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1949 bis 1989 - 40 Jahre DDR

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Leben in der DDR — 40 Jahre Diktatur
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Karte der DDR

Die Bezirke der DDR (Grenzen und Bezeichnungen aus DDR-Sicht, 1989)
Quelle: Algos at the German language Wikipedia [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

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Die DDR von außen betrachtet

Vor dem Mauerfall am 9. November 1989 war ich nie in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), weder privat noch beruflich. Ich hatte dort keine Verwandte oder Bekannte. Infolgedessen bezog ich meine Kenntnisse über die inneren Zustände der sowjetisch besetzten Zone, kurz Ostzone, und späteren DDR nur aus den Medien, sowie Erzählungen und Berichten derjenigen Westbürger, die eine Besuchserlaubnis und aus den wenigen Kontakten mit DDR-Bürgern, die eine Reiseerlaubnis bekommen hatten. So konnte ich in den 80er Jahren mit einigen Rentnern sprechen, die bekanntlich aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) reisen durften, aber ihre kargen Antworten auf meine Fragen waren — aus verständlicher Angst vor Spitzeln — unergiebig.
Ebenso die betagten DDR-Bewohner, mit denen meine Frau und ich 1974 an der Sonnenküste im sozialistischen Bulgarien während unseres Urlaubs ins Gespräch kamen. Sie waren freundlich und listig zugleich. Sie machten keinen Hehl daraus, dass sie bespitzelt wurden und keine Dinge von uns annehmen durften, waren aber scharf auf unsere Zeitungen und Zeitschriften. Infolgedessen schlugen sie vor, dass wir unseren Lesestoff einfach im Sand liegen lassen und weggehen sollten. Sie würden ihn dann später rein zufällig finden. Gesagt, getan.

Ganz anders die jungen DDR-Bürger. Sie traten nur in kontrollierten Gruppen auf und ließen sich überhaupt nicht ansprechen. Als ich das Endspiel um die Fußballweltmeisterschaft 1974 im voll besetzten Hotel im Fernsehen sah, schauten sie ohne Begeisterung zu, obwohl die (bundes-)deutsche Mannschaft gewann.

Richtig aufgeschlossen verhielten sich die selbständigen Handwerker aus der DDR, zum Beispiel Friseure. Ich hatte nicht geglaubt, dass es dort noch Selbständige gäbe. Wir konnten mit ihnen zusammen in den lauschigen Strandrestaurants speisen und über Gott und die Welt freiweg reden. Sie besaßen auch genügend Geld, obwohl der Staat ihnen eine Preisobergrenze vorschrieb.

Wie mächtig die Propaganda der DDR sein konnte, erfuhr ich zum ersten Mal 1949, als wir unser erstes Radiogerät, Marke Grundig, sogar schon mit magischem Auge, für 400 DM, damals ein Haufen Geld, auf Raten gekauft hatten. Ich hörte gerne unseren Schulfunk, weil er verständlich und einigermaßen lebendig wertvolles Wissen vermittelte. Seine Erkennungsmelodie entstammte Mozarts wunderbarer Zauberflöte. Doch eines Tages stieß ich auf eine unbekannte Frequenz auf der damals üblichen Mittelwelle, die auf der Senderscala nicht mit dem Sendernamen bezeichnet war. Auf ihr wurde mit ungewohnter Intensität Kinderfunk ausgestrahlt. Er entpuppte sich bald als DDR- Sender und musste eine ungeheure Reichweite gehabt haben, denn Bochum, meine Heimatstadt, liegt sehr weit westlich der damaligen innerdeutschen Grenze. Ich hörte ein geistiges Verbrechen an Kindern: Gegen die junge BRD und allgemein gegen den Westen Agitation, Lügen, Hass und Hetze in einer derart indoktrinierenden Form, wie ich es selbst im nationalsozialistischen Deutschen Jungvolk kaum gehört hatte. Zum Beispiel wurde den Kindern immer wieder eingetrichtert, dass es in der BRD nur so von Kriegstreibern und von bis an die Zähne bewaffneten Armeen wimmelt, die nur darauf warteten, in die DDR einzufallen. Dabei wurde mit einer schmissigen Melodie ein Lied eingeübt, das mit folgendem Text begann: He, du Kriegshetzer, mal kein Gespenst an die Wand, du verbrennst in den eigenen Flammen, ... Ich könnte es noch heute singen. Eine infame Lüge und Verdrehung der Tatsachen, denn die Bevölkerung bei uns hatte vier Jahre nach Kriegsende inmitten der Trümmer und Ruinen wirklich die Nase voll vom Krieg. Fast alle wehrfähigen Männer waren obendrein im Krieg gefallen oder schmachteten in russischer Kriegsgefangenschaft. Wohingegen Stalin und seine Vasallen mit Wühlarbeit und Waffengewalt politisch und militärisch die Weltrevolution anstrebten.

