TimetunnelMachen Sie eine Zeitreise … mit der Zeitleiste zur Machtergreifung 1933
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Linke-Rechte-Hand-Regel

Ich sehe meine linke Hand an – wieso zittert sie so, wenn ich ein Blatt Papier nehme, oder eine Tasse? Die Gabel kann ich schon seit Jahren nicht in der linken Hand halten, und esse unelegant mit der rechten. Ich bin Rechtshänderin, also müsste doch die Rechte in meinen 88 Jahren mehr abgenutzt sein, wieso zittert dann die Linke?

In der Physik gibt es im Teil Magnetismus und Elektrotechnik eine Links-Rechts-Hand Regel. Das haben wir schon in der Schule gelernt. Und in der UNI, ich habe dort Elektrotechnik studiert, ist diese Regel sehr wichtig.

Wir Studenten, lustiges Publikum, haben die Regel im Alltag genutzt. Wenn man die Speisekarte im Restaurant oder in der Kantine nimmt, stehen immer links die Namen der Speisen und rechts die Preise. Also, du deckst mit der linken Hand die Namen zu und suchst dir etwas Billiges rechts aus. Oder, falls du plötzlich viel Geld haben solltest, kannst du mit der rechten Hand die Preise zudecken und dir links etwas Schönes aussuchen. Also, es wurde gefragt: Lebst du heute nach der Regel der linken Hand oder der Rechten?. Das magere Stipendium erlaubte den meisten Studenten nur, die linke-Hand-Regel zu nutzen.

Seitdem meine Mutter 1948 ihren Doktorgrad gemacht hatte, gehörte unsere Familie zur Mittelschicht. Eigentlich konnten wir nach der Rechte-Hand-Regel leben. Aber die rechte Hand konnte auch nicht helfen, die Wunschgüter zu bekommen. Zum Beispiel eine Wohnung, einen Telefonanschluss, ein Auto, oder solche Mangelwaren wie Fernseher oder Kühlschrank. Dazu brauchte man das, was auf Russisch Blat heißt; gute, einflussreiche Beziehungen. Man nannte es auch Vitamin B. Lebensmittel waren vergleichsweise nicht teuer. Wer die rechte Hand benutzte, konnte sich roten und schwarzen Kaviar und Lachs erlauben, die mit der linken Hand mussten nach billigem Hering Schlange stehen.

Es kamen die Zeiten der Perestroika, für die UdSSR wurde es immer schwerer, die Parität mit dem Westen zu halten. Es mangelte an vielen Waren, es gab eine große Inflation. Früher hat man gefragt wonach riecht der Zug nach Tula? Die Antwort war nach Wurst – in der Provinz gab es Schwierigkeiten mit der Lebensmittelversorgung, in Wologda, die beste Butter wologodskoe maslo wurde dort gemacht, war Milch und Butter nur auf Marken zu haben.

Jetzt war auch in Moskau vieles knapp. 1991 habe ich in einem der besten Restaurants im Hotel Ukraina eine Party für meine Gäste aus Australien gemacht. Wie mag es heute heißen? Man hat mich gebeten, von zuhause Salate und Kuchen mitzubringen, auf der Weinkarte stand nur Wodka, und als Hauptgericht konnte das Restaurant nur Bush's Beine anbieten. So hießen damals die aus den USA importierten gefrorenen Hühnerschenkel. Jetzt lebten viele nach der Rechten–Hand-Regel: Irgendwie musste man das ersparte Geld vor der Inflation retten. Man stand Schlange beim Juwelier. Zu der Zeit kostete ein Dollar elf Rubel auf dem Schwarzmarkt, vor ein paar Jahren – fünf, und offiziell war der Preis noch immer 62 Kopeken für einen Dollar.

Aber ich fühlte mich nicht arm, ich war so wie alle anderen. Mein Umfeld hat mich respektiert, so wie ich bin. Wir alle brauchten beide Hände, um das Leben zu bewältigen.

Dann bin ich mit meiner Familie nach Deutschland ausgewandert. Das klügste, was du machen konntest; sagt dazu meine Tochter.

Das Leben wurde ganz anders. Ich war schon 59 Jahre alt, ich schrieb Bewerbungen, aber keiner wollte mich, und mein Doktorgrad wurde nur als Störfaktor angesehen, ich war überqualifiziert. Aber Vitamin B gibt es auch in Deutschland und so bekam ich eine Stelle in der MusikhalleLesen Sie auch von dieser Autorin:
Als Platzanweiserin in der Musikhalle[Klick …]
. Trotzdem war ich auf Sozialhilfe angewiesen und später auf Grundsicherung.

Im Vergleich zum Durchschnitt war ich vielleicht arm, aber ich fühlte mich nicht so. Ich konnte meinen Freunden in Moskau helfen, ich konnte viel reisen, es waren billige Busreisen, oft mit der Firma Rainbow Tours, habe Paris und Wien, London und Madrid, Rom und Prag, Schweden und die Schweiz gesehen. Ich konnte sparsam leben und in Moskau, Israel und USA Freunde und Verwandte besuchen. Nur ein Hotel dort konnte ich mir nicht erlauben.

Aber dazu musste ich nach der Linke-Hand–Regel leben. Na und? Wenn ich einmal im Restaurant speiste, war die billigste Speise Bratkartoffeln mit Spiegelei, aber es ist auch meine Lieblingsspeise, und ins Café bin ich sehr selten gegangen. Am Anfang habe ich mir Schuhe für zehn D-Mark gekauft, jetzt kaufe ich nicht die billigsten, aber doch meistens bei Deichmann im Angebot.

Ich gehörte niemals zu den Reichen und Schönen und diesen Traum habe ich längst begraben. Und jetzt bin ich alt geworden, meine Bedürfnisse schrumpfen, die Pandemie hat meine Lust zu Reisen gestoppt, ich muss nicht mehr sparen und eigentlich sollte meine linke Hand sich ausruhen.

Aber wieso zittert sie noch mehr? Vielleicht in Erwartung schlimmerer Zeiten?

In Europa herrscht Krieg, viele haben Angst, dass Putin den Knopf drücken könnte. Man spricht vom Schutzschild über Deutschland und dass man Raketen ARROW 3Ein Raketenabwehrsystem israelischer Produktion - siehe Wikipedia [Klick …] in Israel kaufen müsste - keine billige Sache, vom Gasmangel in naher Zukunft, und im Laden kann man schon kein Sonnenblumenöl mehr kaufen.

Vielleicht sollten wir Salz, Seife und Streichhölzer einkaufen und bereit sein, Kartoffeln auf den Rasen zu pflanzen und in unsere Wohnzimmer eine Ziege und Hühner einzuquartieren? Wir, Kriegskinder, haben manches davon schon einmal erlebt! Schade um unsere Enkelkinder.

Bleiben wir lieber optimistisch! Aber meine linke Hand zittert …


  • Autorin: Elena Orkina, 30. März 2022
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