Meine Bergwanderungen im Kaukasus
In meinen jungen Jahren schwärmte ich von Bergen, von schneebedeckten Gipfeln. Eigentlich war ich nicht sportlich, aber mit 24 habe ich mich doch entschieden für eine Bergwanderung im Kaukasus. Nachher waren es noch zwei Wanderungen, sehr interessant, wunderschön und manchmal ist auch etwas Komisches passiert.
Das erste Mal hatte ich mir einen Scheck für eine Wanderung im Westkaukasus gekauft. Der höchste Berg dort ist der Fischt
(2867 m, nach ihm wurde das Olympische Stadion in Sotschi benannt). Die Wanderung musste nicht schwer werden — die Berge waren nicht sehr hoch, Fischt sollten wir nicht besteigen. Obwohl unsere Route in unbewohnten Gebieten lag, erwarteten uns für jede Übernachtung Herbergen (einfache Schuppen mit Schlafsäcken), also mussten wir nur Lebensmittel schleppen. Aber wenn unsere Gruppe ankam, war die Verwaltung der Touristenstation geschockt — 25 junge Frauen und nur ein einziger Mann! Na ja, die echten sportlichen Männer gingen in die Berge selbstständig, auf schwierigen Routen, und die anderen blieben lieber auf dem Sofa beim Fußball im Fernsehen. So was gab es noch nicht in der Geschichte der Station. Solch eine Gruppe musste doch eine leichte Beute für die temperamentvollen Männer des Kaukasus werden! Zur Verstärkung gab man uns einen männlichen Bergführer, einen jungen lustigen Alpinisten Tolja.
Schon am ersten Tag hatten wir über so komische Tiere gestaunt — mit dem Maul eines Schweines, lange braune Borsten wie beim Igel, lange Beine und die Geschwindigkeit eines Windhundes. Am Mittag beim Lagerfeuer sagte Tolja: Passt auf eure Schüsseln auf. Es sind keine wilden Schweine, sie haben ein Zuhause, bekommen aber dort wenig zu fressen und suchen in den Bergen nach Nahrung. Und sie werden uns an unserem Weg ständig begleiten in der Hoffnung, etwas zu kriegen oder klauen zu können. Also, seid wach!
In der Nacht in den Herbergen hat Tolja uns ganz toll unterhalten — er sang, erzählte lustige Geschichten und sorgte für unsere gute Laune. Alle waren wir in ihn verliebt. Eines Nachts sind wir vom lauten Poltern aufgewacht. Jemand war draußen. Tolja flüsterte, wir sollen ganz still bleiben. In dieser Gegend gibt es wilde Bären, aber wenn es still bleibt, geht er vielleicht weg. Wir hatten Panik, aber wirklich, nach einer Zeit, die uns sehr lang vorgekommen war, ist es still geworden und wir schliefen ein. Am Morgen waren unsere Töpfe und Eimer blank gescheuert und ein Eimer, den wir mit den Reste unseres Abendessens an einem Ast aufgehängt hatten, war flach zerdrückt. Es war kein Bär, es waren die frechen Schweine, und Tolja hat es gewusst und sich über uns lustig gemacht. Nach 12 Tagen (jeden Tag hat es geregnet, aber wir haben doch die Möglichkeit gehabt, vom Gletscher am Fischt auf unseren Rücksäcken herunter zu rutschen) sind wir heil und bei sehr guter Laune zum Schwarzen Meer in der Nähe von Sotschi angekommen.
