Unter Tage – ein Höhlenabenteuer im Vercors
Anfang der 1990er Jahre lernte ich Helmut kennen. Er suchte in unserer SpeläogruppeEmblem der Speläogruppe im DAV, Sektion Hamburg
Speläologie ist der Fachbegriff für Höhlenforschung/Höhlenkunde. Ziel der Speläologie ist die Erforschung (und der Schutz) von Höhlen und Karsterscheinungen, die wir Höhlenbegeisterten gerade gegründet hatten, Unterstützung durch erfahrene Höhlengeher. Hatten wir doch in der Provence schon einige schwere Höhlentouren gemacht und waren seilfahrterprobt. In den Jahren hatten wir unsere Ausrüstung erweitert und optimiert. Die Abseil-, Steig- und Sicherungstechnik sowie das verwendete Material unterschieden sich sehr von dem alpinen Equipment und dort angewandten Sicherungstechniken.
Helmuts Traum war die Befahrung einer alpinen Großhöhle, der EisriesenweltSiehe Wikipedia: Eisriesenwelt (auch Posselthöhle) im Tennengebirge in Österreich bei Salzburg in Österreich. Nach einem der Treffen mit unserer noch kleinen Gruppe Höhlengeher lud er die drei erfahrensten Bergsteiger der Gruppe und meine Freundin zu sich nach Hause ein. Dort entwickelte er seinen Plan. Die Eisriesenwelt ist eine alpine Großhöhle, deren erste zwei Kilometer als Schauhöhle erschlossen sind. Gegen Eintritt kann man dort die natürlich durch Friktionskälte entstandenen Eisskulpturen bewundern. Helmut hatte die Idee, mit der Seilbahn zum Höhlenportal zu fahren und dort an einer Führung teilzunehmen. Auf der Rücktour wollte er den Schlüssel stehlen, um dann mit der letzten Seilbahn zurückzukommen. Dann aber mit der gesamten Ausrüstung, mit Seilen, SchlazenDer Schlatz oder auch Schlaz (Schlufanzug) bezeichnet im Jargon der Höhlenforscher einen strapazierfähigen einteiligen Overall, der Schutz vor Schmutz (Höhlenlehm), Wasser und mechanischer Beschädigung während einer Höhlenbefahrung und beim Schlufen (kriechen durch Engstellen) bietet., Karabinern, dem GeleuchtAls Geleucht wird die Gesamtheit der angewandten Leuchtmittel bezeichnet. Der Ausdruck wurde aus der Sprache des Bergmanns übernommen. und der Verpflegung für mehrere Tage, für jeden von uns ein Gepäckstück von mehr als 25 Kilo. Dann, so sein Plan, sollten wir mit dem Schlüssel in die Höhle eindringen und sofort per Seil in den nichtöffentlichen Teil absteigen, herunter in die sogenannte Tonscherbenhalle.
Ich hielt den Plan für nicht durchführbar, auch die anderen Anwesenden versuchten, Helmut das Vorhaben auszureden. Schon die Anfahrt per Seilbahn mit unserem mächtigen Gepäck hätte sich doch in Windeseile beim Personal der Eisriesenwelt herumgesprochen. Ich habe uns schon im Gefängnis gesehen, als Schänder österreichischer Heiligtümer. Nein, so etwas machen wir nicht, haben wir ihm klar gemacht.
