Die Zeit des Handelns - Global 2000
Ich habe die 1980er Jahre als eine Zeit voller Umbrüche und Veränderungen erlebt, sowohl in der Weltpolitik als auch im privaten Bereich. Zehn Jahre zuvor hatte ich über die Wohnungsfürsorge der Deutschen Bundespost eine Neubauwohnung zugewiesen bekommen. Da ich verheiratet war und auch ein Kind hatte, stand mir nach den Vergaberichtlinien eine Dreizimmerwohnung zu, die mir in Hamburg-Eidelstedt zugewiesen wurde. Die Wohnungsvergabe erfolgte immer nach dem gleichen Schema, zuerst wurden die Ladenhüter
, schwer vermittelbare Wohnungen aus dem Bestand, zugewiesen. Zweimal durfte man ablehnen, bei dritter Ablehnung verfiel der Anspruch, dann blieb als Alternative nur der private Wohnungsmarkt. Die sogenannten Postwohnungen
waren sehr begehrt. Bei den Bauträgern handelte es sich um Wohnungsgenossenschaften, deren Projekte mit Mitteln der Deutschen Bundespost gefördert wurden, die im Gegenzug ein Kontingent an Wohnungen für Postpersonal bereitstellten. Drei Zimmer, sechster Stock, 92 Quadratmeter, hell, freundlich, verkehrsgünstig gelegen, mit Müllschlucker und Fahrstuhl. Für uns, meine Frau, meinen Sohn und mich ein Hauptgewinn
. Im Januar 1972 sind wir von Norderstedt nach Hamburg-Eidelstedt umgezogen.
1980 habe ich mich von meiner Frau getrennt, aber dafür gesorgt, dass sie mit unserem gemeinsamen Sohn in der Eidelstedter Wohnung bleiben konnte. Schwer genug für ihn, unsere Trennung zu verkraften, wollte ich ihm wenigstens sein Umfeld erhalten. Damit verlor ich allerdings meinen Anspruch auf eine Postwohnung
. In Niendorf habe ich in einem kleinen Mietshaus eine privat vermietete Einzimmerwohnung gefunden. Diese 38 Quadratmeter, Wohnklo mit Küche
scherzte ich damals, waren für mich nach der Scheidung gerade noch bezahlbar.
Auch dienstlich bahnte sich eine große Veränderung an. War ich bislang bei der grauen Post
im Bereich Netzneubau und -unterhaltung als Bauführer tätig gewesen, bemühte ich mich um mein berufliches Weiterkommen, da ich hier, aus Mangel an höherwertigen Dienstposten, nicht mehr befördert werden konnte. Den Wechsel in den fernmeldetechnischen Betrieb habe ich nie bedauert, zumal ich die beginnende Digitalisierung miterleben und mitgestalten durfte. War bisher die Telefonie das Kerngeschäft, wurden jetzt zunehmend neue Dienste angeboten, wie beispielsweise BildschirmtextLesen Sie auch:Moderne Zeiten
Über die Einführung von Bildschirmtext 1983, Teletext und Datex. Das Übertragen von Daten nahm Fahrt auf und wurde immer wichtiger.
