Gedanken über die Nachkriegszeit
Bei Nachkriegszeit
denken die meisten Deutschen heute an die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa am 8. Mai 1945. Jedoch ist dieser Begriff ebenso falsch wie irreführend, verschleiert er doch die wirkliche politische Weltlage ab etwa 1947. Tatsächlich wurde dieser Krieg weitergeführt, nachdem die sogenannten Achsenmächte Deutschland, Italien und Japan kapituliert hatten. Aus den Alliierten Kriegsmächten Sowjetunion und den Vereinigten Staaten von Amerika wurden unerbittliche Kriegsgegner, die sich in den nach dem Zweiten Weltkrieg geteilten Ländern zwar nicht direkt gegenüberstanden, aber doch sogenannte Stellvertreterkriege gegeneinander führten. Die Zeit des Kalten Krieges
hatte begonnen. Heute wissen wir, dass dieser Krieg mit allen Mitteln ausgetragen wurde und oft drohte, zu einem Heißen Krieg
zwischen den Großmächten zu werden. Ideologien standen sich gegenüber, im Westen Demokratie, Freiheit und Marktwirtschaft, im Osten Diktatur, Unterdrückung und Planwirtschaft.
Bei Kriegsende verloren die Deutschen nicht nur ihre Souveränität, sondern auch weite Gebiete im Osten des Landes, Ost- und Westpreußen, das Warthegau und Teile Brandenburgs, Schlesien, Böhmen und Pommern. Es gibt keine genauen Zahlen, wie viele Menschen aus diesen Gebieten vertrieben wurden und ihre Heimat verlorenLesen Sie auch:Wie wir unsere Heimat verloren…
Von Ursula Kennhöfer, geb. Fischer, Historiker nennen eine ungefähre Zahl und sprechen von zwölf bis vierzehn Millionen Menschen, die nach Westen zogen. Deutschland wurde geteilt und unter die Verwaltung der Amerikaner, Engländer, Franzosen und Russen gestellt. Berlin erhielt einen Sonderstatus und wurde zwischen den vier Siegermächten in Sektoren aufgeteilt, soweit die geschichtlichen Fakten.
Soweit eine Kurzfassung der historischen Vorgänge, um jetzt meine persönlichen Erinnerungen anzuknüpfen …
Mein Onkel, der jüngere Bruder meines Vaters, war immer etwas fortschrittlicher als mein Vater und den technischen Errungenschaften der Nachkriegszeit sehr aufgeschlossen. Er war schon motorisiert und fuhr eine schwarze Horex mit Beiwagen, in dem ich auch manchmal mitgenommen wurde, wenn es zur Oma nach Reinfeld ging. Auch hatte er bereits ein Fernsehgerät der Marke SABA Schauinsland. Als der kaputt ging, bekam mein Vater das Gerät zur Reparatur und durfte es anschließend behalten. Teile zur Reparatur, Röhren und Trafos gab es damals in der Spitalerstraße bei der Firma Baderle. So kam es, dass wir zu einem frühen Zeitpunkt schon einen Fernseher besaßen. Mitte der 1950er Jahre gab es nur ein einziges Programm der ARD, ausgestrahlt vom Nordwestdeutschen Rundfunk, das Zweite Programm ging erst 1962 auf Sendung. Empfangen wurden die Sendungen über eine analoge Antenne, die mein Vater auf dem Dachboden montiert hatte, damit neidische Nachbarn nicht sehen konnten, dass wir bereits einen Fernseher hatten. Zu der Zeit war es durchaus üblich, dass die Nachbarn sich zum Fernsehen einluden, wenn es ein wichtiges Fußballspiel oder eine interessante Unterhaltungssendung mit Peter Frankenfeld oder Hans-Joachim Kuli
Kulenkampff zu sehen gab. Gegen Mitternacht war Sendeschluss, dann wurde ein Testbild gesendet, danach wurde der Sender abgeschaltet und im Fernseher war nur noch ein Rauschen und Flimmern. Nach der Installation einer zweiten, nach Osten gerichteten Antenne, hatten wir auch ein zweites
Fernsehprogramm, denn auch die DDR strahlte ab 1952 zunächst als Versuchssendung, dann ab 1956 als Deutsche Fernsehfunk (DFF), ein Fernsehprogramm aus.
