6. Auslandsreise Kreuzer »Emden« 1935/36
4. Reisebericht. Port-au-Prince — La Guaira.
Früh am 22. November laufen wir ein, Port-au-Prince liegt in einer großen Bucht, ist selbst wie ein großer Garten und wird überragt von bis zu 300 Meter hohen Bergen. Eine erhabene Landschaft! Haiti ist eine NegerrepublikDer Tenor des Berichts entspricht der damaligen, rassistisch geprägten Denkweise, besonders der Nationalsozialisten. Die weiße Rasse
wurde als Herrenrasse
angesehen, ethnische Volksgruppen wurden sprachlich ihrer Identität beraubt und als minderwertig
angesehen. Der Bericht ist authentisch und spiegelt den damaligen Zeitgeist wieder, deshalb haben wir das N-Wort auch nicht geändert.. Rassisch ist das Volk stark vermischt, und alle Hautschattierungen von fast weiß bis tiefschwarz sind vertreten. Die Sonne brennt hier glühend heiß, deshalb lässt der I. Offizier sofort, nachdem der Landessalut und die 15 Schuss für den deutschen Geschäftsträger verhallt sind, alle Sonnensegel setzen.
Port-au-Prince — La Guaira
Die Veranstaltungen, die sehr vielseitig sind, beginnen mit einem großen Empfang im Deutschen Hause. Die ganze deutsche Kolonie ist vertreten, für Speise und Trank ist reichlich gesorgt worden. Bekanntschaften und darauf folgende Einladungen sind auch hier der Beginn einer schönen Zeit. Am Sonntag findet ein Ausflug nach Kenskoff statt, stark ist der Eindruck der gewaltigen Welt dort oben. Die Reihe der Festlichkeiten wird fortgesetzt durch einen Empfang beim Präsidenten und durch eine Einladung des deutschen Geschäftsträgers am nächsten Tage hinauf in den Vorort Pétionville. Abgeschlossen wird dieser Tag durch einen Vorbeimarsch am Präsidentenpalais.
Der Präsident kommt an Bord! Mit Salut wird er empfangen und fortbegleitet. Kleiner Empfang war vereinbart worden, so fällt das Ausflaggen des Schiffes fort. Abends spielt unsere Kapelle in der Stadt, — noch Monate später werden die Haitianer davon reden, behaupten unsere Landsleute. — Die Haifischgefahr in diesen Gewässern wird bestätigt durch den Fang eines kolossalen Burschen. Im Allgemeinen ist der Seemann ein großer Tierliebhaber. Nur dem Hai, seinem ärgsten Todfeind, bringt er einen heiligen Hass entgegen. Und ist ein Hai gefangen, so muss er für alle Verbrechen seiner Artgenossen büßen. In viele kleine Teile zerlegt tritt er den Rückweg in sein Element an, Zähne und Schwanzflosse werden als Siegestrophäe zurückbehalten.
Der nicht irgendwie angenehm verhinderte Teil der Besatzung geht an den Nachmittagen an Land und kauft Andenken und Obst ein. 60 Apfelsinen bekommt man für 40 Pfennig. — Mit einem großen Bordfest danken wir unseren deutschen Landsleuten und den Haitianern für die freundliche Aufnahme in Port-au-Prince. Am 30. XI. treten wir die Fahrt nach La Guayra an.
5. Reisebericht. La Guayra — Guayaguil.
Am 5. Dezember um 10:00 Uhr machen wir an zwei Bojen im Hafen von la Guayra fest. Die hier herrschende Bullenhitze verdrängt in den folgenden Tagen ein lang anhaltender, kühler Regen. La Guayra ist Umschlaghafen für die nahe Hauptstadt Caracas, die mit der Bahn oder per Auto in eineinhalbstündiger Fahrt zu erreichen ist und in der sich fast alle Veranstaltungen bezüglich unseres Besuches abwickeln. Da in La Guayra nichts los ist
, fahren auch unsere Urlauber fast alle nach Caracas. Die Fahrt dorthin ist wunderschön und jedem als Erlebnis unvergesslich. 930 Meter Höhenunterschied ist auf einer Strecke von 37 Kilometer (Luftlinie vier Kilometer) zu überwinden. In endlosen Serpentinen und durch viele Tunnel schraubt sich der Zug dicht an den steilen Abhängen vorbei aufwärts. Das schroffe, rotfarbige Bergmassiv wechselt mit üppig bewachsenen Schluchten und Tälern ab. Parallel zur Bahn verläuft die asphaltierte Autostraße.