Im Rahmen meiner dienstlichen ObliegenheitenLesen Sie auch:
Aladin aus der Wunderlampe,
oder:
Die Lichter gehen aus … wurde ich mit dem Einmessen und dem übertragungstechnischen Abgleichen von Datenleitungen, unter anderem auch für die Überwachung der Strahlenwerte atomtechnischer Anlagen, betraut. Ich erinnere mich, wie ich eines Tages im obersten Stockwerk des Rathauses Pinneberg an einem dieser Messpunkte zu tun hatte. Da die Übertragung der Daten per Datex-Dienst noch nicht funktionierte, hatte man einen Drucker an den Messpunkt angeschlossen. Der Messfühler auf dem Dach lag genau in der Abgasfahne des Atomkraftwerks Stade und war nur einer von vielen, die rund um das Kraftwerk installiert waren. Dieses Kraftwerk war im Jahr meines Umzugs nach Eidelstedt 1972 in Betrieb genommen worden und der Bau eines weiteren Kraftwerks in Brockdorf wurde im selben Jahr von der Kraftwerk Union AGDie Kraftwerk Union AG (KWU) war ein gemeinsames Tochterunternehmen von Siemens und AEG. Es betrieb insbesondere den Bau von Kernkraftwerken. Die KWU stand später synonym für das Kraftwerksgeschäft von Siemens. beschlossen. Bis dahin war mir nicht bewusst, dass über den Abgaskamin neben der runden Kuppel des Druckbehälters radioaktive gasförmige Emissionen in die Umwelt abgegeben werden, deren Werte von diesen Messpunkten überwacht wurden. Und Pinneberg, Eidelstedt, Norderstedt und alle kleinen Dörfer in dieser Region lagen bei überwiegend westlichen Winden genau in dieser Abgasfahne. Der Drucker am Messpunkt hatte die Woche zuvor, bei Ostwindlage, fast keine Radioaktivität registriert, jetzt aber, als ich dort tätig war, einen erheblichen Ausschlag aufgezeichnet.
Dieses Erlebnis sensibilisierte mich und ich besorgte mir Literatur und Informationsmaterial, um besser verstehen zu können, welche Risiken wir Menschen durch den technischen Fortschritt in Kauf nehmen müssen. Eine Buchhandlung am Grindel führte entsprechende Titel, unter anderem fand ich dort auch ein faszinierendes Buch mit dem Titel Global 2000 – Der Bericht an den Präsidenten
. Trotz meines knappen Budgets habe ich mich für den Kauf entschieden.
In den Vereinigten Staaten hatte es in den Jahren zuvor große weltpolitische Umbrüche gegeben. Nach der Watergate-Affäre 1974 trat Richard Nixon zurück und Gerald Ford übernahm das Amt. Ein Jahr später fand der Vietnamkrieg ein Ende, der weltweit für Empörung und Demonstrationen gesorgt hatte. Ford war es, der den Vietnamkrieg für beendet erklärte, Nixon begnadigteDie Watergate-Affäre zwingt Nixon nach einem Amtsenthebungsverfahren am 9. August 1974 zum Rücktritt. Sein Nachfolger, Gerald Ford, begnadigt ihn einen Monat später, sodass er strafrechtlich nicht mehr belangt werden kann. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, sagt das Sprichwort. und damit eine strafrechtliche Verfolgung seines Vorgängers vereitelte. Nach Ford wurde 1977 Jimmy Carter als 39. Präsident der USA ins Amt gewählt. Als eine seiner ersten Amtshandlungen erging eine Anweisung an die Ministerien, eine Studie zu erstellen. Die Ministerien sollten herausfinden, wie sich Ressourcenverbrauch, Weltbevölkerung, Trinkwasser- und Energiereserven in den nächsten zwanzig Jahren, also bis zum Jahr 2000, entwickeln würden. Überhaupt war die Zahl 2000 eine magische Zahl, das letzte Jahr des zweiten Jahrtausends nach Christi Geburt. Programmierer der 1980er Jahre fürchteten den Millennium-Bug, der durch die Speicherung von nur zweistelligen Jahreszahlen entstanden war.
