und es kam ein roter Schlüpfer in Sicht. Vor lauter Lachen warfen wir uns alle in den Schnee und fingen uns kaum wieder ein.
Abends war man so richtig geschlaucht. Aber nach dem Abendessen in der Alpenrose war man wieder fit. Dann fing das Nachtleben an. Die Tür zur Bar war nur zu einem Spalt breit geöffnet, weil dahinter auf einem Barhocker Elke saß mit einem großen Soßenlöffel voll Jägermeister. Den musste jeder beim Eintritt schlucken. Es hieß immer: Schluckimpfung gegen uneheliche Kinder!
Wenn dann alle anwesend waren und jeder seinen Rotwein vor sich hatte, wurden lauthals die Erlebnisse des Tages erzählt und dabei hatten alle viel Spaß. Die Musik kam vom Plattenspieler und es wurde bis spät in die Nacht getanzt.
Der kleine Ort hatte ein Wasserkraftwerk, das wurde von einem kleinen Wasserfall angetrieben. Wenn es sehr kalt war, kam nur wenig Wasser den Berg herunter und dann wurde automatisch ein Dieselaggregat eingeschaltet. Mit der Anlage stimmte etwas nicht, denn wenn wir so richtig am Tanzen waren, fingen die Lampen an zu flackern und die Musik wurde leierich, bis es dunkel wurde. Dann kam der Wirt mit brennenden Kerzen angerannt und wir hatten nun- Partybeleuchtung. Aber nach einer Weile kamen aus dem Plattenspieler komische Geräusche, das Licht fing an zu flackern und die Party nahm wieder ihren Lauf.
Dann kam der Tag, an dem wir mit dem Schlepplift fahren sollten. Nach etlichen Stürzen hatten wir auch das gelernt. Den Hang hatten wir bis dahin ja nur von unten gesehen. Als wir dann das erste Mal ganz oben standen, wurden uns doch die Knie weich. Aber unser Hans nahm uns durch Reden die Angst und siehe da, wir kamen unten an und landeten nicht im Misthaufen.
Den Mann, der den Lift fuhr, nannten wir: Liftboy!
Er war aber auch der Kirchendiener und deswegen musste er immer täglich um 11.50 h den Lift abschalten, in die Kirche rennen, um das Zwölfuhr- Geläut einzuschalten. Ihm war es dabei völlig egal, ob noch jemand im Lift hing oder nicht. Dadurch entstanden für so manch einen unangenehme Situationen.
Abends in der Alpenrose war der Bürgermeister anwesend. Wir sprachen mit ihm über die für uns unangenehme Sache. Er sagte uns, das Material (Schaltuhr usw.) sei vorhanden, aber die Gemeinde hätte das Geld nicht für die Montage. Einer der Skifreunde und ich waren Elektriker und wir erhielten vom Bürgermeister den Auftrag, das Geläut zu automatisieren. Für uns war es ein Spaß und eine knappe Stunde Arbeit. Seitdem hatte dasÖrtchen Gschnitz sein automatisches Mittagsgeläut und wir unseren Liftboy.
Als es dann heim ging, waren wir braun gebrannt und fühlten uns, als könnten wir Bäume ausreißen. Und eins stand fest, im nächsten Jahr sind wir wieder dabei.
In den kleinen Ort fuhren wir 10 Jahre jeden Winter der Geselligkeit wegen. Aber skifahrerisch kamen wir dort nicht voran. Wir fingen dann an, in große Skigebiete zu fahren. Und wir wurden sehr gute Skifahrer.
Heute blicke ich auf über 40 Jahre Skifahren zurück und möchte davon nicht eine Stunde missen.