Der Samowar
Ein Samowar – wörtlich Selbstkocher
- ist eine ursprünglich russische Teemaschine, so kann man es in der deutschen Wikipedia lesen, und die Russen lieben es, Tee vom Samowar zu trinken.
In der russischen Wikipedia steht, dass schon vor 4.000 Jahren in China und im Iran Samoware bekannt waren.
Einer Legende nach hat Peter der Große den Samowar aus Holland nach Russland gebracht. In Wirklichkeit war die erste schriftliche Erwähnung des Samowars in den 1730er Jahren. Schnell wurde er sehr beliebt, wie bei den Stadtbewohnern so auch bei den Bauern in den Dörfern. Das Zentrum der russischen Samowarproduktion wurde die Stadt Tula. Wenn man etwas Überflüssiges tut, sagt man in Russland … fährt mit dem eigenen Samowar nach Tula
.
Die Samoware waren nicht billig. Manche waren sehr schön, mit Silber bedeckt und mit Mustern verziert. Auf vielen Bildern des 18. und 19. Jahrhunderts kann man eine glückliche Familie am Samowar sehen. Aber traditionell war der Samowar aus Kupfer. Du strahlst wie ein kupferner Samowar
kann man oft noch hören.
Der Samowar war unentbehrlich im Dorf. Der russische Herd wurde nur einmal am Tag geheizt, der Samowar ermöglichte es zu jeder Zeit kochendes Wasser zu haben. Durch die Mitte des Samowars ging ein Rohr zum Heizen, geheizt wurde mit Kohle, Tannenzapfen und Holzspänen. Der Samowar wurde draußen mit einem zusätzlichen Rohr aufgestellt, oder es gab ein spezielles Loch im Herd für das Rohr.
Der Samowar und die Kuh waren die teuersten Sachen im Haushalt. Wenn sie bei Schulden beschlagnahmt wurden, hat sich die Frau unter Tränen dagegen geworfen.
Wenn der Samowar kochte, wurde oben eine Teekanne draufgestellt. Tee wurde in Russland ab dem 17. Jahrhundert bekannt, man hat ihn aus China importiert. Und trotz des hohen Preises wurde Tee in den nächsten zwei Jahrhunderten zu einem Nationalgetränk. Und der Teil der Bevölkerung, der sich keinen chinesischen oder indischen leisten konnte, brühte seinen Tee aus Beeren, Kräutern und Blumen wie Kamille, Minze, Hagebutten, Johannisbeeren, Lindenblüten und Johanniskraut. Er war auch als Volksmedizin gut. Ich erinnere mich, dass wir in Kriegszeiten, als Tee nicht zu haben war, aus geriebenen und getrockneten Möhren Tee brühten, die Farbe war gut, aber der Geschmack nicht besonders.
Der richtig gute Tee wurde nach strengen Regeln gebrüht. Guten Tee konnte man in Moskau in einem berühmten alten Geschäft kaufen, das vor der Revolution der Familie Perlow gehörte und im chinesischen Stil gebaut war. Sogar auf der Straße hat es dort bezaubernd nach Tee und Kaffee gerochen.
Tee konnte man ungesüßt oder mit Zucker trinken. Im Angebot waren verschiedene Sorten: Klarer Kristallzucker, Puderzucker, Würfelzucker und ganz harter gehackter Zucker, den man in Zuckerdosen mit einer Zuckerzange servierte. Früher waren noch in blaues Papier verpackte Zuckerköpfe gebräuchlich, zu meiner Zeit haben sie nur manchmal die Schaufenster verziert. Von einer reichen Person sagte man, dass die den Tee aus dem Zuckerkopf trinkt.
Tee konnte man auf verschiedene Weise süßen: w nakladku
- der Zucker wurde in den Tee gelegt, (klast' heißt legen), w prikusku
- ein Stückchen Zucker wurde beim Trinken im Mund gehalten (kusok heißt Stück) und w pigljadku
- wenn kein Zucker zu haben war, konnte man sich ein Stückchen vorstellen (gljadet' heißt sehen).