Diese Studie Global 2000
wurde 1980 dem Präsidenten übergeben, er wollte sich ihrer als Grundlage seiner zukünftigen Politik bedienen. Dazu ist es leider nicht gekommen, Jimmy Carter wurde 1981 nicht wiedergewählt und sein Nachfolger, Ronald Reagan, ließ den Bericht schreddern und in Makulatur verwandeln. Hatten sich die Vereinigten Staaten in den vier Jahren unter Jimmy Carter friedlich gezeigt, ohne Kriege oder Auseinandersetzungen anzuzetteln, kehrte Ronald Reagan in die Zeiten des Kalten Krieges zurück und rief SDI
Die Strategic Defense Initiative (SDI, deutsch Strategische Verteidigungsinitiative) ist eine von US-Präsident Ronald Reagan in einer angespannten Phase des Kalten Krieges gegen die Sowjetunion ins Leben gerufene und am 23. März 1983 offiziell angeordnete Initiative zum Aufbau eines Abwehrschirms gegen Interkontinentalraketen. Edward Teller, der
Vater der Wasserstoffbombe
(rechts, mit Ronald Reagan), war einer der Erfinder und stärksten Befürworter des SDI-Programms.Quelle: Wikipedia.org ins Leben, einen Raketenschutzschirm aus atomar bestückten und weltraumgestützten Raketen, die sich gegen die UdSSR richteten. Die Presse sprach damals in Anlehnung an den gleichnamigen Film vom Krieg der Sterne
.
Einer der Erfinder und stärksten Befürworter des SDI-Programms war Edward Teller, bekannt geworden als Vater der WasserstoffbombeWasserstoffbombe, Fusionsbombe, auf einer unkontrollierten thermonuklearen Reaktion vornehmlich durch die Verschmelzung von Deuterium und Tritium sowie Lithium zu Helium beruhende Waffe. Unter der Leitung von Edward Teller wurde die Wasserstoffbombe in den USA entwickelt und erstmals 1954 über dem Bikini-Atoll gezündet.
. Sein Lebenswerk bestand in einer von ihm entwickelten Technik, Menschen höchst effektiv in Staub zu verwandeln. Sein Wirken machte 1954 auch die Menschen heimatlos, die in der Südsee, auf dem Bikini-Atoll lebten.
Der Verlag Zweitausendeins
rettete die Studie Global 2000
Global 2000 ist eine Umweltstudie, die 1977 von US-Präsident Jimmy Carter im Rahmen einer Botschaft an den Kongress in Auftrag gegeben wurde. Sie wurde im Jahre 1980 von der US-Regierung veröffentlicht und noch im selben Jahr von einer Gruppe von Mitarbeitern des Verlages Zweitausendeins ins Deutsche übersetzt. vor dem Schredder und ließ sie ins Deutsche übersetzen. Das 1.438 Seiten umfassende Buch kam 1980 in Deutschland auf den Markt, ein Jahr später mit der zweihundertseitigen Ergänzung
Zeit zum Handeln
. Die Prognosen der Studie trafen früher ein als erwartet, beispielsweise wurde die prognostizierte Sechs-Milliarden-Marke für die Weltbevölkerung schon ein Jahr früher, 1999, erreicht. Hatte Jimmy Carter diese Studie zur Grundlage seines Handelns machen wollen, verschlossen nachfolgende Regierungen die Augen vor den anstehenden Problemen und handelten nicht.
Sensibilisiert durch meine Lektüre und die Ereignisse der Weltpolitik wollte ich, wie viele Gleichaltrige damals, auch ein Zeichen setzen gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und gegen einen technischen Fortschritt, dem ich zutiefst misstraute. Ende Februar 1981 riefen Atomkraftgegner zu einer weiteren Großdemo gegen den Kraftwerksbau in Brokdorf auf. Vorausgegangen war die Aufhebung des Baustopps, den das Oberverwaltungsgericht Lüneburg wegen der ungeklärten Entsorgung von atomaren Abfällen 1977 verhängt hatte. Der Landrat des Kreises Steinburg ließ die geplante Großdemo verbieten, allerdings wurde das Verbot vom Verwaltungsgericht Schleswig zum größten Teil wieder aufgehoben, woraufhin das Oberverwaltungsgericht Lüneburg erneut ein Demonstrationsverbot für die gesamte Region Wilster Marsch erließ. Kaum einer der Demonstranten ließ sich aber davon abhalten, an dieser Demo teilzunehmen. Ich auch nicht.
