Die ARD wird 60 Jahre
Eine kleine Rundfunkgeschichte, wie ich sie erlebte
Auch in diesem Jahr geht es weiter. Wieder werden wir konfrontiert mit runden Geburtstagen, manche offenbar an den Haaren herbeigezogen, manche aber durchaus interessant, weil sie uns an unsere jungen Jahre erinnern.
Die Ankündigung, die ARD werde 60 Jahre alt, verwirrte mich zunächst ein bisschen, denn mit dem Kürzel ARD verbinde ich, wie die meisten, das Erste Deutsche Fernsehen, so etwas wie die Gemeinschaft der öffentlichrechtlichen Fernsehsender
. Mitnichten, das R steht natürlich für Rundfunkanstalten und nicht für Fernsehen! Das Fernsehen wurde auch nicht schon vor 60 Jahren eingeführt. Die ersten vagen Versuche sicher schon, aber regelmäßige Sendungen starteten erst im Dezember 1952, und zwar von Hamburg aus. Damals hieß die federführende Anstalt noch NWDR – Nordwestdeutscher Rundfunk, eine öffentlichrechtliche Institution, denn die Verbreitung von Nachrichten und sonstigen Informationen auf elektronischem Wege, war damals allein dem Staat vorbehalten. Verstöße dagegen wurden bestraft – will also sagen, es gab noch keine Privatsender.
Wenn nun die ARD 60 Jahre alt wird und man dies dann auch gebührend feiert, bleibt doch ein Stück Wehmut übrig, denn in diesem Bereich hat es seitdem bedeutende Änderungen gegeben, an die sich viele kaum noch erinnern.
Es ist bestimmt nicht uninteressant, einmal die Rundfunkanstalten aufzuzählen, die es zum Teil schon lange nicht mehr gibt.
-
Der NWDR, also der Nordwestdeutsche Rundfunk versorgte – was auch der Name verriet - ein Gebiet, das mit der Britischen Besatzungszone nach dem Krieg identisch war. Es gab sogar auch eine Dependance in Berlin. Diese Mammutanstalt wurde 1955 in zwei eigenständige Sender geteilt. Der NDR wurde eine Dreiländeranstalt mit Sitz in Hamburg, zuständig für Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, der WDR versorgt seitdem das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen, kurz NRW.
-
Der Sender Freies Berlin -SFB- ist politisch gesehen ein Kind des 17. Juni 1953. Damals hat der von den Amerikanern in Berlin betriebene RIAS (Rundfunk im Amerikanischen Sektor Berlins) angeblich nur zurückhaltend über den Volksaufstand berichtet, was den Ruf nach einem eigenständigen Sender - unter deutscher Regie - in West-Berlin lauter werden ließ. Der SFB nahm seinen Sendebetrieb am 1. Juni 1954 auf. Er sendete bis April 2003. Ab 1. Mai 2003 fusionierte er mit dem damaligen Ostdeutschen Rundfunk (ORB) zum Rundfunk Berlin Brandenburg, abgekürzt RBB, im Logo gern kleingeschrieben
rbb
. -
Der Ostdeutsche Rundfunk hat die kürzeste Geschichte der nicht mehr existierenden deutschen Sender. Errichtet 1991 hat er nach der Fusion mit dem SFB eine knapp 12-jährige Geschichte, ist also in verhältnismäßig jungen Jahren untergegangen.
-
RIAS Berlin, bereits erwähnt, war einer der von den Amerikanern betriebenen Sender, die nach dem Krieg in der Amerikanischen Besatzungszone errichtet wurden. Dazu gehörten auch die Sender Radio München, Radio Frankfurt, Radio Stuttgart und Radio Bremen. Während der RIAS bis 1992 weiterhin aus politischen Gründen unter amerikanischer Regie blieb, wurden die in der Amerikanischen Zone errichteten Sender die Keimzellen der späteren Landesrundfunkanstalten.
