TimetunnelMachen Sie eine Zeitreise … Zeitleiste der Machtergreifung 1933
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Die 50er bis 70er Jahre, Nierentisch und Tütenlampe
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Der Autor, 1924 in Buenos Aires/Argentinien geboren, ist deutschstämmig und lebt seit einigen Jahren in Deutschland. Seine Reiseberichte aus der Zeit seines ersten längeren Europaaufenthaltes vor rund 50 Jahren beschreiben aus der Sicht eines Außenstehenden eine Zeit, die wir zwar miterlebten, aber nicht so intensiv beobachteten. Die folgende Geschichte ist als Momentaufnahme auch für diejenigen überraschend, die - wie ich - damals in Berlin lebten.Fritz Schukat. 

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Impressionen aus Europa vor 50 Jahren
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Meine erste Überseereise

Der Autor Berlin, Messedamm

Der Autor in Berlin, Messedamm 1956
Der Autor auf dem Funkturm 'Langer Lulatsch' 1956

Der Autor auf dem Funkturm Langer Lulatsch 1956
Der Autor vor dem russischen Ehrenmal in Berlin (West) 1956

Der Autor vor dem russischen Ehrenmal in Berlin (West) 1956
Der Autor und sein Cousin vor dem russischen Ehrenmal in Berlin (West) 1956

Der Autor und sein Cousin vor dem russischen Ehrenmal in Berlin (West) 1956
Der Autor vor dem russischen Ehrenmal in Berlin (West) 1956

Der Autor vor dem russischen Ehrenmal in Berlin (West) 1956

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Berlin ist (mehr als) eine Reise wert!

Meine erste Reise nach Berlin liegt schon ein halbes Jahrhundert zurück, doch bei jeder neuen Begegnung mit dieser lebendigen Metropole erwachen in mir wieder die tiefen Eindrücke von damals. Eigentlich kann ich es als ein Privileg betrachten, einen so bedeutenden Teil der deutschen Nachkriegs-Geschichte miterlebt zu haben. Ich sah das geteilte, noch in Trümmern liegende Berlin, später die Mauer und schließlich war ich dabei, als diese am 9. November 1989 zusammenbrach.

Aber zurück zur ersten Reise im Jahre 1956. Damals war ich für einige Monate in Holland beruflich tätig und nahm diese Gelegenheit wahr, mich etwas in Europa umzusehen. Natürlich wollte ich meine Verwandten in Berlin besuchen. Da ich damals in Argentinien lebte, waren wir bisher nur brieflich in Kontakt gekommen.

In Amsterdam wurde mir mitgeteilt, dass ausschließlich Fluglinien der vier Besatzungsmächte Berlin anfliegen durften. Ich nahm deshalb eine KLM-Maschine bis Hamburg und buchte dort bei der PanAm meinen Weiterflug nach Berlin. Zu meiner Überraschung erfuhr ich, dass der Senat der Stadt Berlin einen Teil (etwa 20 Prozent) der Flugkosten übernahm, um - wie ich meinte - den Tourismus nach dieser eingeschlossenen Metropole zu fördern. (Später wurde mir natürlich klar, dass dies hauptsächlich politische Gründe hatte). In Fuhlsbüttel erwartete mich eine weitere Überraschung. Als ich die Gate für den Abflug angewiesen bekam, bemerkte ich, dass diese sich im Bereich Ausland befand. Erst beim zweiten Blick entdeckte ich eine kleinere Beschriftung, auf der und Berlin stand. Da wurde mir klar: für den Flug nach Berlin brauchte man den Reisepass, genau wie bei den Auslandsflügen.

Auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof angelangt, fiel mir als erstes die vorspringende Bedachung des Flughafengebäudes auf, die weit über die Rollpiste hinausragte. Unter ihr hatten mehrere viermotorige Maschinen Platz, so dass die Flugpassagiere unabhängig von den Wetterbedingungen bequem ein- und aussteigen konnten. Heutzutage geschieht dies über geschlossene Gangways, die direkt in das Terminal führen.