Die Bundesstraße 431 war bereits weiträumig von der Polizei gesperrt worden, es standen sogar Container auf der Straße. Ich erinnere mich an eine Szene, als ein vollbesetztes Fahrzeug durch die Sperren gewinkt wurde, nachdem den kontrollierenden Polizisten von den Insassen in Demouniform
, sie waren mit Jeans und Bundeswehrparkas bekleidet, irgendwelche Papiere oder Ausweise vorgezeigt wurden. Ich vermutete damals staatlich eingesetzte Agents ProvocateursAuch Lockspitzel
- Als Agent Provocateur bezeichnet man eine Person, die üblicherweise im Auftrag des Staates einen oder mehrere Dritte zu einer gesetzeswidrigen Handlung provozieren soll., die zur Eskalation beitragen sollten.
Zu Fuß, über Felder und zugefrorene Gräben kam ich bis zum Störsperrwerk, weiter nicht. Die Straßenbrücke über die Stör, der Weiterweg zur Brokdorfer Baustelle, war hochgeklappt worden. Deutlich wurde spätestens jetzt, wie gut der Bauplatz unter strategischen Gesichtspunkten gewählt wurde, um Großdemos zu verhindern und den Fortschritt
gegen den Willen der betroffenen Bevölkerung durchzusetzen. Aus der Ferne konnte ich riesige Militärhubschrauber über der Baustelle kreisen sehen. In den Abendnachrichten sah ich Bilder im Fernsehen, die wie Krieg anmuteten. Militante Gruppen, denen es gelungen war, bis zum Bauplatz vorzudringen, hatten die Großdemo eskaliert. Polizisten wurden mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen, die antworteten mit Knüppeln, Tränengas und Wasserwerfern. Militärhubschrauber flogen knapp über die Köpfe der Demonstranten hinweg und warfen sie mit den Abwinden der Rotoren um. Bilder voller Aggression. Die geplante friedliche Großdemo war völlig aus dem Ruder gelaufen. Zu erwähnen ist noch, dass ich auf dem Rückweg in eine Menschenmenge geraten bin, in der es ebenfalls ein Gerangel mit der Polizei gegeben hatte. Ich war zwar nicht an dem Gerangel
beteiligt, doch habe ich auch etwas abbekommen, die Polizisten waren nicht zimperlich mit ihren Schlagstöcken.
Das Demonstrationsverbot hat danach noch lange die Gerichte beschäftigt, 1985 kamen die Richter in Kassel zu dem Schluss, dass dieses Verbot unzulässig war, weil friedfertige Bürger ein Recht auf Versammlungsfreiheit hätten, dass auch dann erhalten bleibt, wenn mit Ausschreitungen Einzelner oder einer Minderheit zu rechnen sei
. Im selben Jahr geht Brokdorf ans Netz. Ein Jahr später fliegt in Tschernobyl ein Atomreaktor in die Luft und macht weite Landstriche auf Dauer unbewohnbar. Die Einwohner der nahegelegenen Stadt Pripjat werden evakuiert und kehren nie mehr in ihre Stadt zurück. Die radioaktive Wolke führt zu teils erheblicher Strahlenbelastung in Westeuropa. Notfallpläne gibt es nicht, die Katastrophe trifft Deutschland völlig unvorbereitet. Obwohl das Ausmaß der Verstrahlung unbekannt ist, gibt sich Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) gelassen und informiert die deutsche Bevölkerung erst Tage später im Rahmen eines Tagesschau-Interviews. Er wiegelt ab, es hätte zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Bevölkerung bestanden.