La Guayra — Guayaguil
Mit Musik und unter Gewehr marschiert am Sonnabend eine Abordnung der »Emden« durch Caracas zum Pantheon nationale. Und dort, am Grabe Simon BolivarsSimón José Antonio de la Santísima Trinidad Bolívar, genannt El Libertador
(* 24.07.1783 - † 17.12.1830) war ein südamerikanischer Unabhängigkeitskämpfer. Er ist der Nationalheld mehrerer südamerikanischer und karibischer Länder. Er führte die Unabhängigkeitskriege gegen die spanische Kolonialherrschaft in Venezuela, Kolumbien, Panama und Ecuador. Auch in die Unabhängigkeitsprozesse in Peru und in Bolivien, das nach ihm benannt ist, griff er entscheidend ein., des Befreiers Mittel- und Südamerikas, legt der Kommandant einen Kranz nieder. Den Nachmittag verleben die Teilnehmer und Urlauber bei Tanz und Fröhlichkeit im Hippodrom. Dort hält die Ortsgruppe der NSDAPDie Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) war eine in der Weimarer Republik gegründete politische Partei, deren Programm und Ideologie (der Nationalsozialismus) von radikalem Antisemitismus und Nationalismus sowie der Ablehnung von Demokratie und Marxismus bestimmt war. Sie war als straffe Führerpartei organisiert. Ihr Parteivorsitzender war ab 1921 der spätere Reichskanzler Adolf Hitler, unter dem sie Deutschland in der Diktatur des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 als einzige zugelassene Partei beherrschte. zugunsten des WinterhilfswerkesDurch das Winterhilfswerk konnte das NS-Regime die materielle Not von Teilen der Bevölkerung lindern und zur inneren Stabilisierung beitragen. Zugleich zielte die Spendensammlung auf das Zusammengehörigkeitsgefühl der Volksgemeinschaft
ab. Das Spendenaufkommen übertraf ab dem Rechnungsjahr 1939/1940 die Summe, die aus Steuermitteln für öffentliche Fürsorgeverbände aufgebracht wurde. Der Staatshaushalt wurde somit von Sozialausgaben entlastet. Mir ist vom Gehalt eine
schrieb Victor Klemperer bereits 1933 und nannte dies einen Freiwillige Winterhilfe
abgezogen worden; niemand hat mich deswegen vorher gefragt,kaum verhüllten Zwang
. einen Weihnachtsmarkt ab.
Der Sonntag sieht die deutsche Kolonie von la Guayra und Caracas als Gäste bei uns an Bord. Durch Privateinladungen und Badesausflüge ist die weitere dienstfreie Zeit ausgefüllt. Ein schöner Tagesausflug zusammen mit der deutschen Kolonie findet Dienstag statt und führt die Teilnehmer in langer Bahnfahrt nach El Encanto, das in seiner Naturschönheit wie ein kleines Paradies anmutet.
Durch den Panamakanal
In zwanglosen Gruppen und Grüppchen zieht sich alles auseinander. Erst zum gemeinsamen Mittagessen — zusammengehauenes in mehreren Gängen — findet man sich wieder ein. Nach der Rückkehr bleiben einige der Emden-Leute noch in Caracas.
Mit dem üblichen Spitzenfrühstück beim Kommandanten schließt dieser Hafen ab. Nach Anker auf!
fahren wir dem Panamakanal, der Linientaufe und Weihnachten entgegen.
Linientaufe an Bord des Kreuzers »Emden« am 17. XI. 1935
Am Abend vorher. Es ist kurz vor 19:00 Uhr. Plötzlich eine laute Stimme: Ahoi! Welches Schiff?
— »Kreuzer Emden«! — Woher und wohin? Von Norden nach Süden
. — Sofort stoppen!
— Als der Befehl ausgeführt ist, steigt der geheimnisvolle Rufer an Bord. Admiral Triton ist es, Neptuns Kanzler, er begibt sich auf die Schanz und teilt dort unserem Kommandanten mit, dass morgen Gott Neptun mit Gefolge an Bord kommen und die Besatzung taufen wird. Während Triton mit seinem Aktuar und Leibtrabanten beim Kommandanten zu Gast ist, kurieren im Schiff wilde Gerüchte von der Grausamkeit der Trabanten und von den süßen Pillen und Arzneien
. Anschließend verleiht Triton den steinalten Seefahrern
einen Dreizack-Orden.
