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Leben in der DDR — 40 Jahre Diktatur / Die 50er bis 70er Jahre, Nierentisch und Tütenlampe
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Der Autor im Mantel in Berlin vor dem russischen Ehrenmal

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Der vergessene Mantel

In den 1970er Jahren lebte ich noch in Buenos Aires, flog aber öfters nach Deutschland, um meinen beruflichen Verpflichtungen nachzugehen, und benutzte natürlich jede Gelegenheit, um meine Verwandten in Berlin zu besuchen.

Bei einem dieser Besuche verweilte ich einige Tage bei meiner Tante Lotte in West-Berlin und unternahm mehrere Spaziergänge durch die im Aufbau befindende Großstadt, die mir wie immer sehr imponierteSiehe auch meine Geschichte: Berlin ist (mehr als) eine Reise wert).

Am letzten Tag meines Aufenthaltes bekam meine Tante einen weiteren Besuch: Tante Grete aus Ost-Berlin hatte sich angemeldet! Ich staunte, wieso hatte ich bis jetzt nichts von dieser Tante gehört? Tante Lotte erklärte mir lächelnd, dass es sich eigentlich um keine unserer Verwandten handelte, sondern ihre gute Freundin und ehemalige Arbeitskollegin aus Berlin-Weißensee wurde lediglich von den Kindern (meine Cousins) mit Tante angesprochen. Wir freuten uns schon alle auf den Besuch von drüben.

Also, Tante Grete konnte als Rentnerin von einer Tages-Besuchs-Erlaubnis Gebrauch machen, um nach West-Berlin zu fahren. Diese Erlaubnis war aber nur bis um 0 Uhr des gegebenen Tages gültig. Spätestens dann musste sie wieder in der DDR zurück sein.

Um den Tag gut auszunutzen, kam Tante Grete schon zum Frühstück zu uns. Als sie den gedeckten Tisch sah, machte sie große Augen. Habt ihr so was jeden Tag zum Frühstück?, fragte sie erstaunt. Die viele Butter, der Kaffee, die Marmelade und die Menge Brot! Nach dem Mittagsessen und beim Kaffee und Kuchen fühlte sie sich dann wie im Schlaraffenland …

Wir erzählten uns vieles und staunten über die gegenseitigen Erfahrungen die sie in der DDR und ich im fernen Argentinien erlebt hatten. Von ihr erfuhr ich erstmals mehr über die Spitzeleien und Schikanen der Stasi und den katastrophalen wirtschaftlichen Verhältnissen der DDR. Meinerseits berichtete ich nun meinen erstaunten Zuhörern über die ähnlichen Zustände, die unter der Diktatur von Peron in Argentinien geherrscht hatten (1945-1955). Im Land, das früher als Getreidekammer der Welt galt, wurde Sägemehl in das Brot beigemischt. Und die offizielle Propaganda behauptete dabei, dass dieses viel gesünder sei als das nur aus Weizenmehl gebackene Brot. Die Dampflokomotiven wurden mit Maiskolben befeuert, da es keine Devisen gab, um die Cardiff-Kohle aus England zu importieren. Der dadurch entstandene Qualm verseuchte die ganze Luft an den Bahnstrecken. Dieser Qualm sollte entsprechend der damals offiziellen Propaganda gesünder sein als das Kohlenmonoxid der Kohlenverbrennung. Kartoffeln, Milch und Zucker waren Mangelware und nur durch gute Beziehungen in der Nachbarschaft und Bereitschaft, höhere Preise zu bezahlen, konnte man diese Produkte erwerben. Sogar das Rindfleisch, Hauptnahrung der Argentinier, war aus den Läden verschwunden. Nur wer früh aufstand, konnte noch eine Packung Gefrierfleisch ergattern, die ursprünglich für den Export bestimmt gewesen war.

Aber, wehe dem, der es wagte darüber zu meckern… Der machte bald Bekanntschaft mit dem berüchtigten staatlichen Geheimdienst SIDE (Secretaría de Inteligencia del Estado). Und was dann geschah, möchte ich lieber vergessen.

Viel zu schnell verging der Nachmittag und ich musste mich beeilen, um meinen Flieger nach Hamburg zu erreichen. Flugs packte ich meinen Koffer und schaute mich noch mal im Zimmer um, um zu sehen ob, ich auch nichts vergessen hätte. Nach einem rührenden Abschied stieg ich in das Taxi Richtung Flughafen. Ich stand schon in der Schlange vor dem Eingang zur Abflughalle, als ich Tante Grete im Laufschritt auf mich zukommen sah. Sie trug meinen Mantel auf dem Arm und winkte mir schon von Weiten zu, um meine Aufmerksamkeit auf sie zu erwecken.

In diesem Augenblick wurde mir bewusst, was geschehen war. Ich hatte zwar das ganze Zimmer nach meinen Sachen durchsucht, aber der Mantel hing ja an einem Haken an der Tür, und diese war gegen die Wand geöffnet, so dass der Mantel nicht zu sehen war. Erst nach meiner Abfahrt wurde er entdeckt!

Erstaunt fragte ich sie, wieso man gerade sie beauftragt hatte, mir den vergessenen Mantel zu überbringen. Sie erklärte mir stolz, dass sie als Ossi ja freie Fahrt in Berlin hätte und gratis per Straßen- und U-Bahn den Flughafen erreichen konnte. Auch bekäme sie ermäßigte Preise in Kinos und Theatern. Aber dafür hätte sie keine Zeit mehr gehabt; dagegen hätte sie sich so gefreut, mir helfen zu dürfen.

Also bekam dieser Mantel, eine ganz besondere Bedeutung für zwei Menschen, die sich vorher gar nicht gekannt hatten.


  • Autor: Ernesto Potthoff, im März 2010
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