Aber Helmut hatte noch einen Plan B, der sich verlockend anhörte. In Frankreich, nahe Grenoble gab es westlich der Isère ein verkarstungsfähiges Gebirge, das wohl die tiefste Höhle Europas beherbergt. Auch gibt es dort einige Großhöhlen, die noch nicht vollständig erforscht und zugänglich sind. Er erzählte von dem, was er darüber gelesen hatte und schwärmte von Aragonit-KristallenEisenblüte, oder Aragonit ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der Carbonate und Nitrate
. Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem mit der Zusammensetzung Ca[CO3], ist also chemisch gesehen ein Calciumcarbonat. Es kristallisiert in unterschiedlichster Form. Prismatische Kristalle kommen ebenso vor wie Mineral-Aggregate, die kugelig bzw. oolithisch, gebändert, säulig und dendritisch (bäumchenartig) sowie parallelfaserig, radialstrahlig oder nadelig sein können. Das Mineral wurde von Abraham Gottlob Werner 1796 beschrieben und von ihm nach seinem Fundort in der Provinz Aragonien in Nordost-Spanien benannt.Siehe Wikipedia, die er noch nie gesehen hatte. Auch die Grotte Merveilleux
, auf Deutsch die Wundervolle
wollte er dort unbedingt besuchen. Das hörte sich schon sehr viel besser und vor allem machbar an und wir beschlossen, im nächsten Frühjahr das Vercors und seine Höhlenwelt kennenzulernen.
Meine Freundin Dörthe und ich besorgten uns umfangreiche Literatur über das Gebiet, leider gab es die nur auf Französisch. Also machten wir beide uns daran, für unsere Gruppe eine deutsche Übersetzung anzufertigen. Ich besaß damals bereits einen Computer, einen Atari Mega ST2Lesen Sie auch:Eine kleine Computergeschichte
, über das Aufkommen der ersten PCs in den 1980er Jahren., den ich selber mit Lötkolben und Speicherchips auf vier Megabyte Arbeitsspeicher aufgerüstet hatte. Für unser Vorhaben eignete sich eine installierte TeX und LaTeX-Software, mit der das entstehende Buch am Ende gedruckt wurde. Es enthielt die aktuellen Forschungsergebnisse in Form von Plänen und Schnittzeichnungen und natürlich auch die Zugangsbeschreibungen. Damit haben wir beide den ganzen Winter verbracht, es war die Voraussetzung für das Gelingen der geplanten Exkursion.
Im Mai 1991 fuhren wir dann das erste Mal an die Isère, durch Grenoble ins Vercors. Als Treffpunkt war ein privater Campingplatz in der Gorges de la Bourne ausgemacht. Die Bourne hat sich im Laufe von Jahrmillionen mehr als 500 Meter tief in das Kalkgebirge eingegraben und eine fantastische Schluchtenlandschaft geschaffen. Der Campingplatz à la Ferme war aber nicht mehr als eine Kuhwiese am Fluss mit Waschgelegenheit plus Dusche und Toilette im Stall neben dem Wohnhaus. Alles Karo einfach
, aber für uns völlig ausreichend. Dort bauten wir ein Steilwandzelt auf, das uns allen bei schlechtem Wetter als Küche und Aufenthaltsraum diente, denn Anfang Mai war es hier noch sehr kalt und es lag noch viel Schnee in den Bergen.
Die erste Exkursion am folgenden Tag führte uns in eine Schauhöhle, die Grotte de Choranche, berühmt wegen ihrer großen Hallen, vor allem aber wegen ihrer meterlangen Spaghetti
. Spaghetti werden die Versinterungen genannt, welche innen hohl sind und weiter wachsen. So entstehen meterlange Röhrchen, die von der Firste, der Höhlendecke hängen und ein zauberhaftes Bild ergeben. Dazu braucht es ganz bestimmte Bedingungen, entscheidend sind Luftfeuchte, Luftbewegung, Wassermenge und Kalkgehalt, damit die Röhren nicht verstopfen und zu normalen
Stalaktiten werden. Der Weg dorthin führte über eine Straße, die in den Fels gebaut war, mit Arkaden, die den Blick auf die großartige Landschaft freigaben. Eine Galerie im steilen, senkrechten Fels hoch über dem Fluss.
