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Die 50er bis 70er Jahre, Nierentisch und Tütenlampe
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Boing 707Eine Boing 707 der Air India 1976 - Foto: Eduard Marmet / CC BY-SA 3.0 GFDL, Wikimedia Commons 360 PS SchlepperMit einem 360 PS starken Schlepper auf die Waage. Foto: Bernd Herzog Turbinenschlepper SchopfDer noch größere Turbinenschlepper Schopf F206 mit 360 PS. Foto: Bernd Herzog


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Schabernack

Es war in den 1970er Jahren. Die viermotorige Boing 707 war der Star unter den Langstreckenflugzeugen. Alle vier Wochen bekamen wir eine neue 707 zum D-Check nach Hamburg in die Lufthansa Werft. Der sogenannte D-Check musste alle fünf Jahre durchgeführt werden. Es war so ähnlich wie der TÜV beim Auto oder das Klasse machen beim Schiff. Nur viel, viel aufwändiger.

Das Flugzeug wurde vollständig zerlegt. Sitze, Küchen, Toiletten, Fußböden, Isoliermatten und Fenster wurden aus der Kabine ausgebaut. Das Fahrwerk, die Landeklappen, das Seiten- und die Querruder abgebaut. Alle Getriebe- und Elektromotoren ebenso. Alle diese Teile kamen nun in die entsprechenden Werkstätten, wo sie aufgearbeitet wurden. In der Zwischenzeit wurde am Flugzeug die alte Lackierung abgebeizt, um Tausende von Nieten auf eventuelle Beschädigungen kontrollieren zu können. Steuerseile wurden kontrolliert und gegebenenfalls ausgetauscht. Spanten und Stringer auf Risse überprüft. Nach vierzehn Tagen kamen die ersten Teile aus den Werkstätten zurück, so dass der Einbau wieder beginnen konnte. Nach vier Wochen war auch der letzte, wie neu aussehende Sitz eingebaut. Der Rumpf strahlte in seiner neuen Lackierung.

Das Lackieren und Abbeizen geschahen übrigens in der Halle, in der auch wir Mechaniker ohne Masken oder Entlüftungen arbeiteten. Heute wundern wir uns, dass so viele ehemalige Kollegen lungenkrank sind. Wenn wir den Abteilungsleiter ansprachen, warum denn auf den Farbeimern ein Totenkopf abgebildet ist, bekamen wir zur Antwort Das bedeutet ja nur, dass man das nicht trinken soll. Von Umweltschutz hatte zu der Zeit noch niemand etwas gehört. Dieser Abteilungsleiter wurde übrigens später der erste Umweltschutzbeauftragte bei der Lufthansa in Hamburg.

Nun waren nur noch das Wiegen des Flugzeuges und der Werkstattflug erforderlich, damit die Maschine an den Flugbetrieb übergeben werden konnte. Zum Wiegen wurden Waage-Paletten auf dem Hallenboden ausgelegt, auf die dann mit einem dreihundertsechzig PS starken Schlepper das Flugzeug geschoben wurde. Das Leergewicht betrug etwa 67.400 Kilogramm. Dieser Wert wurde in der Lebenslaufakte des Flugzeuges dokumentiert. Obwohl alle Funktionen der Steuerungselemente und Einbauten am Boden zwei- bis dreimal kontrolliert worden sind, wurde das Ganze noch einmal in einem Werkstattflug in der Luft überprüft. Denn hier herrschten ja erheblich andere Bedingungen.

Der Flug ging bis in 14 Kilometer Höhe. Werksseitig war die Gipfelhöhe mit zwölf Kilometern angegeben. Hier oben herrschte eine Temperatur von minus zweiundfünfzig Grad, was sich auf die Länge des Flugzeuges von 46 Metern durch Schrumpfen um ein paar Zentimeter auswirkt. Auch der Luftdruck spielt eine erhebliche Rolle. Die Kabine wurde zwar auf einen Druck, wie er in 2.000 Meter Höhe herrscht, gehalten, aber mit jedem Kilometer Höhe verringert sich der Außendruck, sodass der Rumpf von dreizehn Metern Durchmesser sich um einige Zentimeter ausdehnte. Das hatte zur Folge, dass in der Kabine einige Türen oder Klappen klemmten. Der Härtetest begann aber, wenn die Höhe von 14 Kilometern erreicht war. Die Triebwerke wurden abgestellt und es begann ein Sturzflug über ungefähr zehn Kilometer, bei dem überprüft wurde, ob die Triebwerke durch den Staudruck von allein wieder ansprangen. Der Flug wurde über der Nordsee rund um Helgoland durchgeführt. Die Besatzung wurde auf das Notwendigste beschränkt. Dazu gehörten zwei erfahrene Piloten, meistens der Flottenchef persönlich, der Bordingenieur und ein Technischer Kontrolleur (TK) im Cockpit. In der Kabine waren es zwei TK, drei Elektriker und drei Kabinen-Mechaniker, welche die auftretenden Schäden möglichst noch während des Fluges beheben sollten.