In den bisher von mir besuchten deutschen Städten (Aachen, Köln, Hamburg und München) waren mir schon etliche Zerstörungsspuren des Zweiten Weltkriegs aufgefallen. Aber was ich in Berlin, elf Jahre nach Kriegsende noch zu sehen bekam, übertraf alle meine Vorstellungen. Zwar war der Schutt von den Straßen bereits weggeräumt worden, aber überall gab es noch Ruinenfelder und leere Häuserfassaden zu sehen. Ganze Stadtteile glichen noch immer einer Trümmerwüste. Als ich einen Rundgang durch das Hansaviertel machte, bedrückte mich die absolute Stille, die über die zerstörte Gegend herrschte: kein Vogelgesang. kein Kindergelächter…

Mitten in dieser Verwüstung sah ich eine Schar Frauen, die unverzagt und mit standfester Miene Trümmerteile säuberten und aufstapelten. Ein Mann schien diese Arbeit zu überwachen. Ich wunderte mich, wieso hier Frauen arbeiteten und Männer dabei zusehen konnten. Erst als ich näher kam, bemerkte ich, dass dem Mann ein Bein fehlte und er sich auf  Krücken stützte. Seine schäbige Wehrmachts-Uniform verriet die Ursache dieses Zustandes. Für mich war dies eine neue Gegenüberstellung zum Drama des Krieges. Obwohl ich meine Kamera bei der Hand hatte, traute ich mich nicht, diese Trümmerfrauen zu fotografieren. Tief gerührt setzte ich meinen Weg fort.

Meine Verwandten erklärten mir später, wieso sich der Wiederaufbau von Berlin im Vergleich zu anderen Städten so verzögert hatte. Auf Grund der feindseligen Haltung der Russen, die mit ihrer Blockade 1948/49 die Westalliierten aus der Stadt vertreiben wollten, mussten eben andere Prioritäten gesetzt werden, um die Bevölkerung vor Hunger und Kälte zu bewahren. Hierbei kam das Baumaterial an letzter Stelle. Im Übrigen wirkte aber Berlin auf mich als eine aufstrebende Stadt.

Einige Fabriken hatten ihre Produktion wieder aufgenommen, die Unterhaltungsbranche trug dazu bei, die Begeisterung aufrecht zu halten und der allgemeine Verkehr lief reibungslos, Nur der Anblick der Busfahrerinnen machte mich stutzig. Eine Frau am Lenkrad eines Doppeldeckers könnte man sich im Macho-geprägten Argentinien nie vorstellen. Mein Vetter führte mich zu den Sehenswürdigkeiten Berlins. Wir stiegen auf den Funkturm und die Siegessäule. Das Brandenburger Tor sah ich mir aber nur von weitem an, denn es lag ja jenseits eines Schildes, auf dem You are leaving the American Sector stand. Auch dem russischen Ehrenmal am Tiergarten kam ich nicht zu nahe, schließlich wollte ich nicht mit den Wachtposten der Roten Armee in Kontakt kommen. Meine Tante hatte mich mehrmals gewarnt, bei Alleingängen bloß nicht in die Zone zu geraten. Das galt hauptsächlich für U-Bahn-Fahrten, die teilweise durch den russischen Sektor führten.

Die Tage in Berlin vergingen viel zu schnell und bald stand ich schon wieder im Flughafen, um mich bei der PanAm nach Hamburg einzuchecken. Da bekam ich den Schreck meines Lebens! Haben Sie den Rückflug reserviert? fragte mich höflich die Dame am Schalter. Natürlich nicht, ich wusste ja nicht genau, wann mein Besuch enden würde. Tut mir leid, die Flüge sind für die nächsten zwei Wochen ausgebucht lautete ihre Antwort. Als Erklärung fügte sie hinzu, dass jedermann den Luftweg bevorzuge, um Berlin zu verlassen.

Verzweifelt versuchte ich ihr klarzumachen, dass ich unbedingt am nächsten Tag in Amsterdam sein müsste, um wichtige Aufgaben für die argentinische Luftwaffe auszuführen. Sie zeigte sich irgendwie beeindruckt und versprach mir, sie würde versuchen, mir beim US Military Air Transport Service einen lift nach Frankfurt zu besorgen, gleichzeitig würde sie mich auf die Warteliste der PanAm setzen.

Ohne große Hoffnung setzte ich im Wartesaal und fühlte mich wie ein Gefangener in dieser Stadt, die ich gerade zu lieben begonnen hatte. Nach zwei bangen Stunden wurde ich plötzlich aufgerufen. Sie hatten Glück, sagte mir die PanAm-Dame, es ist gerade ein Platz auf der Warteliste frei geworden und Sie sind er einzige erreichbare Passagier!

Die Maschine war startbereit, ich raste an Bord und bald kreiste ich über das umstrittene Berlin. In meinen Gedanken versprach ich mir jedoch: Ich komme bestimmt wieder, aber dann mit gesichertem Rückflug!


  • Autor: Ernesto Potthoff, aufgeschrieben im Frühjahr 2006
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