In mir und vielen anderen auch kochte die Wut über die unmenschliche Teilung Deutschlands durch hohen Zaun mit Selbstschussanlagen, scharfen Hunden, Todesstreifen und Minenfeld bis zum Siedepunkt hoch, wenn ich in die unmittelbare Nähe des Eisernen Vorhangs kam.

Zum Beispiel 1983 im Harz, nahe bei Braunlage. Ich befand mich beim Spazierengehen ungefähr einen Schritt vor der Grenzmarkierung. Plötzlich stand vor mir, ca. 3 Meter entfernt, auf DDR-Gebiet, noch vor dem befestigten Grenzzaun, wie aus dem Boden geschossen, eine Offiziersstreife der Volksarmee. Die drei Männer drehten mir den Rücken zu und unterhielten sich. Ich grüßte und sprach sie freundlich an. Keine Reaktion. Darauf reagierte ich etwas provozierend und beleidigt über ihr ungehöriges Benehmen, aber sie beachteten mich scheinbar überhaupt nicht.

Abends im Restaurant klärten mich Einheimische auf, als ich ihnen mein Grenzerlebnis erzählte. Es gäbe neuerdings versteckte Erdbunker noch vor dem eisernen Zaun (von Westen aus betrachtet). Dort dürften aber nur Offiziere Dienst machen, weil die Armeeführung Angst hätte, dass einfache Soldaten die gute Gelegenheit zur Flucht ergreifen könnten. Auch sei absolutes Kontaktverbot für die Grenzer verhängt worden. Früher hätte man noch hinüber und herüber gewinkt. Wir im Westen winken noch weiter, sagten sie, und wir sind überzeugt, dass die auf der anderen Seite es mit geheimer Freude wahrnehmen, denn man kenne sich ja noch aus früherer Zeit vor der Grenzziehung. Und dass ich Glück gehabt hätte, denn ein Schritt weiter und ich..... wäre mindestens für den Rest meines Urlaubs zu Gast beim Schwert und Schild des Sozialismus, sprich Staatssicherheit, wo der Service albtraumhaft sein soll.

In Hohegeiß stockte mir fast das Herz, als unser damals jugendlicher Sohn voller Wut Steine auf einen DDR-Grenzpfahl warf. Wenige Meter dahinter stand ein Wachtturm, hoch und drohend mit vielen Fenstern wie ein Riese mit großen, bösen Augen. Glücklicherweise war er wohl gerade nicht besetzt, denn sonst hätte es schlimme Folgen haben können.

Wie gerne wäre ich im Harz auch auf seinen höchsten Berg, den Brocken, gestiegen. So aber stand ich nur an seinem Fuß auf der Westseite und starrte wehmütig auf den Gipfel und die verunzierenden Radar- und Lauschanlagen der Sowjets. Dabei musste ich an die Märchen und Sagen denken, die sich um diesen Berg ranken, Tanzplatz der Hexen in der Walpurgisnacht.

Wie oft standen meine Frau und ich vor 1990 auf der Kurpromenade in Travemünde und schauten mit Schwermut hinüber zur Mecklenburger Seite der Lübecker Bucht. Gegenüber auf der Halbinsel Priwall noch fröhliches Badeleben. Dann weiter links die Grenze, und das menschliche Leben hörte scheinbar wie abgeschnitten auf. Nur ein Wachtturm und manchmal ein graues Patrouillenboot vor Anker, ähnlich einem lauernden und sprungbereiten Raubtier, erinnerten unmissverständlich an den Todesstreifen. Die gesamte Ostseeküste bis zur Landspitze vor Boltenhagen war menschenleer und bot ein trauriges Bild.

Hin und wieder gelangten wir bei unseren Ausflügen an den Schaalsee und in die Landschaft an seinem westlichen Ufer. Aber schnell verließen wir die an sich schöne Gegend, weil der dort verlaufende Eiserne Vorhang eine eigenartige, trostlose Stimmung verbreitete.
Beruflich und privat musste ich oft mit der Eisenbahn die Strecke Hamburg-München-Salzburg fahren. An einigen Stellen, wie bei Bad Sooden-Allendorf, führten die Schienen nahe an der Zonengrenze etwas erhöht vorbei. Wie von einer Empore konnte man dann auf die Landschaft gucken. Wie ein Skalpell durchschnitt der hohe Stacheldrahtzaun mit dem exakt davor angelegten kahlen Todesstreifen und dem freien Schussfeld gegen Flüchtlinge die anmutige Natur. Kein Leben, keine Bewegung waren zu sehen. Die meisten Reisenden überfiel ein beklemmendes Gefühl und die Gespräche verstummten für eine Weile.