Ein Jahr danach habe ich mir eine schwierigere Wanderung gebucht durch den Pass Betscho (3367m). In der Gruppe hatten wieder Mädchen dominiert, aber es waren auch Männer dabei. Man hat uns mit Bergstiefeln und sogar mit ein Paar Eispickeln ausgerüstet. Der Becho Pass war steil, mit Eis und Schnee bedeckt, und die Bergführer hatten für uns ein Sicherungs-Seil aufgehängt. Dafür konnten wir eine besonders schöne Aussicht genießen — die hohen schneebedeckten Gipfel des Kaukasus standen um uns in voller Pracht. Übrigens ist der Pass jetzt unzugänglich — dort liegt die Grenze zwischen Russland und Georgien. Dann ging unser Weg nach Swanetien in Dorf Mestia. Dort sah ich die berühmten alten Türme. Das Erdgeschoss war für Haustiere vorgesehen, höher hat man Getreide und Heu aufbewahrt und ganz oben wohnten die Menschen. Zwar hatten die meisten Leute in Mestia normale Häuser, aber manche Türme waren noch bewohnt. Wir waren überrascht, dass die gesamte männliche Bevölkerung auf der Straße saß und rauchte, und nur Frauen hatten gearbeitet.
Die ganze Nacht hatten Männer unserer Gruppe vor dem Haus Wache gestanden, um uns vor den lokalen Kavalieren zu schützen — in den Bergen sind eigene Mädchen und Frauen tabu, und von russischen hieß es, sie seien zu Abenteuern bereit.
Weiter ging unsere Route abwärts Richtung Meer und es wurde sehr warm. Nach einem langen anstrengenden Marsch waren alle erschöpft, manche konnten nicht mehr das Tempo halten. Unser Führer hat die Stärkeren gebeten, zur Herberge am Ende des Dorfes zu laufen, um sich um das Abendessen zu kümmern, und ist mit dem Rest der Gruppe hinten geblieben.
Wir waren drei Frauen und sechs Männer, hatten Durst und beschlossen die Dorfkneipe aufzusuchen, um dort Wasser oder Limonade zu kaufen. In der Kneipe saßen am Tisch ein halbes Dutzend Georgier. Wir baten den Wirt um Wasser. Wozu denn Wasser trinken, wenn es Wein gibt?
sagten die Männer und baten uns zu ihrem Tisch. Die Gastfreundschaft des Georgiers ist berühmt, und eine Einladung abzulehnen, ist eine große Beleidigung. So fingen wir an mit ihnen zu trinken. Der Wein war sehr leicht, herb, angenehm. Wir wollten uns revanchieren und kauften auch ein paar Flaschen. Darauf bestellten die Männer eine ganze Kiste und es begann ein Fest. Zu essen gab es wenig, aber zu trinken — reichlich. Georgien ist auch für Trinksprüche berühmt. Wir tranken auf Freundschaft zwischen den Völkern, auf schöne Frauen, auf mutige Männer, auf die Liebe und auf Stalin. Jetzt sagt man, er habe Fehler gemacht, aber er war der größte Georgier und wir sind stolz, dass er von hier kommt!
Und so ging es weiter. Zuerst hatte ich noch die Gläser gezählt, nach dem sechsten nicht mehr. An einem gewissen Punkt hatten ich und drei andere erkannt, dass wir lieber gehen sollten. Wir gingen aus der Kneipe, mein Kopf schien mir in Ordnung zu sein, nur die Beine wollten nicht mitmachen. Auf dem Weg gelangten wir in ein kleines Wäldchen und beschlossen, ein wenig im Schatten auszuruhen. Wir bedeckten uns mit Laken und schliefen ein. Und dort fand uns unser Führer ein paar Stunden später. Es stellte sich heraus, dass es gar kein Wald war, nur drei Pinien in der Mitte des Dorfes. Rund um uns hatten sich die einheimischen Frauen und Kinder versammelt und freuten sich über diesen Zirkus. Am schlimmsten fühlten sich die Männer, die in der Kneipe blieben. Am nächsten Tag hatten sie einen schrecklichen Kater, und das nach einem so schwachen Wein und so schönem Fest! Der Führer sagte, dass es nicht das erste Mal war — die Einheimischen drehten öfter solch einen Spaß mit Gruppen, und er hatte vergessen, uns zu warnen.
