Die Vogelflinte, Kaliber 22,6 mm
Vor vielen Jahrzehnten besaß ich eine Kleinkaliberpistole, mit der ich im Keller meines Reihenhauses in Schenefeld, Kreis Pinneberg, gemeinsam mit Freunden Schießübungen veranstaltete. Ich hatte in meinem Partykeller einen Baumstamm als Zielscheibe befestigt, auf die wir nacheinander schossen. Üblicherweise nahm derjenige, der an der Reihe war, die Waffe auf, zielte, schoss und legte sie wieder hin. Nun war manchmal meine Schwester dabei, die einmal mit der geladenen Pistole durch den Keller lief. Das gefiel mir nicht und schien mir so gefährlich zu sein, dass ich froh war, als ein Bekannter mir anbot, die Pistole gegen ein Kleinkalibergewehr einzutauschen. Auch mit diesem Gewehr machte ich Schießübungen, meine Schwester lud ich dazu nicht mehr ein. Das Gewehr meldete ich pflichtgemäß beim Ordnungsamt des Kreises Pinneberg an und erhielt dafür eine Waffenbesitzkarte. Das muss so Anfang bis Mitte der 1970er Jahre gewesen sein.
1989 zog ich dann mit meiner Freundin nach Norderstedt um, das bekanntlich im Kreis Segeberg liegt. Meine Freundin mochte keine Waffen, aber einmal musste sie doch zugeben, dass es praktisch ist, eine zu besitzen. Nach unserem Einzug ins neue Haus wurden wir jeden Morgen von einer Elster geweckt, die an das Kellerfenster hackte. Warum wissen wir nicht. Ob sie ihr Spiegelbild sah und es bekämpfte? Es war sehr laut und wir fragten uns, was wir tun konnten. Eines Morgens hatte ich die Faxen dicke, nahm meine Flinte und schoss auf die Elster, die gerade davonflog. Getroffen habe ich wohl nicht, aber seitdem war es mit den Störungen vorbei.
Jahrzehnte gingen ins Land, ich habe die Flinte nie wieder benutzt und lagerte sie nach meiner Erinnerung in einem Schrank, natürlich ungeladen. Nach Berichten über mehrere Amokläufe in Deutschland, Winnenden 2002, Erfurt 2009, traten jeweils Verschärfungen der Waffengesetze in Kraft. Das hatten wir natürlich in den Medien verfolgt, uns aber weiter keine Gedanken gemacht. Umso erstaunter waren wir, als eines Tages, so um 2013 oder 2014, ein Brief des Ordnungsamtes aus Bad Segeberg ins Haus flatterte, mit der Aufforderung, nachzuweisen, dass ich für mein Kleinkalibergewehr einen Waffenschrank besaß. Also muss das Ordnungsamt in Pinneberg meinen Umzug nach Norderstedt recherchiert und den Vorgang an den Kreis Segeberg übermittelt haben. Alle Achtung. Manchmal funktioniert Bürokratie doch sehr gut.
Nun stand ich vor einem Problem, da ich keinen Waffenschrank hatte. Was tun? Ich suchte bei eBay und fand dort einen Waffenschrank, der mir zusagte. Ich kaufte ihn, ohne mir allerdings allzu viele Gedanken über die genaueren Anforderungen zu machen. Den Schrank installierte ich an einer Wand im Keller, machte davon ein Foto und schickte es an das Ordnungsamt. Erledigt, dachte ich.
Aber weit gefehlt. Es entspann sich ein gefühlt jahrelanger Schriftwechsel mit der Behörde. Die Widerstandsklasse des Schranks sei nicht ausreichend. Ich versuchte, dagegen zu argumentieren, schließlich handele es sich ja nur um eine Vogelflinte. Die Behörde blieb hart und bestand auf einer höheren Widerstandsklasse. Nun hatte ich keine Lust, einen weiteren Waffenschrank für teures Geld zu kaufen. Ich fragte, ob ich die Waffe als Dekowaffe behalten könne. Ja, das könnte ich, aber ich müsste die Waffe in Kiel bei einem Experten unbrauchbar machen lassen und ein Gutachten vorlegen, das die Unbrauchbarkeit bescheinigt.
Das schien mir viel zu aufwendig zu sein. Schließlich forderte das Amt mich auf, die Waffe in Bad Segeberg abzugeben. Da ich keine Lust hatte, dorthin zu fahren, wandte ich mich an den örtlichen Schützenverein. Es ergab sich, dass der Präsident des Vereins ohnehin dort etwas zu tun hatte, und er war einverstanden, die Waffe mitzunehmen, um sie persönlich beim Amt abzugeben. So händigte ich ihm die Flinte gegen eine Quittung aus und zog einen Schlussstrich unter dieses Kapitel.
Aber noch heute bin ich traurig über den Verlust, der Abschied fiel mir schwer. Die Flinte war nämlich wirklich schön, sie hatte ein Zielfernrohr und einen geflochtenen Ledergurt. Und ich ärgere mich, dass ich gegenüber der Behörde klein beigeben musste.