Und sehr beliebt war Tee mit Marmelade – ich nutze hier dieses Wort, weil es kein spezielles Wort für russisches warenje
gibt – in Zuckersirup eingekochte ganze Früchte. Beim Kochen verwendete man normalen (kein Gelee) Zucker, und warenje
galt als fertig, wenn sich ein auf den Daumennagel getropfter Tropfen nicht ausbreitete. Warenje wurde in Schälchen serviert.
Überhaupt legte man großen Wert auf das Teegeschirr. Man verwendete keine Becher. Teeservice waren aus Porzellan, es war ein gutes Geschenk zum Geburtstag oder zur Hochzeit. Männer tranken Tee manchmal aus Gläsern mit Untersätzen aus Silber oder Stahl. Wenn noch eine Zitronenscheibe drin war, hat es sehr schön ausgesehen. Am Samowar Tee trinken und sich gemütlich unterhalten in Zeiten, als es noch keinen Fernseher gab, war ein schöner Brauch und Zeitvertreib.
Wir wohnten in Moskau bis 1970 in einem Haus mit Hof. Die Frau unseres Hauswartes, Suleika, hat dort jeden Tag ihren Samowar aufgestellt. Sie hatten immer viele Gäste aus dem Dorf und immer hielten sie ihre Zimmertür offen. Wenn ich meine Tür öffnete, sah ich oft das gleiche – am Samowar sitzen Suleika und ihre Gäste und trinken Tee, und weil er so heiß ist, aus Untertassen. Genauso wie auf dem Bild, das meine Freundin für mich gemacht hat, als ich nach Deutschland ausreiste und das jetzt in meiner Küche hängt. Sie sagte, ich soll die alten Zeiten nicht vergessen.
Die Zeit ging und der alte Samowar wurde von den Kannen, die auf dem Gasherd kochten, und von elektrischen Samowaren verdrängt. Wer kann schon einen Kohlensamowar im Hochhaus benutzen? Auch meine Mutter hat einen Elektrosamowar gekauft. Wenn Gäste kamen, war es sehr bequem, man musste nicht mit der Kanne zur Küche laufen. In Russland waren Thermoskannen für Tee und Kaffee nicht verbreitet.
Als unsere Datscha gebaut wurde, gab es dort zuerst keinen Strom. Und unser Onkel hat uns seinen alten Samowar gegeben, der bei ihm längst nicht mehr gebraucht wurde. Auf dem alten vergilbten Foto von 1958 sitzt unsere Familie am Samowar.
Unseren elektrischen Samowar habe ich nach Deutschland mitgebracht. Die ersten Jahre, als ich mehr Kontakte hatte und zu mir oft Gäste kamen, habe ich den Samowar verwendet und auch das Teeservice, welches ich aus Russland mitbrachte. Aber jetzt kommen zu mir keine Gäste mehr, mir war überdrüssig geworden, den Staub vom Samowar zu wischen, ich wollte das Ding schon zum Sperrmüll bringen. Aber mein Enkelsohn begeistert sich für alte Sachen, und der Samowar staubt jetzt in seinem Keller. Und ich bin alt und faul geworden und trinke Beuteltee aus dem Becher.
Zum Schluss noch ein berühmter russischer Schlager in meiner Übersetzung:
Am Samowar sitze ich mit meiner Mascha,
Draußen ist schon dunkel geworden.
Wie der Samowar kocht unsere Leidenschaft
Und der Mond blickt schlau auf uns ins Fenster.Mascha schenkt mir den Tee ein,
Und ihre Augen, ihre Blicke versprächen mir sooo viel.
Am Samowar sitze ich mit meiner Mascha,
Bis zum Morgen werden wir Teew prikuskugenießen.