Min Grotmodder
Dat is nich to glöben wat man all in Kopp hett, wenn man mol de Kiste mit de Erinnerungen opmakt. Ik wär sößtein as min Oma dod bleben is, aber ik heff se genau vör mi, wenn ik an se denken do.
Se heet Laura
, een ganz besünnerer Nom to de Tiet, un so wär se wohl ok; zierlich un kleen ober se harr - wie man so seggt - de Hosen an un jedereen richt sik no ehr. Se hett mi veel vertellt ut ehrn Leben, ok vun de beiden Weltkriegen, de se beleevt hett.
Min Grotmodder is Achteinhunnertachunsößtig in Segeberg op de Welt kamen un ehr Modersprook wär plattdütsch. 1924 wör Segeberg Bad
un heet ab disse Tied Bad Segeberg
, se wär dor bannig stolt op un jedeen verklor se, dat se ut Bad Segeberg
käm. As se söß Johr old wär käm se in de School un dor müss se ersmol hochdütsch leern. As ehr Lehrer frog, wie de Stuv
in hochdütsch heeten dä antwör se das ist eine Staube
. Se harr woll'n plietschen Kopp un glöv, översett is in Platt das U
in Hochdütsch jümmers een AU
. Aber dor hett woll een Ul seeten un se het dat später, as se ranwussen wär, wißlich leert.
As se as junge Fro in de grote Stadt (Hamburg) troken is wull se in een Blomengeschäft Blomen käupen. De Gärtnersch antwör ehr op ehre Frog, wat dat för eene Sorte wär: KOSMEE
und uns Oma sä: Dat mookt nix
, wieldat se Kost mehr
verstohn hett. So harrn wie jümmers wat to lachen, wenn se ehre Döntjes vertellt hett. Man se hett ok swöre Tieden mitmokt, so den ersten Weltkrieg, von den se snacken dä. Vun ehr veer Kinner wär de öllste grod so wiet, dat he inrücken mutt un vun den Steckrübenwinter, wo se ehre Familie mit Mecklelnburger Ananas ernährte un alle Ogenblicke no Mecklenburg fohren de, wo se ehr puckelige Verwandtschft (so säg se) beseukte um wat to eeten to hamstern.
De öllere Söhn käm heil wedder, man de beiden annern Söhn gungen na den Krieg wegen de miesepetrigen Verhältnisse
un de Inflation in Dütschland eener no Nordamerika un de annere no Südamerika (Argentinien). Da se all een orndliches Handwerk (ok de Deern, mine Modder) leert hebbt, kemen se dor dröben good torecht un hefft min Oma finanziell vull ünnerstützt, se holln ehr Modder sogar för een Johr no Amerika. Siet se Witwe wär (1920) dräg se immer swatte Klamotten un min Moder meen, dat se op so ne grote Reis ok mol wat helleres antrecken schull. De Grotmoder sä: meenst Du dat dat schicklich is?
. So wärn nu mol de Tieden.
De tweete Weltkrieg wär för ehr bannig slecht. Siet den Krieg mit Amerika wär dat mit de Geldschickerei för se ok vorbie.
As se mien Opa 1892, he wör veertein Johr öller as se, heirat hett, wahnten se op de Uhlenhorst un bi den groten Bombenangriff 1943 güng ehr Hus ok in Dutt. Danoh wör se hin und herschoben as een Stück Möbel. Ers no Braunschweig, denn no Reinbek, denn hol min Modder se no ehr Evakuierungsort in Schlesien un vun dor mutt se mit min Modder Anfang 1944 op de Flucht vor de Russen wedder trüch no Hamburg, wo se bi fröhere Frünn in Bergedorf Ünnerkunft funn un dor is se denn ok 1945 storben.
Wat för een Leben blots un wenn ik dat hüt mit mi vergliken do; wat hebb ik dat good.
Meine Großmutter
Es ist nicht zu glauben, was man alles im Kopf hat, wenn man mal die Kiste mit den Erinnerungen aufmacht. Ich war sechzehn, als meine Oma starb, aber ich sehe sie genau vor mir, wenn ich an sie denke.
