Grünkohlsuppe
Grünkohl mit Kassler, Bauchspeck und kleinen Röstkartoffeln gehört im Winter zu meinen Leibgerichten. Aufgewärmt am nächsten Tag ist es immer noch lecker. Aber ich erinnere mich, dass Mutti in der Nachkriegszeit den Rest etwas strecken musste für uns fünf Personen. Sie machte Grünkohlsuppe daraus und um uns satt zu kriegen, rührte sie Graupen hinein.
Mein Bruder Günther trug damals schon eine Brille, nahm diese von der Nase und betrachtete die Graupen wie durch ein Vergrößerungsglas. Die Graupen haben Beine
, verkündete er und schob den Teller beiseite. Quatsch
sagte Mutti und Papa fügte energisch hinzu: Hier wird gegessen, was auf den Tisch kommt.
Harro und ich versuchten ohne Brille die Beine an den Graupen zu entdecken. Es gelang uns nicht und wir baten Günther um seine Brille, die für uns nun ein richtiges Vergrößerungsglas war. Igitt, das sind ja Käfer
riefen wir und schoben unsere Teller nun auch beiseite.
Papa wurde stutzig und nahm endlich auch die Brille. Wo hast du denn die Graupen gekauft?
wollte er von Mutti wissen. Wie immer, beim Kaufmann an der Ecke
antwortete sie, holte die Tüte mit dem Rest aus dem Küchenschrank und prüfte ebenfalls mittels Günthers Brille den Inhalt. Unter der warmen Küchenlampe kam Bewegung in die Graupen und Mutti nahm wortlos unsere Teller, kippte alles zurück in den Topf und verschwand damit im Hühnerstall. Mit ein paar Eiern kam sie zurück und backte Eierkuchen, die wir mit großem Appetit verputzten.
Grünkohlsuppe gab es bei uns nie wieder.