Indes war die Berichterstattung der Medien über den Krieg, der seit 1950 in Korea tobte, äußerst spärlich. Mit dem Eingreifen Chinas und den Vereinten Nationen unter Führung der USA weitete sich dieser Krieg zu einem Stellvertreterkrieg der Ideologien aus. In Deutschland wurden Befürchtungen laut, er könnte sich zu einem Dritten Weltkrieg ausweiten und das bisher Erreichte wieder zunichtemachen. Im Nachkriegsdeutschland herrschte Wiederaufbau- und Wirtschaftswunderstimmung, vom Krieg wollte niemand mehr etwas wissen. Der Gedanke daran wurde einfach zu Gunsten einer heilen Welt verdrängt, doch die Realität sah anders aus. Zwei Jahre nach dem in Korea ein Waffenstillstand geschlossen wurde, begann 1955 der Krieg in Vietnam, der bis 1975 dauerte. Auch dieser Krieg weitete sich zu einem Stellvertreterkrieg aus, Nordvietnam wurde von China und der Sowjetunion, der Süden von den Vereinigten Staaten von Amerika unterstützt. Die Berichterstattung durch die Medien war ausführlicher als die über den Koreakrieg und die Sorge wuchs, er könnte sich zum Weltkrieg auswachsen. 1960 startete im DDR Fernsehen eine neue Sendung, moderiert von Karl-Eduard von SchnitzlerKarl-Eduard Richard Arthur von Schnitzler (* 28. April 1918 in Berlin-Dahlem; † 20. September 2001 in Zeuthen) war ein deutscher Journalist. Im Zweiten Weltkrieg wurde er als Soldat der Wehrmacht wegen antinazistischer Propaganda in das afrikanische Strafbataillon 999 versetzt.
Als Chefkommentator des DDR-Fernsehens sowie Autor und Moderator der politisch-agitatorischen Fernsehsendung Der schwarze Kanal
war er bei der DDR-Bevölkerung (Spitzname: Sudel-Ede) der umstrittenste Journalist.Siehe Wikipedia.org, mit dem Titel: Der schwarze Kanal
Der schwarze Kanal war eine politisch-agitatorische Sendereihe des DDR-Fernsehens zu Zeiten des Kalten Krieges. Der Chefkommentator Karl-Eduard von Schnitzler widmete sich im Sinne der SED-Propaganda einzelnen Ausschnitten von Sendungen des Westfernsehens, also der Fernsehprogramme aus der Bundesrepublik Deutschland.Siehe Wikipedia.org. Fortan verbreitete von Schnitzler jeden Montag polemisch-aggressive Hasstiraden, wohl wissend, dass er auch im Westen empfangen wird. Das Pendant dazu war das vom Zweiten Deutschen Fernsehen vierzehntägig ausgestrahlte ZDF-MagazinDas ZDF-Magazin war eine von 1969 bis 1988 jede zweite Woche ausgestrahlte Fernsehsendung des ZDF, die von Gerhard Löwenthal geleitet und moderiert wurde. Hauptinhalt des Magazins waren politische Reportagen; bekannt wurde die Sendung wegen ihrer Beiträge über die kommunistischen Regime in Osteuropa, vor allem über die DDR. Zu seiner Tätigkeit beim RIAS schrieb Löwenthal in seinen Memoiren, er habe Propaganda betrieben, deren Ziel es zumindest phasenweise gewesen sei, die DDR zu destabilisieren
.Siehe Wikipedia.org, moderiert von Gerhard LöwenthalGerhard Löwenthal (* 8. Dezember 1922 in Berlin; † 6. Dezember 2002 in Wiesbaden) war ein deutscher Journalist. Von 1969 bis 1987 leitete und moderierte er das ZDF-Magazin.Siehe Wikipedia.org. Löwenthal attackierte in seiner Sendung die Planwirtschaft der DDR, die Linke und die Ostpolitik Willy Brandts. Beide, Löwenthal und von Schnitzler haben sich mit ihrer journalistischen
Arbeit darum verdient gemacht, die Deutschen in Ost und West zu entfremden und zu Feinden gemacht zu haben. Beide Sendungen waren typisch für die Propaganda des Kalten Krieges in Westeuropa.
Am Sonntagmorgen, dem 13. August 1961 wurde das Fernsehgerät schon vor dem Frühstück eingeschaltet. Die Bilder werde ich nie vergessen, als in Berlin Panzer im Ost- und im Westsektor auffuhren und sich gegenseitig mit ihren Kanonen drohten. In den frühen Morgenstunden war das Straßenpflaster entlang der Demarkationslinie aufgerissen worden und mitten durch Berlin wurde eine Mauer gezogen. Karl-Eduard erklärte im Schwarzen Kanal
, dass dieser Antifaschistische Schutzwall
errichtet werden musste, um die westlichen Agitatoren davon abzuhalten, die friedliebende DDR weiter zu destabilisieren. Löwenthal tat ein weiteres, um die Stimmung aufzuheizen und verbreitete im ZDF-Magazin
seine Sicht der Dinge. Der Ernst der Lage war jedem, der diese Bilder sah, absolut klar, es genügte ein kleiner Funken, um die Welt zu entzünden.