Am nächsten Mittag kommt Neptun mit Gefolge an Bord. Sofort steigt im Vormars die Flagge Neptuns mit dem Dreizack, feierlich Begrüßung auf der Back. Mit berückendem Augenaufschlag reicht Thetis, Neptuns Gemahlin, unserem Kommandanten zum Kusse die Hand. Die Ehrenwache steht unter präsentiertem Piassavabesen! —
Nach der Begrüßungszeremonie setzt sich der stattliche Zug unter Vorantritt der Hofkapelle in Bewegung. Der Hofmarschall führt, ihm folgen Würden- und Ordenträger, Kammerherren, Zofen. (Und was für welche?) Dann kommt das Herrscherpaar, Neptun mit Krone und Dreizack, ihm zur Linken die liebliche Thetis; — ihr Anblick läßt unsere Herzen schneller schlagen — weiter folgen: Aktuar, Astronom, Pfarrer und Hofbarbier, Leibarzt und Polizeimeister, den Schluss bilden der Kellermeister und die furcht- und grauenerweckenden Trabanten.
Linientaufe an Bord des Kreuzers »Emden«
Auf der Schanze hält Neptun seine Begrüßungsansprache und verleiht alten Bekannten aus dem Offizierskorps je nach Rang und Eigenschaften einen Orden. Während der Pfarrer uns auf die Taufe vorbereitet, prüft der Astronom sein Besteck und meldet, sowie der Pfarrer seine Ermahnungen beendet hat, dass die Linie nahe sei. Auf Befehl Neptuns entern zwei Trabanten in den Vormars und werfen die Linie frei. Die Taufe beginnt! — Jeder Täufling wird vom Aktuar aufgerufen. Aus gewissen Gründen (!) beeilt sich jeder laut Hier
zu rufen und ist sofort zur Stelle. Drei Kreuze über ihn, wenn das nicht der Fall sein sollte. Auf dem Rande des Taufbeckens sitzend wird der Täufling, nachdem er Pille und Lebenselixier geschluckt hat — eingeseift, abgekratzt und gekämmt. Plötzlich ein Stoß, der Täufling fliegt in das Taufbecken, liebevolle Hände tauchen ihn ein paarmal unter, dann ein Schwupp, draußen ist er und rein geht's in den Windsack, am Ende eine letzte Dusche, dann einen stärkenden Schnaps — und stolz hebt sich die Brust: Ich bin getauft!
Wie viel Seemannsromantik liegt doch in der Linientaufe, sie bleibt bestehen, solange Seeleute zur See fahren.
6. Reisebericht, Guayaquil — San José
Fein rieselt ein anhaltender Regen vom Himmel, als wir am 19. Dezember in Guayaquil einlaufen. Eine große Stadt empfängt uns, von einer unübersehbaren Menschenmenge ist das Ufer des Guayas-Flusses umsäumt, der weit aus dem Innern Ecuadors kommend, die Verbindung zum Meere bildet. Der starken Gezeitenströme wegen vermooren(Vermuren) ein Boot, ein Schiff vor zwei Anker (Buganker) legen, damit beim Schwojen die beanspruchte Fläche des Ankerplatzes kleiner ist, als wenn man nur vor einem Anker liegt. wir nach dem Einlaufen, doch die Anker halten nicht und wir sind gezwungen, beim Kentern des Stromes den tragenden Anker zu wechseln.
So oft es auch in Guayaquil regnet, immer sind unsere Seeleute in der Freizeit an Land. Der Ausgangspunkt für alle Unternehmungen ist der Deutsche Club, dort holt man sich beim Freibier die Anfangsgeschwindigkeit
.
Guayaquil — San José
Viele Veranstaltungen finden statt. Da ist zuerst der Empfangsabend beim deutschen Konsul. Der Kommandant und eine Abordnung der Besatzung fahren für einige Tage nach der Hauptstadt. Andere Besatzungsangehörige besuchen einen Tanzabend im amerikanischen Country-Club. Wieder andere machen eine lustige Flussfahrt auf dem Luxusdampfer Guayaquil
mit. Dieses pompöse Fahrzeug wurde 1896 erbaut und kann sich nur bei mitlaufendem Strome mit 2-3 Seemeilen fortbewegen. Es gibt sehr viel zu essen und zu trinken, bald herrscht in allen Decks eine großartige Stimmung, man tanzt, singt raue Seemannslieder und manchmal auch ein Weihnachtslied, Am gleichen Tage ist eine andere Abordnung mit dem Zuge 2600 m hoch ins Gebirge nach Alausí gefahren.