1963 wanderten wir zu dritt auf eigene Faust in der Nähe der alten Suchumer Heerstraße, in der Dombai-Gegend. Der höchste Punkt unserer Wanderung war der Kluchor-Pass (2781m). Der Pass gilt nicht als schwierig, der Aufstieg ist nicht steil, aber es wurde nicht erlaubt, ihn selbständig zu passieren. Am frühen Morgen sammelte sich an der Nordhütte eine große Gruppe, vielleicht 200 Personen und die Bergführer leiteten uns durch den Pass. Wir mussten im Gänsemarsch gehen, es wurde nicht erlaubt, den Pfad zu verlassen. Die Schlange zog sich kilometerlang, Touristen hatten Bergstiefel an, die einheimischen Frauen mit Kleinkindern und Babys gingen durch den Schnee in Sommersandalen. Für sie war es keine Wanderung, nur ein normaler Weg nach Suchumi zu Besuch, oder zum Einkauf. Jetzt, nach dem Zerfall der UdSSR weiß ich nicht, welches Visum man braucht, um den Kluchor zu passieren, genau dort läuft die Grenze zwischen Russland und Abchasien, das früher ein autonomes Gebiet in Georgien war.
An der Südhütte erwarten uns schon Lastwagen und Busse, die Leute nach Suchumi zum Touristencamping brachten. Wir konnten nicht mit einem Platz im Camping rechnen — alles war voll. Wir hatten genug Geld, um eine komfortable Bleibe zu bezahlen, einer meiner Begleiter war ein junger Professor der Physik mit zwei Doktor-Graden, aber wir wussten, dass Geld nicht half, einen Platz im Hotel zu bekommen.
An der Pforte des Camping standen Frauen und boten Übernachtungsmöglichkeiten an. Solch eine alte Georgierin führte uns zu ihrem Grundstück, sie hat uns ein Doppelbett (für uns drei!) im Haus, oder eine Hütte ohne Möbel im Hof angeboten. Die Hütte war 6 qm. groß, und eine Wand war eingebrochen. Wir entschieden uns für die Hütte — das Bett im selben Zimmer mit fremden Leuten kam uns verdächtig vor. Wir hatten keine Kraft, nach etwas Besseren zu suchen — wir waren verschwitzt und mit Staub bedeckt und wollten nur zum Meer. Also, warfen wir unsere Rücksäcke in die Hütte, kicherten, dass ein Professor im Hühnerstall übernachten musste und gingen zum Meer und dann ins Restaurant. Wir kamen spät in der Dunkelheit und sahen, dass in unserer Hütte zwei fremde Burschen schnarchten. Also nahmen wir unsere Sachen, breiteten unsere Plane auf den Beeten im Hof aus, krochen in unsere Schlafsäcke und schliefen ein. Am Morgen wurden wir von Hühnern geweckt, sie begannen unseren Professor am Kopf zu picken und um uns herum zu hüpfen — vielleicht hatten wir ihre Beete belagert.
Wir staunten — nicht weniger als zwanzig Menschen verbrachten die Nacht im kleinen Hof, in der Mitte in einem Kinderbett schlief ein großer Mann, dessen Beine durch die Gitter ragten. Der Sohn der Wirtin, ein eleganter junger Georgier im schwarzen Anzug und weißen Hemd (das war die lokale Mode) schlief auf der Erde, den Kopf auf die Stufe des Toilettenhäuschens gelegt. Und das Haus war auch voller Menschen. Alle bezahlten einen Rubel für eine Nacht, es war ein gutes Geschäft für unsere Wirtin. Dann kam ein Polizist und zählte die Gäste ungefähr, und sie zollten ihm den Tribut
. Wir wollten für uns eine anständige Bleibe finden, aber es war unmöglich — jedes Bett, jede Ecke in Suchumi war vermietet. Und in der schönen tropischen Stadt mit Palmen und Zitronenbäumen stank es nach Toiletten und Desinfektionsmitteln. Wir beschlossen, Suchumi zu verlassen und zogen nach Sotschi.