2001 beschließt eine rot-grüne Mehrheit im Deutschen Bundestag den Ausstieg aus der Atomenergie, Brokdorf soll 2018 abgeschaltet werden. Dieser Ausstieg wird neun Jahre später von einer gelb-schwarzen Mehrheit gekippt und die Laufzeit Brokdorfs bis 2033 verlängert. Erst die Atomkatastrophe von Fukushima führt zu einem Lernerfolg. Was über Jahre als völlig undenkbar angenommen wurde, war jetzt Wirklichkeit geworden: Die Bundesregierung beschließt einen endgültigen Ausstieg und Brokdorf soll am Ende dieses Jahres vom Netz gehen.
Ich bin sehr gespannt auf die Bundestagswahl am 26. September 2021 und welche Kräfteverhältnisse danach herrschen werden. In den USA setzt sich gerade Bill Gates dafür ein, viele kleine Atomkraftwerke zu bauen, die angeblich CO2-neutral sind, um damit einer drohenden Klimakatastrophe zu entgehen. Auch bei unseren Politikern hört man immer öfter, gerade jetzt im Wahlkampf, die Meinung, dass Probleme, die durch den technischen Fortschritt erst entstanden sind, durch eine bessere Technologie bewältigen werden können. Das jetzt propagierte Elektroauto als Klimaretter
ist ein gutes Beispiel für diese Argumentation. Um klimaneutral
Auto zu fahren, graben wir gerade die halbe Welt wegen der seltenen Erden um, die wir für die benötigten Batterien brauchen und sind gerne bereit, dafür fossile Brennstoffe in großem Stil für die benötigten Bagger, Lastautos, Schiffe und Fabriken zu verbrennen. Vor der negativen Bilanz durch die eingesetzte graue
Energie schließen wir gern die Augen und rechtfertigen unser Handeln mit dem Gewinn der neuen abgasfreien Technik. Gleichzeitig wird der Ausbau erneuerbarer Energietechnik, wie beispielsweise Fotovoltaik- und Windkraftanlagen massiv behindert und verhindert. Angeblich wegen der schützenswerten Umwelt und der Verschandelung von Landschaften durch den Windkraftspargelwald.
Heute gehen wieder junge Leute auf die Straße, demonstrieren für das Klima und skandieren: Wir sind hier und wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut
. Und sie meinen mit Ihr
uns, die Generationen vor ihnen, Urgroßeltern, Großeltern, Eltern, die Etablierten, Satten und Zufriedenen.
40 Jahre ist es jetzt her, dass der Titel eines Buches mahnte, es wäre Zeit zum Handeln
. Ich stehe am Ende meines Lebens und hoffe sehr, dass es nicht wieder 40 Jahre braucht um etwas zu bewegen, keine weiteren Studien darüber, wie sich der Ressourcenverbrauch entwickeln wird, keine weiteren Protestbewegungen oder Großdemos. Jetzt ist es Zeit zum Handeln
!
Nachwort:
Ich mache mir Gedanken darüber, ob nicht diejenigen, die heute auf die Straße gehen, um für eine bessere Politik zu kämpfen, in 40 Jahren diejenigen sein werden, welche den Jungen die Zukunft klauen
. Fronten aufzubauen, bringt wenig, erzeugt unnötigen Widerstand und spaltet die Gesellschaft; besser, die Menschen überzeugen. Und ob eine zukünftig bessere
Technik Probleme beseitigen wird, die erst durch Technik geschaffen wurden, wage ich zu bezweifeln, das scheint mir ein Paradox in sich zu sein. Die Corona-Pandemie könnte uns etwas lehren. Die Reisen, die im vergangenen Jahr nicht gemacht wurden, die vielen Flüge, die ausfielen, das Arbeiten von zu Hause aus und vieles Liebgewonnene, auf das wir aus Sorge um unsere Gesundheit freiwillig verzichtet haben, hat 2020 den sogenannten Weltüberlastungstag
, auch Welterschöpfungstag