Dann kommt Weihnachten! Die Pakete und Tannenbäume sind leider nicht rechtzeitig zu hl. Abend eingetroffen. Aber man hilft sich in geschickter Weise und baut sich Tannenbäume aus allerlei Rohstoffen. Jeder erhält am Abend die Weihnachtstüte des Kreuzers. Der Punsch verhilft schnell zu fröhlicher Stimmung. Am 1. Weihnachtstage treffen dann die Pakete ein. Einige Kadetten gehen auf die Krokodiljagd, ein ausgewachsenes Exemplar ist ihre Jagdbeute, darauf sind sie mit Recht bannig stolz.
Beim abschließenden Bordfest ist eins besonders auffallend: wie schnell und heiß ein Seemannsherz entbrennen kann, wenn schöne Augen ihm ansehen. Und die Mädels aus Guayaquil sind sehr schön!
Am 28. Dezember verlassen wir den gastlichen Hafen. Silvester und Neujahr feiern wir in See. Stolz weht an 1. Januar unsere Kriegsflagge im Vormars. Das alte Jahr ist vergangen, dankbar und befriedigt dürfen wir zurückblicken. Einen Teil unserer Aufgaben haben wir erfüllt, was übrig bleibt erledigen wir mit Gottes Hilfe auch im neuen Jahr.
7. Reisebericht. San José (Guatemala) — Portland
Am 3. Januar ankern wir auf der Reede von San José. Rollende Dünung, eine lange Pier, schwarzsandiger Strand, zwischen Palmen einige Hütten und Holzhäuser, im Hintergrunde die gewaltigen Krater, das ist unser erster Eindruck von San José, der bei vielen auch der letzte gewesen sein soll.
Schon ein paar Tage vorher war es bekannt geworden, dass zirka hundert Mann der Besatzung mit Musik für vier Tage zur Hauptstadt fahren würden Zwei Stunden vor der Abfahrt von Bord erfahren die Teilnehmer erst nähere Einzelheiten. Große Aufregung und Wooling, — das Ausbooten an Land mittels Dampfkran und Transportkorb bei starker Dünung, — dazu das zahlreiche Gepäck und sämtliche Musikinstrumente, das sind Faktoren, die die Abfahrt des Zuges mit zweistündiger Verspätung rechtfertigen.
In dreistündiger Fahrt — durch herrliche Landschaft, mit ständig wechselnden Bildern, je höher wir kommen, — erreichen wir die Hauptstadt: Guatemala-City. Großer Empfang am Bahnhof: Städtische Behörden, hohe Militärs, eine 80 Mann starke Militärkapelle, (mit einem deutschen Musikmeister) Presse-, Film- und Bildberichterstatter, der große Bahnhofplatz dicht voll Menschen, teils unsere freudig erregten Landsleute, teils neugierige Guatemaler. Wir sind stark beeindruckt und geben unser Bestes her beim Vorbeimarsch vor unserem Kommandanten und dem darauffolgenden Marsch zum Parteiheim. Von dort geht’s in die Privatquartiere zu unseren Landsleuten.
San José (Guatemala) — Portland
Am nächsten Tage findet ein Marsch durch die Stadt mit anschließendem Vorbeimarsch vor dem Kriegsminister statt, der bei den Zuschauern große Begeisterung auslöst. Damit ist der offizielle Teil unseres Besuches erledigt. Nachmittags trifft man sich zur Stadtbesichtigung, abends wird im deutschen Verein getanzt, zwei Marimbakapellen spielen auf, unvergesslich bleibt uns dieser Abend in der Erinnerung!
Bordleben
Veranstaltungen Sonntag: Morgens Fußballwettspiel, Kreuzermannschaft gegen die National-Elf, danach Gottesdienst in der deutschen Kirche, anschließend Frühschoppen im Gran Hotel, nachmittags Privatausflüge zum herrlich gelegenen Amatitlan-See, abends Filmvorstellung. Montags: Ausflug nach der Ruinenstadt Antigua, gemeinsames Mittagessen in Hotel Manchen, abends spielt unsere Kapelle im staatlichen Sender und im Central-Park, anschließend ist Tanz und gemütliches Beisammensein im Deutschen Verein bzw. im Parteiheim. Dienstags: Rückfahrt nach San José, nachmittags sehen wir unsere Landsleute beim Bordfest wieder. Voller Dankbarkeit scheiden wir am 8. Januar von unseren Landsleuten.