Vom Kassenhäuschen führte in einer Viertelstunde der künstlich angelegte Weg zum Höhlenportal, das sich unter einem mächtigen Felsvorsprung befand. Unter diesem Abri haben schon eiszeitliche Jäger Schutz gesucht, wie archäologische Ausgrabungen beweisen. In einem Schaukasten waren verschiedene Artefakte ausgestellt, die in der Höhle geborgen wurden. Vorbei an dem Schaukasten führte der Weg weiter, allerdings nur noch als ein schmaler, kaum zu erkennender Saumpfad. Das war der Zustieg zur Grotte de GournierSiehe auch Wikipedia: Grotte de Gournier, unserem Ziel in den nächsten Tagen. Die Besichtigung der Schauhöhle war ein Erlebnis, in einer der großen Hallen hatte man Lautsprecher aufgebaut und beschallte uns mit lauter Musik, was nicht jedermanns Sache war. Aber Stille und Dunkelheit macht vielen Menschen Angst. Nach der Führung durch die großartige Schauhöhle ging es über den schmalen Pfad hoch in der steilen Felswand bis zum Höhlenportal einer zweiten Großhöhle, der Grotte de Gournier. Hinter dem mächtigen Portal erstreckt sich ein See, der Lac de Meduse genannt wird, 40 Meter lang und zehn Meter breit. Hier fließt das Wasser des aktiven Systems ab und stürzt als Wasserfall in die Schlucht hinab zur Bourne. Nach der Schneeschmelze und bei starkem Regen kommen leicht 60 Kubikmeter pro Sekunde zusammen. Dann wird es hier sehr gefährlich, und immer wieder hörte man von dramatischen Rettungsaktionen, um von den Wassermassen eingeschlossene Höhlengänger mit Tauchern herauszuholen.
Eine Befahrung der Grotte de Gournier war damals noch nicht eingeschränkt, allerdings war eine Reglementierung durch die zuständigen Behörden bereits im Gespräch, weil immer wieder unerfahrene Höhlengeher vor dem Ertrinken gerettet werden mussten. Für eine Befahrungsgenehmigung der Grotte BergerSiehe Wikipedia: Gouffre Berger war beispielsweise Monate vorher die schriftliche Anmeldung mit ausführlichen Angaben über die Speleäogruppe, Anzahl der Gruppenmitglieder, ihrer Erfahrung in der Höhlenforschung und die geplante Dauer der Befahrung erforderlich. Der Bürgermeister des Bezirks entschied dann über eine Genehmigung. Für die Bergung verunglückter, oder eingeschlossener Höhlenforscher war die Spéléo Secours Français
zuständig. Das waren erfahrene Höhlenforscher, die auf freiwilliger Basis bereit waren, verunglückten zu helfen. Allerdings waren dann saftige Spenden fällig. In der Provence hatten wir Robert und Jean-MarcLesen Sie auch:Höhlenfahrt mit Yeti
, ein Befahrungsbericht der Gouffre du Petit St. Cassien in der Provence von der Höhlenrettung kennengelernt und mit ihnen zusammen eine 19-stündige Höhlenfahrt unternommen, worüber ich berichtet habe.
Helmut hatte in der Literatur über die Gournier gelesen, dass es am Ende der fossilen Galerie wunderbare Aragonitkristalle zu sehen gäbe, dort wollte er unbedingt hin. Bei der Zusammenstellung der benötigten Ausrüstung für diese Unternehmung war nicht nur ein Schlauchboot für den See am Eingang und das Kletterequipment mit Seilen, Karabinern, Handbohrern, Laschen und Bohrkronen nötig, sondern auch Schlafsack, Kocher und Verpflegung für drei Tage. An Wasser würde es uns nicht mangeln. Für unser Geleucht wurde für die acht Expeditionsteilnehmer, der benötigte Vorrat an Lampenbrennstoff berechnet. Unsere verwendeten Karbidlampen hatten eine Brenndauer von sechs bis acht Stunden pro Füllung, was bedeutete, dass jeder von uns rund zwölf Mal seinen Karbidentwickler wieder auffüllen musste. Bei acht Leuten, und wir kalkulierten eine Befahrungsdauer von drei Tagen, musste also rund 30 Kilogramm Karbid wasserfest verpackt mitgeführt werden. Dazu kam noch die persönliche Ausrüstung, Kleidung, Kocher, Verpflegung, sodass jeder Teilnehmer gut 20 Kilo zu schleppen hatte.