Ein weiteres Ereignis von großer Tragweite ereignete sich im Oktober 1962, die Welt hielt den Atem an, sprichwörtlich, wir waren starr vor Schreck, als im Radio und Fernsehen über die Seeblockade Kubas durch die Vereinigten Staaten berichtet wurde. Der Kalte Krieg
erreichte eine neue Dimension, erstmals standen sich die UdSSR und die USA in einer direkten militärischen Konfrontation gegenüber. Ich kann mich gut erinnern, und ich war alt genug, um die Tragweite der Ereignisse zu erfassen. Meine Eltern diskutierten mit Freunden und Nachbarn die Ereignisse auf Kuba und die harte Haltung des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy. Niemand wollte daran glauben, dass sein Gegenspieler Nikita Chruschtschow klein beigeben würde. Es bestand durchaus die Gefahr, dass einer von beiden einen Atomkrieg auslösen würde. Der Kalte Krieg
hatte, getrieben durch ein erbarmungsloses Wettrüsten, eine neue Dimension erhalten. Dreizehn Tage später gab Nikita Chruschtschow in einer Rede vor dem Politbüro der UDSSR bekannt, dass er auf eine Stationierung der Atomraketen auf Kuba verzichten würde. Ich erinnere mich an die Übertragung dieser Rede im Fernsehen deshalb so genau, weil ich einen Staatsmann mit seinem Schuh auf das Rednerpult trommeln sah. Öffentliche Neubauten wurden ab diesem Zeitpunkt mit atomsicheren Schutzräumen ausgestattet.
Einen solchen Schutzraum bekam ich zum ersten Mal im Rahmen meiner dienstlichen Aufgaben Mitte der 1970er Jahre zu sehen. Der Fernmeldedienst der Deutschen Bundespost war auch für den Betrieb und die Wartung des Luftschutz-Warndienstes zuständig. Die technischen Einrichtungen hierfür waren in den atomsicheren Bunkern im Keller von Vermittlungseinrichtungen untergebracht. Während eines Probealarms zur Überprüfung der Sirenenanlagen hatte ich mich dort dienstlich aufzuhalten, um eventuelle Defekte sofort zu beseitigen. Die schwere eiserne Tür war so konstruiert, dass sie einem Überdruck im Innern des Kellers standhalten konnte und mit einem Gummirahmen abgedichtet. Der Überdruck wurde mit einer Belüftungsanlage erzeugt, die sowohl für elektrischen als auch für Handbetrieb ausgelegt war. Über Schächte wurde die Luft durch die Filter angesaugt, die Pumpe wurde mit großen Handkurbeln angetrieben. In einem Raum waren Mengen von Feldbetten gestapelt, in einem anderen Mengen von leeren Wasserkanistern aus Kunststoff. In einem weiteren Raum lagen viele Rollen dickwandiger schwarzer Abfalltüten für die Exkremente der Menschen im Schutzraum. Was sich nicht dort befand, waren die im Ernstfall benötigten Lebensmittel, Decken, Kleidung und vor allem das viele benötigte Wasser. Es war für mich auch nicht erkennbar, für wie viele Leute dieser Schutzraum vorgesehen war, schon gar nicht, wer wohl im Ernstfall eine Eintrittskarte bekommen würde. Die Frage bleibt, wie viele Tage man nach einem Atomangriff im Bunker verbleiben musste und wie es dann wohl weitergehen würde, in einer atomar verseuchten Welt. Ich glaube, diese Frage hat nie jemand zu Ende gedacht. Selbst die friedliche NutzungLesen Sie von diesem Autor auch:Die Lichter gehen aus…
einer Technologie, die zur Massenvernichtung entwickelt wurde, zeigt durch die lange Liste von Störfällen, Unfällen und Katastrophen, dass der Traum von billiger und sauberer Energie ausgeträumt ist. 1986, nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl, musste die ukrainische Stadt Prypjat als Lebensraum für Menschen aufgegeben werden. Ein Vierteljahrhundert später traf es in Japan den Landstrich um das Kernkraftwerk Fukushima. 170.000 Menschen wurden evakuiert, sie werden wohl nie in ihre atomar verseuchte Heimat zurückkehren.
Nach der Beendigung der Kubakrise erklärte Kennedy, dass er nicht die Gefahr gesehen hatte, die Sowjetunion könne ohne Vorwarnzeit auf die USA schießen, sondern darin, dass die Balance of Power
zu Gunsten der UdSSR aus dem Gleichgewicht geraten wäre. So wurde es also wiederhergestellt, das Gleichgewicht des Schreckens
und manche glauben noch heute, wir hätten die letzten 70 Jahre Frieden gehabt.
Übrigens, dass Sie, liebe Leserin, lieber Leser, diesen Text im Internet finden konnten, ist in gewisser Weise eine Folge des Kalten Krieges. Angesichts der drohenden Gefahr eines mit Interkontinentalraketen und atomaren Gefechtsköpfen geführten Angriffs gegen die Vereinigten Staaten wurde 1968 damit begonnen, ein Computernetzwerk aufzubauen, das verschiedene Universitäten, die für das Verteidigungsministerium forschten, miteinander verband. Das dezentrale Konzept des Arpanet war revolutionär, doch die Verbindungen wurden über Telefonleitungen hergestellt. Dass damit die Handlungsfähigkeit der Regierung im Ernstfall sichergestellt werden sollte, wird von offizieller Seite zwar heute bestritten, doch sicherlich haben amerikanische Studien nach dem Zweiten Weltkrieg dem Arpanet Geburtshilfe geleistet. Die ersten Ideen für ein solches Intergalaktisches Computer-Netzwerk
wurden bereits 1962 vorgelegt und enthielten bereits alles, was das heutige Internet ausmacht.