Sie hieß Laura
, ein ganz besonderer Name zu der Zeit, und so war sie wohl auch; zierlich und klein aber sie hatte, wie man so sagt, die Hosen an und jedermann hat sich nach ihr gerichtet. Sie hat mir viel aus ihrem Leben erzählt, auch von den beiden Weltkriegen, die sie erlebt hat.
Meine Großmutter ist achtzehnhundertachtundsechzig in Bad Segeberg zur Welt gekommen und ihre Muttersprache war Plattdeutsch. 1924 wurde Segeberg Bad
und hieß ab da Bad Segeberg
. Sie war darauf sehr stolz und jedem erklärte sie, dass sie aus Bad Segeberg
kam. Mit sechs Jahren wurde sie eingeschult und dort musste sie erst einmal Hochdeutsch lernen. Als der Lehrer sie fragte, wie die Stuv
auf Hochdeutsch genannt wird, antwortete sie das ist eine Staube
. Sie war intelligent und glaubte, übersetzt in Plattdeutsch ist das u
im hochdeutschen immer ein au
. Aber da hatte sie sich geirrt und sie hat es später, als sie älter war, gewiss gelernt.
Als sie als junge Frau in die große Stadt Hamburg zog, wollte sie in einem Blumengeschäft Blumen kaufen. Die Gärtnerin antwortete auf ihre Frage, was das für eine Sorte wäre: Kosmee
und unsere Oma sagte darauf: Das macht nichts
, weil sie kost' mehr
verstanden hatte. So haben wir immer was zu lachen gehabt, wenn sie Anekdoten aus ihrem Leben erzählte. Sie hat aber auch sehr schwere Zeiten durchgemacht, so den Ersten Weltkrieg, von dem sie erzählte. Von ihren vier Kindern war der Älteste gerade so weit, dass er einrücken musste und von dem Steckrübenwinter, als sie ihre Familie mit Mecklenburger Ananas
ernährte und alle Augenblicke nach Mecklenburg fuhr, um ihre bucklige Verwandtschaft, so sagte sie, zu besuchen, um etwas zum Essen zu hamstern.
Der älteste Sohn kam heil wieder, aber die beiden anderen Söhne gingen nach dem Krieg wegen der misslichen Verhältnisse in Deutschland und der Inflation, einer nach Nordamerika, der andere nach Südamerika, nach Argentinien. Da sie alle ein ordentliches Handwerk gelernt hatten, auch die Tochter, meine Mutter, kamen sie da drüben gut zurecht und haben meine Oma finanziell voll unterstützt, sie haben ihre Mutter sogar für ein Jahr nach Amerika geholt. Nachdem sie 1920 Witwe wurde, trug sie nur noch schwarze Kleidung und meine Mutter meinte, dass sie auf der großen Reise mal was Helleres anziehen sollte. Großmutter fragte darauf: Meinst du, dass das schicklich ist?
So waren mal die Zeiten.
Im Zweiten Weltkrieg ging ihr es sehr schlecht. Durch den Krieg mit Amerika war es mit dem Geld schicken auch für sie vorbei.
Als sie meinen Opa 1892, er war vierzehn Jahre älter als sie, heiratete, wohnten sie auf der Uhlenhorst und bei einem der großen Bombenangriffe 1943 wurde ihr Haus zerstört. Danach wurden sie hin und her geschoben, wie ein Stück Möbel. Erst nach Braunschweig, dann nach Reinbek, dann holte sie die Tochter, meine Mutter, in ihren Evakuierungsort nach Schlesien. Von dort musste sie 1944 mit meiner Mutter auf der Flucht vor den Russen wieder zurück nach Hamburg, wo sie bei früheren Freunden in Bergedorf Unterkunft fand. Dort ist sie 1945 verstorben.
Was für ein Leben; wenn ich es heute mit mir vergleiche, was haben wir es gut.