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Detlev Lubjahn

Berlin, Lentzeallee 8 - 14
Ein Haus mit Geschichte

Dort, wo heute in der Dahlemer Lentzeallee 8 – 14 Kinder aus aller Welt die Berlin International School besuchen, habe ich zwischen 1985 und 1989 gearbeitet – beim Umweltsenator von Berlin, ganz oben im Dachgeschoss. Es war für mich eine spannende und im Nachhinein betrachtet, gute Zeit.

Mein erster Arbeitsweg dorthin war buchstäblich schmerzhaft: Am eiskalten 1. Februar 1985 rutschte ich mit dem Fahrrad aus, zerriss mir die Hose und trat etwas zerlumpt meinen Dienst beim Land Berlin an. Mir wurde ein winziges, unrenoviertes Kämmerchen in der Mansarde zugewiesen, kaum acht Quadratmeter groß, aber es wurde mein Reich – ich genoss „Einzelhaft“. Und auch der Blick aus dem Fenster war vertraut: schräg gegenüber, an der Ecke, stand eine Villa. In dem Vorgängerbau hatte ich am 1. April 1965 in einer kleinen Privatschule meine Ausbildung zum chemisch-technischen Assistenten begonnen. Die Vergangenheit hatte mich eingeholt.

Das Dienstgebäude selbst – das Haus des Umweltsenators – hatte eine reiche Geschichte. Ab 1923 war es ein Krankenhaus für Säuglinge und Kinder, betrieben von den „Missionsschwestern vom Heiligsten Herzen Jesu von Hiltrup“. Man sagt, sie hätten ihre Anweisungen direkt aus dem Vatikan erhalten. 1938 wurde die Einrichtung zum „Säuglings-, Mütter- und Entbindungsheim“ umgewandelt.

Im April 1944 traf eine Bombe das Haus, es brannte teilweise aus. Nach dem Krieg wurde es wieder aufgebaut und bis 1971 weiter als Krankenhaus genutzt. Dann war Schluss – vielleicht wegen fehlender Fachkräfte, vielleicht wegen des sogenannten Pillenknicks. Oder, wer weiß, es war die stille Rache des Papstes für das libertäre Leben in West-Berlin.

1973 nutzte die neu gegründete „Schule für Erwachsenenbildung“ für kurze Zeit das Haus. An diesem demokratischen Schulprojekt arbeitete ich ab 1974 mit, allerdings nicht mehr an dieser Adresse. Anfang der 1980er Jahre dann wurde die frisch gegründete Umweltabteilung des Senats hier einquartiert. Das Gebäude trug noch viele Spuren seiner Vergangenheit. Im Besprechungsraum im Souterrain – einst der Kreißsaal – stand noch immer ein Taufbecken an der Wand. Man konnte sich lebhaft vorstellen, wie dort einst hektisch gesegnet wurde, um die Seelen selbst sterbender Neugeborener vor dem Limbus oder gar der Hölle zu bewahren.

Nach dem Auszug des Senats 1996 stand das stilvolle Gebäude einige Zeit leer, bis es schließlich als internationale Schule ein neues Leben fand.

Eine Begegnung während meiner Dienstzeit in der Lentzeallee werde ich nie vergessen. Es war ein ruhiger Spätnachmittag. Ich arbeitete wieder einmal länger – meine liebste Zeit, um ungestört etwas zu schaffen und ausgiebig den Kopierer zu benutzen. Da klopfte es zaghaft an meiner Tür. Ungewöhnlich, denn normalerweise verzichteten wir auf solche Förmlichkeiten. Ich rief „Herein“, aber offenbar zu leise, denn es klopfte erneut, etwas entschlossener. Dann öffnete sich langsam die Tür.

Eine junge Frau trat ein – und hinter ihr eine elegante ältere Dame mit wachem Blick. Sie sah sich um, atmete tief durch und sagte leise: „Ja. Hier war es.“ Die Jüngere war Kunststudentin, die Ältere ihre Professorin – aus Göttingen, oder war es Kassel? Die Dame erzählte, dass sie 1939 und 1940 genau in diesem Raum untergebracht war. Gemeinsam mit drei weiteren jungen Frauen diente sie hier als Schwesternhelferin im Krieg. Es war jetzt ihre Rückkehr an einen Ort, der sich ihr tief ins Gedächtnis eingebrannt hatte.

