Geburtstags-Häppchen
Die schönsten meiner 25 Arbeitsjahre als Verwaltungsangestellte im Hamburger Krankenhauswesen verbrachte ich im Heidberg-Krankenhaus in Hamburg-Langenhorn, denn die Arbeit zwischen den Jahren 1981-1991 war noch nicht ganz so stressig und hektisch wie danach. Das Arbeiten war noch sozusagen Handarbeit
ohne Computer und all die Technik, die in der heutigen Zeit den Arbeitsalltag begleitet. Die Aufgaben waren, jedenfalls in meiner Erinnerung, überschaubar, es stand genügend Personal zur Verfügung, das Miteinander war menschlich, persönlich und – fast könnte man sagen – gemütlich. Unsere Abteilung war sozusagen eine verschworene Gemeinschaft von ungefähr 10 Leuten. Es gab bei uns die Sitte, dass wir uns jeden Freitag ein gemeinsames Frühstück gönnten, an dem ganz oft auch unser Chef und Abteilungsleiter teilnahmen. Wir nutzten diese Zusammenkunft auch gleichzeitig als Arbeitsbesprechung. Da ich auf meinem Arbeitsweg direkt an einem Bäcker vorbeifuhr, brachte ich meistens die Brötchen und auch den Aufschnitt dazu mit ins Büro.
Hatte jemand von uns Geburtstag oder ein besonderes Jubiläum, so wurde zwischendurch ebenfalls ein solches Frühstück gesponsert, und auch unsere Vorgesetzten übernahmen diese doch nette Sitte.
Der runde Geburtstag unseres Abteilungschefs nahte, und er hatte seine Untergebenen, so auch unsere Abteilung, zu einem kleinen Umtrunk eingeladen, der um 11 Uhr stattfinden sollte.
Wir hatten alle aus diesem Anlass einen kleinen Obolus gespendet für ein Geburtstagsgeschenk. Ich erinnere mich gut, dass wir ihm davon ein Apfelbäumchen für seinen Garten überreichten.
Während einer kurzen Arbeitspause streckten wir unsere Glieder und schauten zufällig aus dem Fenster im zweiten Stock unseres Büros, als unten durch die Eingangstür ein Bote mit einem riesigen Tablett ins Gebäude kam, das beladen war mit verschiedenen leckeren Häppchen, und der Anblick ließ meinen Kolleginnen und mir das Wasser im Munde zusammenlaufen.
Wir waren uns sicher, dass es sich um die Häppchen zu dem Umtrunk unseres Chefs handelte und beschlossen, bis zur Einladung auf keinen Fall mehr etwas zu essen, um uns den Appetit nicht zu verderben.
Das Arbeiten machte nun doppelt soviel Freude.
Zum entsprechenden Termin machten wir uns alle auf die Socken zum Raum unseres Vorgesetzten.
Er nahm freudig unser Geschenk entgegen, bedankte sich für die Glückwünsche und schenkte nun die Gläser voll, aus diesem Anlass mit Sekt oder Orangensaft. Auf dem Tisch standen Gefäße mit Salzgebäck, einigen Käsewürfeln und Süßigkeiten, die er uns anbot. Wir prosteten ihm zu, aber wo waren diese überaus leckeren Häppchen, die wir doch nicht geträumt hatten? Eine gute halbe Stunde standen wir herum, dann war der Empfang beendet, und wir gingen in die Mittagspause, wie an allen anderen Tagen auch.
Erst am folgenden Tag erfuhren wir, dass die Häppchen für die Upper Class
bestimmt waren, für die Prokuristen, Oberärzte und Leiter anderer Abteilungen, die unser Chef in der Mittagszeit geladen hatte zu einem kleinen Umtrunk, aber leider nicht für das niedere Arbeitsvolk.
So kann man sich irren.