Erinnerungen an Heinz Erhardt
Wer denkt nicht in dieser Woche besonders an ihn, den großen Unterhaltungskünstler Heinz Erhardt. Am 20. Februar, also vergangenen Freitag wäre er 100 Jahre alt geworden. Vor 30 Jahren ist er gestorben, aber nicht vergessen.
Ich erinnere mich noch lebhaft an die Zeit anfangs der 1950er Jahre, als ich als Pennäler
zur Schule ging. Er trat zu Anfang seiner Karriere im Hörfunk auf, denn das Fernsehen hatte sich noch nicht durchgesetzt, aber alle besaßen inzwischen ein Radio. An Samstagabenden im Rahmen der Sendung Bunter Abend
bekam er seine Auftritte - der Wortakrobat mit dem gehobenen Blödsinn, nie unter der Gürtellinie, nie beleidigend und völlig unpolitisch. Wir krochen fast in den Apparat hinein, um ja keine Silbe zu verpassen. Leider konnten wir ihn noch nicht sehen, aber an der Reaktion des Publikums hörten wir, dass dort auch optisch gewaltig etwas abging. Die Leute lachten oft schon, bevor er den ersten Ton von sich gab.
Dann die berühmte Begrüßung:
Ich heiße nicht nur Heinz Erhardt, sondern Sie auch herzlich willkommen!
Damit hatte er den ganzen Saal vollends im Griff.
Brüllendes Gelächter auch dann, wenn er seine etwas pummelige Figur auf die Schüppe nahm:
Alles auf der Welt geht natürlich zu, nur meine Hose geht natürlich nicht zu.
Seine Wortspiele waren so urkomisch, dass es am folgenden Montag in der Schule beinahe nur dieses eine Pausenthema gab. Jeder von uns imitierte mindestens einen Witz oder ein Gedicht des großen Meisters oder versuchte, etwas Eigenes in seinem Stil zu erfinden und vorzutragen. Natürlich gelang es nie hundertprozentig, denn Heinz Erhardt ist unnachahmlich und einmalig. Aber wir lachten, bis das Zwerchfell Muskelkater kriegte.
Später im Fernsehen und in seinen Filmen ergötzten wir uns zusätzlich an seiner Mimik, seinen Gesten und Bewegungen.
Er war ja ein scharfer Beobachter dessen, was so im Alltag passierte und was sich in der Gesellschaft tat. Wenn er heute noch lebte, hätte er auch den manchmal überdrehten Hang zum Gebrauch einer so genannten geschlechtsneutralen, emanzipierten Sprache wahrgenommen und humorvoll aufgespießt. Seine Begrüßung wäre dann vielleicht folgendermaßen ausgefallen:
Ich heiße nicht nur Heinz Er-sie-hardt, sondern Sie auch herzlich willkommen.
Die Erinnerungswerkstatt, die er bestimmt schon gekannt hätte, würde er Er-sie-innerungswerkstatt nennen, denn wir haben ja auch Autorinnen in unserer Gruppe.
Und das Gedicht über sie hätte er möglicherweise so gereimt:
Das Er-sie-innern
Er-sie-innern ist ne feine Sache,
wenn ich daraus Geschichten mache.
Doch für so manche/n Bösewicht/in
kann's brenzlig werden vor Gerichten.
Noch' n Gedicht:
Die Werk-Statt
Die Werk-Statt der Erinnerungen,
(nun will ich das mal lassen mit der geschlechtsneutralen Sprache, achten Sie nur auf den Reim)
das Werk ist bisher gut gelungen.
Die Statt bezahlet keine Miete,
das Rote Kreuz gibt ihr 'ne Suite.
Bleiben' se noch' n Moment sam- merk -auf, äh, aufmerksam, ich hab noch' n Gedicht.
Trow sad(Pause)
(Publikum wirft fragende Blicke.)
Was gucken Sie so komisch?(Pause)
Ach ja, so was Dummes; ich muss ja von links anfangen zu lesen und nicht von rechts.
Das Wort
Das Wort entspringet dem Gemüt,
das Pferdchen meistens dem Gestüt.
Schnell eingefangen ist das Vieh,
beim Wort gelingt es nie.Wenn 's Pferdchen hungert, liegt 's am Fressen,
beim Worte nennt man es Vergessen.
Und zum Ssulsch, äh, Schluss:(schaut auf die Uhr)
Himmel, Gesäß und Zwirn,
jetzt muss ich stoppen mein Gehirn.
Ist spät gewor'n für den, der muss,
sonst verpasst er noch den Bus.(Publikum klatscht)
Halt, halt, da kommt ja noch etwas im Gedicht:
Und nun ist Schluss.
So, nun dürfen Sie.
Wie fast jeder Bewunderer von Heinz Erhardt habe auch ich ein Lieblingsgedicht des großen Meisters:
Der Stier
Ein jeder Stier hat oben vorn
auf jeder Seite je ein Horn;
doch ist es ihm nicht zuzumuten,
auf so 'nem Horn auch noch zu tuten.
Nicht drum, weil er nicht tuten kann,
nein, er kommt mit dem Maul nicht 'ran!