Sie erzählte, wie unheimlich ihr der lange Weg vom U-Bahnhof Breitenbachplatz durch die damals noch fast ländliche und dunkle Lentzeallee bis zu ihrem Krankenhaus gewesen war. Besonders erinnerte sie sich aber an die festlichen Abende in der Villa gegenüber, im Haus von Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop und seiner Frau Annelies Henkell, der Tochter des bekannten Sektfabrikanten. Die Ribbentrops veranstalteten dort regelmäßig Empfänge. „Sonst war es stockfinster in der Gegend“, sagte sie, „aber wenn dort gefeiert wurde, gab es eine richtige Festbeleuchtung. Wir standen hier am Fenster und sahen die Limousinen anrollen.“

Ich weiß ihren Namen nicht mehr. Aber ich erinnere mich an ihre Stimme, ihren Blick und an das Gefühl, dass an diesem Nachmittag etwas Besonderes geschah. Für einen Moment wurde Geschichte lebendig.

Heute radele ich manchmal noch durch die Lentzeallee, vorbei an alten Orten meiner eigenen Geschichte. Die Chemieschule von einst ist verschwunden, dort steht nun der Finkenhof, ein Pflegeheim für Frauen mit Demenz. Auch die Ribbentrop-Villa gibt es nicht mehr – an ihrer Stelle steht ein Wohnkomplex aus den 1970er Jahren.

Ich freue mich, dass das Haus in der Lentzeallee 8 – 14, in dem sich früher meine Dienststelle befand, heute die Berlin International School beherbergt. Ich war selbst einige Zeit als Lehrer an einer internationalen Schule für junge Menschen aus mehreren Nationen tätig und weiß aus eigener Erfahrung um die sprachlichen, kognitiven und insbesondere kulturellen Vorteile, die der Besuch einer solchen Bildungseinrichtung für die Zukunft der Kinder bietet.

So hat das Haus mit der wechselhaften Geschichte hoffentlich eine langandauernde Bestimmung gefunden.

Anmerkung

Das Alten- und Pflegeheim „Finkenhof“ in der Lentzeallee 15 – 17 befindet sich in der Trägerschaft der Finkenhof Krankenheim GmbH & Co. Betriebs-KG. Das Haus wurde in den 1970er Jahren erbaut.

Davor gab es eine kleinere Villa, in der sich bis Mitte 1965 die Liebig-Schule befand, ein Privatinstitut für die Ausbildung chemisch – technischer Assistenten. Diese „Ersatzfachschule“ wurde nach dem Tode ihres Leiters, Arthur Szepanski, geschlossen, nachdem sich kein Nachfolger fand. Die Schüler, unter denen ich mich befand, wurden dann im Herbst 1965 von der einzig noch existierenden privaten Chemieschule „Dr. Lüders“ in der Goerzallee 6 in Berlin-Lichterfelde übernommen. Die dortige Leiterin war Helene Geilmann.

Zur Ribbentrop-Villa, Lentzeallee 7 – 9 in Berlin-Dahlem: Ribbentrop ließ diese Villa von 1922 bis 1923 nach Plänen des renommierten Stuttgarter Architekturbüros Bonatz und Scholer errichten. Später kamen ein Park mit Tennisplatz und Swimmingpool hinzu. Bereits in den 1920er Jahren wurden dort rauschende Feste gefeiert. Doch nicht nur Vertreter der wohlhabenden und oft einflussreichen Berliner Gesellschaft – Adelige, Finanziers und Industrielle – kamen gerne in die Villa. Hier wurde auch Politik gemacht.

