1937 - Umzug von Hamburg nach Harksheide
Onkel Georg hatte einen kleinen Fuhrbetrieb in Hamburg, der führte ihn eines Tages an den Ochsenzoll – die Grenze zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein – und nach Harksheide. Nach getaner Arbeit gönnte er sich ein Bier in Diekmanns Gasthof. Am Nebentisch diskutierten einige Herren über den Land- und Gastwirt Lüdemann, der sich am Glashütter Damm ein Altenteilerhaus baute, mit einer Einliegerwohnung, für die er noch keinen Mieter hatte. Der Glashütter Damm führt in einem großen Bogen von der Segeberger Chaussee wieder auf die Segeberger Chaussee. Die ersten vierhundert Meter führten durch ziemlich sumpfige Wiesen, die nach damaliger Meinung niemals bebaut werden konnten. Dann bog die kleine Sackgasse Lichthausredder (heute Immenhorst) ab, an deren Ende ein Lichthaus (Stromverteilerhäuschen) stand. Es folgte ein kleines Feld, häufig mit Buchweizen bestellt, schließlich drei einzelne Häuser. Das erste Haus gehörte einer Familie Sander, dann kam das Haus vom Fischmann Eckert, das letzte Haus war das des Ehepaars Lüdemann. Nachdem mein Vater über Onkel Georg von dieser Wohnung erfahren hatte, machte er sich per U-Bahn auf nach Ochsenzoll – eine völlig unbekannte Gegend für ihn.
Wir benötigten eine neue Wohnung, weil durch meine Geburt die bisherige in Hamburg-Bahrenfeld zu klein geworden war. Mein Vater war sich mit Herrn Lüdemann bereits fast einig, als der Vermieter wissen wollte, von wem er denn von der Wohnung gehört habe. Unglücklicherweise verfinsterte sich bei der Nennung des Namens Herrn Lüdemanns Gesicht: Mit diesem Menschen war er seit längerer Zeit verfeindet!
Er war im Begriff, die Übereinkunft platzen zu lassen. Erst eindringliches Zureden meines Vaters, er kenne diesen Menschen nicht, habe ihn noch nie gesehen, vermochte Herrn Lüdemann wieder umzustimmen. An meinem zweiten Geburtstag zogen wir 1937 in die neue Wohnung. Meine Eltern lebten dort 53 Jahre sehr zufrieden.
1939 - der Zweite Weltkrieg beginnt
Am 1. September begann der Zweite Weltkrieg. Am 8. November 1939 wurde mein kleiner Bruder Hans-Jürgen geboren. Kurz danach wurde mein Vater zum Kriegsdienst eingezogen. Er kam zunächst nach Neumünster und 1941 an die russische Front.
1941 - Bomben auf Harksheide
Vor den Großangriffen auf Hamburg fielen vermehrt Bomben auf Harksheide und die umgebenden Dörfer (heute Norderstedt). Diese Bomben galten eigentlich Hamburg und es hieß, die Tommys (so nannten wir die Engländer) hätten ihre Ziele noch nicht gefunden. Eines Tages fiel eine Brandbombe gegenüber unserem Haus auf den Pferdeweg. Herr Eckert, unser Luftschutzwart, konnte sie erfolgreich löschen. Wir alle waren aus unserem Keller gekommen, um ihm dabei zuzusehen.
Jeder Fliegeralarm war für meine Mutter sehr anstrengend, musste sie doch den Kinderwagen vom ersten Stock nach unten schleppen, von da über den Hof und die Treppe zum Keller hinunter. Von dort aus ging sie wieder nach oben, um meinen Baby-Bruder anzuziehen und ebenfalls in den Keller zu bringen. Davor hatte sie mich geweckt, mir gesagt, ich solle aufstehen, mich anziehen und in den Keller kommen – was aber selten geschah: Ich war sooo müde. Also kam meine Mutter wieder über zwei Treppen nach oben, schimpfte mich aus, zog mich fertig an und ging mit mir ebenfalls in den Keller.
Wenn Bomben fielen, machten sie auf dem Weg zur Erde ein seltsam heulendes Geräusch. Während dieser Zeit wusste niemand, wo sie landen würde. Man saß zusammengesunken da und erwartete, dass die Bombe einen vielleicht träfe. Ich hatte große Angst und jammerte lauthals. Das ging natürlich auf die ohnedies gespannten Nerven der anderen im Keller. Daraufhin sagte Frau Lüdemann zu mir: Gisela, du musst nicht jammern, du musst beten!
– daraufhin begann ich lauthals zu beten: Lieber Gott, bitte, lass die Bombe nicht auf unser Haus fallen!
Nun belehrte Frau Lüdemann mich, beten müsse man leise. Also betete ich fortan leise, je näher die Bombe kam, desto schneller. Ich hatte Glück, keine Bombe traf im Krieg unser Haus.
Im Jahr 1941 wurden wir Zurückgebliebenen gemeinsam nach Pappenheim evakuiert. Parallel zu den Evakuierungen fanden Kinderlandverschickungen
Siehe Kinderlandverschickung
(KLV) - Originaltext des Rundschreibens von 1940 Klick … einzelner Kinder statt und mein Vater wollte nicht, dass die Familie auseinandergerissen wurde. Die Reise nach Pappenheim in Bayern war für meine Mutter sehr schwierig: Der Zug hielt wiederholt wegen Fliegeralarms und mein Bruder füllte seine Windeln in Rekordtempo. Also erreichten wir Pappenheim mit einem Bündel verschmutzter Windeln. Meine Mutter musste direkt nach der Ankunft mit ihrer Wirtin Frau Erdmenger Windeln kochen, Pampers gab es ja noch nicht.