Einer dieser TK war Wolfgang, so nenne ich ihn mal. Wolfgang war an sich ein ganz netter Kollege. Er gehörte auch zu unserer Seglergemeinschaft bei der Lufthansa. Er war bei schlechtem Wetter gut zu gebrauchen, denn Wolfgang wurde weder auf See noch in der Luft seekrank! Nur eines war bei ihm unangenehm. Er machte sich immer darüber lustig, wenn anderen ein Missgeschick passierte. Wenn zum Beispiel bei hohem Wellengang dem Koch der Topf vom Herd fiel, konnte er sich totlachen. Oder wenn sich einer übergeben musste, kommentierte er das noch mit einem blöden Spruch. Dem musste doch beizukommen sein!

Nun ergab es der Zufall, dass ein Werkstattflug an einem Freitagnachmittag starten sollte. Paul, Dieter und ich waren für die Kabine eingeteilt. Die Elektriker waren Jupp, Karl und Gerd, die TK waren Wolfgang und Erich. Dieter, Jupp und ich waren schon öfter zusammen gesegelt. Nun heckten wir drei in der Kantine schnell einen Plan aus, wie wir Wolfgang eine Lektion erteilen konnten. Es gab wie immer freitags einen Eintopf, heute Erbsensuppe. Jupp füllte einen Teller voll in eine Spuck TüteSpuck-TüteEin Spuckbeutel, auch als Kotztüte bezeichnet, ist eine flüssigkeitsdichte Tüte aus Papier oder Kunststoff, in die sich Personen erbrechen können, ohne dass deren Umgebung durch Geruchsbelästigung oder Erbrochenes belästigt wird., wie sie auch an jedem Sitz im Flugzeug vorhanden war. Diese Tüte nahm Jupp in seiner Werkzeugtasche mit an Bord.

In großen Schleifen schraubte sich die 707 über der Nordsee auf 14 Kilometer Höhe, in einen faszinierend stahlblauen Himmel. Der Pilot machte eine Durchsage, dass die Kabine noch einmal auf lose Gegenstände überprüft werden sollte, sich alle hinsetzen und stramm anschnallen sollten, denn in fünf Minuten gehe er in den Sturzflug, bei dem ja für etwa eine Minute eine Schwerelosigkeit eintritt. Alles, was nicht befestigt war, fing wie von Geisterhand an zu schweben, flog durch die Kabine und fiel am Ende der Schwerelosigkeit krachend herunter. Jupp, Dieter und ich setzten uns so, dass Wolfgang uns gut sehen und hören konnte. Wir unterhielten uns übers Essen und Jupp klagte über Hunger und dass er doch lieber vorher noch mal in die Kantine gegangen wäre.

Nun begann der Sturzflug. Keiner soll sagen, dass er davon unbeeindruckt wäre, alle waren doch etwas blass um die Nase. Nachdem wir bei etwa 4.000 Metern wieder in den Normalflug übergegangen waren, schnappte ich mir verabredungsgemäß eine Spuck Tüte und tat so als müsste ich mich fürchterlich übergeben. Dann stand ich auf und sagte zu Jupp ich muss auf die Toilette und halt mal dabei gab ich ihm die Tüte. Jupp nahm die Tüte und vertauschte sie sehr geschickt gegen seine Tüte mit der Erbsensuppe. Er öffnete die Tüte und sagte du Bernd, da ist aber noch viel Gutes bei und fing an den Inhalt auszulöffeln. Das war selbst für Wolfgang zu viel, zum ersten Mal in seinem Leben musste auch er sich übergeben. Dass Jupp plötzlich einen Löffel dabei hatte, ist ihm gar nicht aufgefallen.

Die Testflüge wurden aber bald eingestellt, weil das Flugzeug im Linienbetrieb gar nicht in diese Höhen kam. Auch das Anlassen der Triebwerke durch Staudruck kam im Normalbetrieb nicht vor. Die Beanstandungen in der Kabine wurden auf den Überführungsflügen nach Frankfurt durchgeführt, von wo aus die Maschine dann wieder in den Flugbetrieb eingegliedert wurde.


  • Autor: Bernd Herzog, 15. September 2020
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