Wenn ich auch nur von meinen Außenansichten der DDR berichten kann, so befand ich mich doch einige Male auf ihrem Territorium, und zwar auf der Transitstrecke von Hamburg nach Berlin West im Reisebus. Die Busfahrer machten ihre Reisegäste vor den Kontrollstellen eindringlich darauf aufmerksam, was sie zu tun und zu lassen hatten. Vor allem nicht den Sitzplatz zu verlassen, den Reisepass griffbereit zu halten und jede provokatorische Äußerung, und sei sie auch nur humorvoll gemeint, zu unterlassen. Entsprechend gespannt war dann die Atmosphäre und mit fast Totenstille wurden die peniblen und zeitraubenden Amtshandlungen der Grenzer mit den Augen verfolgt. Als dann endlich mit sichtbarem Ausdruck der Staatsmacht, herablassend und gönnerhaft, das schwere, stählerne Tor geöffnet wurde für unsere Weiterfahrt in die Freiheit, konnte man die Entspannung der Reisenden mit den Händen greifen.

Von Leuten, die auf Einzelfahrt mit dem Zug oder PKW in die DDR reisten, hörte ich die unglaublichsten Geschichten über Schikanen an den Grenzstellen. Aber ich will ja nur Selbsterlebtes schildern, wie es die Regel in unserer Erinnerungswerkstatt verlangt.

Wenn ich als Hamburger Landesbeamter eine Dienstreise nach Berlin West antreten musste, durfte ich nur das Flugzeug benutzen, um unvorhersehbaren Grenzschikanen nicht ausgesetzt zu sein.

Nun sind Wachttürme, Zaun und Todesstreifen dort, wo sie hingehören: zum Teufel und auf dem Schrottplatz der Geschichte. Das Leben sprudelt frei über die ehemalige Grenze.
Inzwischen gibt es viele junge Erwachsene, die diese historischen Vorgänge nicht erlebt haben oder sich nicht erinnern können, weil sie damals noch nicht geboren waren oder im Kinderbettchen strampelten. Aber für die Berichterstattung sind wir ja da, wir von der Erinnerungswerkstatt.

Nachtrag, nur zur Erinnerung:

Am 3. Oktober 1990 wurde offiziell der Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 Grundgesetz offiziell vollzogen und damit die Wiedervereinigung Deutschlands außer den bis Ende des zweiten Weltkrieges zum Deutschen Reich gehörenden Gebieten östlich der willkürlich gezogenen Oder/Neiße-Grenze (Ost- und Westpreußen, Danzig, Pommern, Schlesien) völkerrechtlich verankert. Dank des entscheidenden Zugeständnisses von Moskau, an das wir Deutsche am wenigsten geglaubt hatten — in Anbetracht der blutig niedergeschlagenen Volksaufständen in der DDR 1953, in Ungarn 1956, in der Tschechoslowakei 1968 und des ausgerufenen Kriegsrechts in Polen um 1980. Aber 1989 schien die Sonne in der politischen Großwetterlage für den unüberhörbaren und unübersehbaren Einheits- und Freiheitswillen der Deutschen. Eine einmalig günstige Situation entstand. Die DDR-Führung war nämlich Ende der 1980er Jahre beim Kreml in Ungnade gefallen. Wirtschaftlich drohte der Bankrott. Die UdSSR zeigte beginnende Zerfallserscheinungen durch Gorbatschows neue Politik der Glasnost und Perestroika. Unsere Regierung hat diese für die Wiedervereinigung Deutschlands vorteilhaften Umstände schnell erkannt und sofort konsequent ausgenutzt, mit sehr viel Geld — im Milliardenbereich — für den sowjetischen Truppenabzug. Kanzler Helmut Kohl wäre eine strahlende, historische Persönlichkeit geworden, wenn nicht später die Affäre um die Schwarzen Parteikassen seinen Glanz verdunkelte. Eine Revolution gelang auf wunderbare Weise ohne einen Tropfen Blut, nur mit Gebeten und brennenden Kerzen — die deutsche Einheit, eine Sternstunde der deutschen Geschichte, so formulierte auch unser Bundesratspräsident Kretschmann anlässlich der Feierstunde zum 3. Oktober in diesem Jahr.


  • Autor: Günter Matiba, 3. Oktober 2013
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