um einen ganzen Monat, auf den 22. August nach hinten geschoben. Das zeigt uns den Weg. In diesem Jahr wurde er bereits wieder am 29. Juli erreicht …
In seiner Botschaft zur Umweltproblematik an den amerikanischen Kongress führte Präsident Carter am 23. Mai 1977 u. a. aus:
Umweltprobleme machen nicht Halt an Ländergrenzen. Im vergangenen Jahrzehnt haben wir und andere Nationen die Dringlichkeit internationaler Anstrengungen zum Schutz unserer gemeinsamen Umwelt erkannt. […]Ein Blick in den Bericht
Global 2000:[…] Ungeachtet noch vorhandener Schwächen bieten die in (Global 2000) den Kapiteln 1 bis einschließlich 13 vorgestellten Prognosen ein wichtiges und nützliches Bild der Zukunft. Unter der Voraussetzung eines fortdauernden technologischen Fortschritts (und ohne eine Veränderung der gegenwärtigen Ausrichtung der Politik) bietet sich das Bild einer - wenn überhaupt - nur bescheidenen Verbesserung der menschlichen Lebensverhältnisse. Ja, es besteht die reale Gefahr, dass Bevölkerungswachstum und Umweltbeeinträchtigung zu einer signifikanten Abnahme des Wohlergehens der Menschen in bestimmten Teilen der Welt des Jahres 2000 führen können. […]
Auch Klimaprognosen waren Teil der Untersuchungen, wobei sich die Experten nicht über die wahrscheinlich eintretende Entwicklung einig waren. Deshalb wurden drei mögliche Entwicklungen des Weltklimas entworfen, Fall I, gleichbleibend, Fall II, Erwärmung und Fall III, Abkühlung. Heute wissen wir, dass Fall II eingetreten ist. Aber auch damals wusste man bereits, dass im Falle einer weiteren Erderwärmung die Polkappen abschmelzen würden. Allerdings gingen die Auswirkungen der angenommenen Klimamodelle nicht in die Berechnung der verfügbaren Ressourcen ein, da man 1980 unsicher war, wie sich das Weltklima tatsächlich entwickeln würde.
Klimaszenarien für Global 2000
[…] Fall I: Keine Veränderung. Die jährlichen Niederschlags- und Temperaturstatistiken entsprechen denen des Zeitraums von 1941-70. In den USA treten auch weiterhin alle 20-22 Jahre Dürreperioden auf, während es in Indien seltener als in jüngster Zeit zu Monsunausfällen kommt und die afrikanische Sahelzone künftig von so schweren Dürreperioden wie in den späten sechziger und den frühen siebziger Jahren verschont bleibt.
Fall II: Erwärmung. Die Welttemperaturen steigen um 1° C an, wobei es in den Polarregionen und den höheren mittleren Breiten zur stärksten, in den Tropen dagegen nur zu einer leichten Erwärmung kommt. Die jährlichen Niederschlagsmengen nehmen um 5-10% zu, die von Jahr zu Jahr beobachtbaren Schwankungen dagegen nehmen geringfügig ab. Die USA müssen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit mit Dürreperioden wie in der Mitte der dreißiger Jahre rechnen.
Fall III: Abkühlung. Die Welttemperaturen gehen um 0,5° C zurück, wobei die höheren und mittleren Breiten eine Abkühlung von 1° C zu verzeichnen haben, während in den Tropen und Subtropen ein geringerer Wandel eintritt. Bei Abnahme der Niederschlagsmengen nimmt die Veränderlichkeit sowohl von Monat zu Monat als auch von Jahr zu Jahr zu. Sturmbahnen - und die von ihnen herangeführten Niederschläge - verlagern sich äquatorwärts, bessern die Verhältnisse in den höheren Breitenlagen der großen Wüsten, verschlechtern sie dagegen auf der äquatorzugewandten Seite. In Indien kommt es häufiger zu schweren Monsunausfällen, in der Sahelzone öfter zu einschneidenden Dürreperioden. […]
Global 2000 - Band 2, Kapitel 4