-
Der Südwestfunk -SWF- war in logischer Konsequenz für die erst später von den Franzosen besetzten südwestdeutschen Länder eingerichtet worden und ging Anfang 1946 auf Sendung. Nach der Fusion der Länder (Süd-)Baden und Württemberg-Hohenzollern blieb der Sender, dessen Sitz inzwischen nach Baden-Baden verlegt wurde, bestehen, so dass im neuen Land Baden-Württemberg mit dem Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart - SDR oder Südfunk - nunmehr zwei Landesfunkhäuser in einem Land zuständig waren. Beide Anstalten fusionierten 1998 zum Südwestrundfunk (SWR) mit Sitz in Stuttgart. Allerdings habe ich den Eindruck, das ist bei den Hörern noch nicht angekommen, da die starken Studios in Baden-Baden und Freiburg weiterhin sehr beliebte eigene Programme produzieren. Ich habe lange Jahre in der Nähe von Mainz gewohnt und damals eigentlich nur den SWF wegen seiner - bei uns jedenfalls - beliebten Sendungen gehört.
Und was ist von den DDR-Sendern übrig geblieben?
Der Berliner Rundfunk, bereits vor dem Kriegsende im Haus des Rundfunks (HdR) in der Berliner Masurenallee gegenüber dem Ausstellungsgelände mit dem berühmten Funkturm ansässig, wurde nach Kriegsende weiterhin unter demselben Namen von dort betrieben. Er befand sich jedoch unter sowjetischer Hoheit und blieb es auch, obwohl sich das HdR im britischen Sektor Berlins befand. Schon während der Blockade Berlins von Mitte 1948 bis Mitte 1949 wurde es sogar durch Stacheldrahtverhaue geschützt
, denn viele West-Berliner empfanden es als untragbaren Zustand, dass ein Ostsender im West-Berlin produzieren konnte. Die Engländer blockierten deshalb das Haus des Rundfunks, das sich ja in ihrem Sektor befand, und die Franzosen sprengten im Dezember 1948 den Sendeturm in Berlin-Tegel, über den der Berliner Rundfunk damals noch ausgestrahlt wurde. Tegel gehörte seinerzeit zum französischen Sektor Berlins. Begründet wurde dies allerdings fadenscheinig damit, dass in der Jungfernheide - ein großes Heide- und Waldgebiet im Berliner Norden - für Tempelhof ein Entlastungsflughafen gebaut werden sollte. Der ist übrigens erst fertig geworden, als die Blockade längst aufgehoben war. Der Berliner Rundfunk zog dann in die Treptower Nalepastraße, wo auf Ost-Berliner Gebiet ein großes Rundfunk- und Fernsehzentrum entstand.
Der alte Deutschlandsender, der schon in den 1920er Jahren aus Königswusterhausen seine Programme über Lang- und Kurzwelle in alle Welt sendete, wurde 1953 in Stimme der DDR umbenannt. Ab 1953 sendete der Rundfunk der DDR ein zweites Programm, nämlich Radio DDR I, das in der DDR sehr beliebt war, da es ...nicht so politisch und nicht so Berlin-lastig war!
Nach der Wende wurde dieses Programm in Radio aktuell
umbenannt und sendete noch bis zur Gründung der ostdeutschen Landesfunkanstalten ORB und MDR bis 1992.
Bleibt noch, kurz über das Schicksal des beliebten Jugendsenders DT 64 zu berichten, dessen Gründung in das Jahr 1964 zurückreicht. Während des FDJ-Deutschlandtreffens im Jahre 1964 wurde ein Sonderstudio eingerichtet, das anschließend stundenweise weiter sendete und schließlich 1986 eigenständiger Sender wurde. DT 64 war nach 1990 noch auf verschiedenen Wellen in den neuen Bundesländern zu hören, aber trotz heftiger Proteste musste er seinen Sendebetrieb im Mai 1993 endgültig einstellen. Nach der Wende wurde dann auch aus Stimme der DDR und RIAS Berlin das Deutschlandradio, das mit dem Kölner Deutschlandfunk zusammengelegt wurde.
Hier muss natürlich auch noch über die ebenfalls eingestellten Soldatensender der Besatzungsmächte berichtet werden.
