Eine außergewöhnliche Flug-Reise
Im Jahre 2009 wurde uns durch die Johanniter-Unfall-Hilfe, die wir als förderndes Mitglied unterstützen, eine interessant klingende Rundreise durch die Türkei angeboten. Als Begleiter der Reise wurde ein Graf S. als Vorstand der Landesverbände Thüringen und Sachsen-Anhalt angekündigt. Da meine langjährige Freundin Gisela ebenfalls in Sachsen-Anhalt beheimatet ist, fanden mein Mann und ich die Idee genial, sie auf diese Exkursion mitzunehmen.
Die Reise startete von Hamburg aus, und so musste meine Freundin zunächst per Zug zu uns in den Norden kommen. Nach einer Übernachtung bei uns machten wir uns zu dritt am letzten Tag des Oktobers auf, um zum Flughafen in Hamburg zu gelangen. In der großen Halle des Terminal 1 standen schon viele Reisende an verschiedenen Schaltern an. Wir suchten nach unserem Check-In-Schalter und wunderten uns sehr, dass dort niemand wartete. Kamen wir etwa zu spät, war der Flug ausgefallen oder hatten wir uns im Tag geirrt? Aber als wir näher kamen, bemerkten wir hinter dem Schalter eine Angestellte, die uns erwartungsvoll entgegen sah. Ehe wir etwas sagen konnten, fragte sie uns, ob wir die Familie B. seien. Wir bestätigten dieses, und sie meinte darauf: Na, dann sind wir ja komplett, mehr Passagiere fliegen heute nicht mit nach Antalya
. Wir hielten es zuerst für einen Scherz und konnten es nicht fassen, dass eine große Maschine, die für ca. 180 Passagiere Platz bietet, mit nur 3 Personen fliegen würde, aber es war Tatsache. Das Flugzeug der Linie Blue Wings flog nach Antalya, um von dort Touristen nach Hamburg zurück zu holen.
Wir hatten noch eine Menge Zeit bis zum Abflug und schlenderten nach den üblichen Kontrollen durch die Hallen des zollfreien Einkaufs. Gleich zu Beginn bekamen wir jeder einen Gutschein über 2 Euro in die Hand gedrückt. Heute war anscheinend unser außergewöhnlicher Glückstag. Die Gutscheine reichten für 3 kleine Packungen Kekse als Reiseproviant. Zwischendurch wurden wir sogar per Lautsprecher aufgerufen, damit wir nur nicht die Abflugzeit verpassten. Am Flugzeug wurden wir wie 3 Prominente von einer Stewardess ins Innere geleitet, und wir konnten nach Belieben unsere Plätze wählen. Noch vor dem Abflug kam eine der Stewardessen und fragte, welche alkoholfreien Getränke sie denn servieren dürfe.
Dem Anlass entsprechend hätte es eigentlich Champagner sein müssen, aber wir waren auch so zufrieden, und nun hoben wir endlich ab. Von Zeit zu Zeit wurden wir immer wieder nach weiteren Wünschen gefragt, denn die 4 Stewardessen hatten Langeweile und beschäftigten sich mit Lesen, Kreuzwort-Rätseln und Sudoku. Nach etwa einer halben Stunde Flugzeit öffnete sich die Tür des Cockpits, und unser Flugkapitän erschien, um seine Flugpassagiere per Handschlag zu begrüßen. Wir plauderten nett miteinander und erfuhren dabei, dass er aus Sachsen-Anhalt stamme und im Nachbarort meiner Freundin wohne. Gisela konnte sich vor Begeisterung kaum beruhigen. Unser Kapitän meinte nun, nach dem Frühstück, das nun folgen sollte, könnten wir uns nacheinander im Cockpit umsehen und ihn sowie seinen Co-Piloten bei der Arbeit beobachten, was auf sonstigen Flügen ja niemals möglich wäre.
Mein Mann nahm als erster die Gelegenheit wahr, unsere Piloten zu besuchen, und es schien, als wolle er gar nicht mehr wiederkommen zu uns Frauen. Das sah die Chefstewardess schließlich auch so, denn sie klopfte nach einer Weile an die Tür des Cockpits, um zu kontrollieren, ob alles in Ordnung sei. Nun durften wir Frauen beide zugleich den Kapitän und seinen Co besuchen. Eine Fülle von blinkenden Leuchtdioden usw. empfing uns in der relativ kleinen Kanzel, und die beiden Piloten saßen ganz entspannt auf ihren Plätzen und begrüßten uns freundlich. Der Co-Pilot war noch ein recht junger Mann, und auf unsere Frage nach seinem Heimatort bestätigte er, ebenfalls aus einem kleinen Ort in Sachsen-Anhalt zu kommen. Unsere Freundin fühlte sich in diesem Moment ganz wie zu Hause, und wir kamen uns fast als Ausländer
vor.
Wir genossen den ruhigen Flug bis Antalya und den Service, am Zielort nicht auf unser Gepäck warten zu müssen. Drei Koffer standen schon bereit am Gepäckband in der Flughafenhalle.
Unser Reiseleiter wartete schon auf uns, um uns ins nicht weit entfernte Hotel zu chauffieren.
Unsere 10-köpfige Reisegruppe lernten wir beim Abendessen kennen. Aus verschiedenen Städten Deutschlands waren sie angereist, aber niemand mit soviel Komfort wie wir.
Die einwöchige Rundreise begann nach dem Frühstück am nächsten Morgen in einem VW-Bus.
Die Begleitperson der Johanniter, Graf S., ein sehr sympathischer Mann, begrüßte uns herzlich, und wegen seiner langen Beine gesellte er sich auf die hinteren Plätze zu uns Dreien, weil es hier die bequemeren Sitze gab. So kamen wir des Öfteren ins Gespräch, auch über Sachsen-Anhalt, und meine Freundin erörterte mit ihm zusammen viele bekannte Plätze ihrer gemeinsamen Heimat.
Gisela erinnerte sich, dass sie einmal ihren Bruder, ein Jäger und Hobbykoch, über seine Erlebnisse auf dem Gut eines Grafen S. hatte erzählen hören. Einmal im Jahr würde er nach der Jagdsaison für die Familie und Freunde des genannten Grafen etwas Leckeres kochen. So kam unsere Freundin auf die Idee, unseren begleitenden Grafen zu fragen, ob er evtl. besagter Hausherr wäre. Er war es tatsächlich, und wir konnten kaum glauben, dass es auf einer Reise so viele Zufälle geben konnte.
Unser Herr Graf S. nannte unsere Freundin von nun an sehr vertraut das Börde-Rübchen
, denn die Magdeburger Börde in Sachsen-Anhalt ist bekannt für ihren Zuckerrübenanbau, und wir hatten eine vergnügliche Reise.
Nebenbei erkundeten wir natürlich auch viele Ausgrabungsstätten in der Türkei und genossen das noch sehr angenehme Wetter, bevor es per Flieger wieder zurück nach Hamburg ging, diesmal allerdings in einer ausgebuchten Maschine.
Im darauffolgenden Jahr erfuhren wir durch die Presse, dass die Fluggesellschaft Blue Wings ihren Flugbetrieb eingestellt hatte und Insolvenz beantragt worden war.
So werden wir wohl nicht noch einmal in den Genuss einer so komfortablen Flugreise kommen können.