Bei einer Reihe von geheimen Treffen in der Berliner Villa von Joachim von Ribbentrop drängte Adolf Hitler Franz von Papen, seine Ernennung zum Reichskanzler zu unterstützen. Auch die Beauftragten von Reichspräsident Hindenburg, Oskar von Hindenburg und Otto Meissner, wurden überredet, Hitlers Bemühung zu unterstützen und seine Ernennung zu empfehlen. Hindenburg zögerte jedoch. Während eines Treffens am 24. Januar 1933 teilte Papen schließlich den Parteimitgliedern Wilhelm Frick und Hermann Göring seine Unterstützung für eine Kanzlerschaft Hitlers mit. Die drei waren sich einig, der beste Weg, Hindenburgs Widerstand gegen Hitler zu überwinden, bestünde darin, ihm diesen als Kanzler eines rechten, nationalistischen Kabinetts zu präsentieren, der von Konservativen eingehegt würde. Papen wurde der Posten des Vize-Kanzlers versprochen sowie die Ernennung zum preußischen Ministerpräsidenten – ersteren erhielt er, letztere jedoch nicht (das Amt bekam Hermann Göring) – und er plante, diese Positionen zu nutzen, um mithilfe seiner engen Beziehungen zu Hindenburg die tatsächliche Macht auszuüben.

Im Januar 1933 fanden in der Lentzeallee 7 – 9 die entscheidenden Koalitionsverhandlungen statt, die schließlich am 30. Januar 1933 zur Bildung des Kabinetts Hitler führten.

Wann Ribbentrop zum letzten Mal in dieser Villa war, ist schwer zu rekonstruieren. Bekannt ist, dass er am 23. April 1945 noch einmal (widerwillig) von Hitler im Bunker der Berliner Neuen Reichskanzlei empfangen wurde. Spätestens nach Hitlers Selbstmord setzte er sich nach Flensburg ab, um sich (erfolglos) der neuen Reichsregierung unter Großadmiral Karl Dönitz anzudienen. Danach tauchte er unter, wurde aber am 14. Juni in Hamburg von der britischen Militärverwaltung aufgespürt und verhaftet. Im November 1945 wurde er in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen als Hauptkriegsverbrecher angeklagt, am 1. Oktober 1946 in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Am 15. Oktober 1946 wurde Joachim von Ribbentrop durch den Strang hingerichtet.

Was mit der Villa zwischen 1945 und 1947 passierte, habe ich nicht ermittelt. Vermutlich wurde sie, wie alles Vermögen der NSDAP, ihrer Nebenorganisationen sowie den Privatbesitz zehntausender Nationalsozialisten unmittelbar nach der bedingungslosen Kapitulation des „Dritten Reiches“ von den Alliierten beschlagnahmt und später dem Staat oder der öffentlichen Hand übergeben.

Dies wäre eine Erklärung dafür, dass das Haus 1947 als „Wilhelm-Leuschner-Haus“ am 29. September 1947 als gewerkschaftliche Bildungsstätte eingeweiht wurde. Hier hatte die „Arbeitsgemeinschaft Gewerkschaftsopposition“ ihren Stützpunkt, die am 10. Februar 1948 gegen die zunehmende kommunistische Einflussnahme in der Einheitsgewerkschaft FDGB mit acht Mitgliedern gebildet wurde. Aus dieser Gruppe entwickelte sich die „Unabhängige Gewerkschafts-Organisation“ (UGO) als Zwischenstufe auf dem Weg zum DGB-Landesverband Berlin.

Nach dem Abriss der Villa entstand dort die Wohnanlage Lentzeallee 7 – 9 in Berlin-Dahlem. Das war beziehungsweise ist ein Gebäudekomplex (größer als die Ribbentrop-Villa), der zwischen 1974 und 1977 von Werner Düttmann für die Neue Heimat errichtet wurde. Die Anlage besteht aus sieben verbundenen Gebäudewürfeln, die auf einem dreieckigen Grundstück zwischen Lentzeallee und Schweinfurthstraße angeordnet sind. Die Anlage ist in zwei Innenhöfe unterteilt, die durch die Gebäude voneinander getrennt sind. Die Gebäude sind rhythmisch versetzt und vertikal gestaffelt, was zu einer interessanten Raumgliederung führt. Der Komplex soll privatisiert und die Wohnungen einzeln verkauft worden sein.

Obwohl die Wohnanlage nicht zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten Dahlems gehört, ist sie ein interessantes Beispiel für die Architektur der 1970er Jahre und die Arbeit des Architekten Werner Düttmann.


  • Autor: Detlev Lubjahn, im August 2025
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