Bereits während des Krieges betrieben die USA den AFN (American Forces Network) für die Truppenbetreuung ohne festen Standpunkt in Nordafrika und Frankreich. Nach der Kapitulation 1945 nahm er auch in Deutschland seinen Sendebetrieb auf und war wegen seiner aktuellen Musiksendungen auch bei den jungen Deutschen äußerst beliebt. Die Engländer betrieben ebenfalls schon während des Krieges den BFBS (British Forces Broadcasting Service), der auch durch moderne Musik und Schlager punktete. In Deutschland hieß der Sender allerdings eine Zeitlang einfach nur BFN, British Forces Network. Einer der bekanntesten Moderatoren war schon in den frühen 1950er Jahren Chris Howland, der wenig später auch beim damaligen NWDR als Mister Pumpernickel Musiksendungen moderierte. Ich habe heute noch die Intro-Melodie zu seiner sonntäglichen Sendung im Kopf. Dieses einprägsame Stück trägt den Titel Melody Fair
und wurde vom Orchester Robert Farnon gespielte. Wir haben allerdings trotz guter Verbindungen zu Radiosendern diese Aufnahme nicht mehr auftreiben können.
Die Franzosen haben zumindest in Berlin einen recht schwachen Sender mit dem Namen FFB, Radio Forces Françaises de Berlin, betrieben, der wohl speziell für die Französische Garnison gegenüber dem jetzigen Flughafen Tegel (ehem. Hermann-Göring-Kaserne) am Kurt-Schumacher-Damm sendete. Wir wohnten in den 1960er Jahren vielleicht 3-4 km von dem späteren Flughafenkomplex entfernt, weshalb ich diesen Sender einigermaßen störungsfrei empfangen konnte.
Die Soldatensender konkurrierten mit unseren langweiligen Öffentlichrechtlichen
, die erst Monate später die aktuellen Schlager spielten, als wir schon die Texte mitsingen konnten und gewannen dadurch natürlich ungeheuer an Popularität. Auch RTL, also Radio Luxemburg auf Mittelwelle und auf Kurzwelle im 49-Meterband, der Sender, den man auf den 4 fröhlichen Wellen
hören konnte, wurde vor allem im westdeutschen Sendegebiet immer beliebter, und hatte schließlich in ganz Deutschland Kultstatus, auch wenn man den Sender über Kurzwelle erst in den Abendstunden einigermaßen hörenswert empfangen konnte. Als es in der Bundesrepublik noch keine privaten Sender gab, sendete RTL schon Anfang der 1960er Jahre über weit reichende UKW-Frequenzen - allerdings nur in Mono - aus dem Großherzogtum populäre Schlagermusik nach Westdeutschland und schöpfte mit seinen Werbeeinblendungen enorme Kapazitäten ab. Starmoderatoren waren Camillo Felgen, Frank Elstner und Thomas Gottschalk. Auch Heinz Siebeneicher, der unsere beiden Audio-CDs besprochen hat, moderierte jahrelang sonntags das 4-stündige Programm Wünsch Dir was
und brillierte mit sonorer Stimme bei den vielen Telefoninterviews, die ihm in sein Wohnhaus nach Reinheim bei Darmstadt zugeschaltet wurden. Von dort moderierte er auch die Sendung, was damals nur Eingeweihte wussten.
Der WDR, der noch heute zu den eher konservativen Sendern gehört, hatte lange Zeit keine Werbung gesendet, so dass die Werbewirtschaft in dessen Sendebereich nur auf den überteuerten RTL zurückgreifen konnte. Erst mit Beginn der Ära Nowotny begann der WDR auch Werbung zu senden und war obendrein wesentlich billiger als der bisherige Monopolist
RTL. Der musste sich nun seinerseits radikal umstellen, denn der WDR sendete seit dieser Zeit auf immerhin 5 Hörprogrammen natürlich auch Musik für junge Hörer.
Fast könnte man meinen, es wäre ironisch gemeint gewesen, als RTL 1988 seine deutsche Sendezentrale (Rundfunk und Fernsehen) nach Köln verlegte, aber das hatte durchaus praktikable Gründe. Die Infrastruktur war ja bereits durch den WDR, den Deutschlandsender und die Deutsche Welle vorhanden. Heute hat sich alles liberalisiert. Auch bei den Privaten wachsen die Bäume nicht in den Himmel.