Nun muss man sich vor einer Höhlenbefahrung klarmachen, dass so ein Höhlensystem sehr sensibel ist und auf keinen Fall verschmutzt werden darf. Die wichtigsten Verhaltensmaßregeln sind, auf keinen Fall die Flächen zu berühren, auf die Wasser tropft. Das Hautfett würde für mehrere hundert Jahre ein Weiterwachsen der Stalagmiten verhindern. Ein weiterer Grundsatz lautet: Wer eine Höhle befährt, hinterlässt keine Spuren. Für die Entsorgung des Karbidschlamms hatte ich mir etwas ausgedacht, um es auch wieder mit aus der Höhle nehmen zu können. In einem Reifenhandel hatte ich für unsere Gruppe Schläuche von Lkw-Reifen besorgt. In diesen Schläuchen ließ sich der Karbidvorrat, der Brennstoff für unser Geleucht, trocken und sicher aufbewahren. In die leeren Schläuche wurde der verbrauchte, feuchte Karbidschlamm gefüllt, wenn das Licht der Lampen zu verlöschen drohte und eine neue Füllung erforderlich machte. Die Schläuche blähten sich ziemlich prall auf, weil sich aus dem feuchten Schlamm noch etwas Gas entwickelte. Auch für die zu erwartenden Stoffwechselprodukte unserer Gruppe hatten wir uns etwas ausgedacht. Abwechselnd trug einer der Expeditionsteilnehmer unsere improvisierte Toilette. Das war eine wasserdicht verschließbare Kunststofftonne von zehn Litern Fassungsvermögen, mit einem schwarzen Müllsack darinnen.
Mit dem umfangreichen Gepäck machten wir uns am Morgen des nächsten Tages auf den Weg. Am Lac de Meduse angekommen, wurde der beste Kletterer der Gruppe bestimmt, über den See zu fahren und an dessen Ende eine Seilsicherung hoch in die fossile Galerie einzubauen. Diese Aufgabe fiel mir zu, da ich als Bergsteiger und Felskletterer die notwendige Erfahrung mitbrachte.
Zum Rudern nutzte ich unsere Frühstücksbrettchen, die am Schlauchboot angebunden wurden, damit sie nicht verloren gingen. Am Ende des Sees gab es eine ungefähr fünf Meter hohe Meduse, die zu überklettern war. Dieser Kalkdom konnte aber über einen kleinen Absatz umgangen werden, hier baute ich eine Seilsicherung für die Nachfolgenden ein, denn das Erklettern des Absatzes mit dem schweren Gepäck war schon eine Herausforderung. Die Überquerung des Sees dauerte, je zwei Leute und Gepäck hatten pro Fahrt Platz in dem kleinen Boot, das dann schon einen überladenen Eindruck machte. Per Seil wurde es hin- und hergezogen, bis alle den Absatz überklettert hatten und in der Höhle waren. Inzwischen hatten die Kinder einer Schulklasse den Höhleneingang erreicht und begannen unter Anleitung ihrer Lehrerin einen Kanon anzustimmen. Die Akustik des Höhlenraums über dem See war so, als ob man die Engel singen hören würde. So verabschiedet, begann unser dreitägiges Untertage-Abenteuer.
Den Fluss Gournier und das aktive System unter uns, betraten wir eine Wunderwelt aus StalaktitenEin Tropfstein, der von der Firste (Höhlendecke) abwärts wächst. Beginnt als Röhrchen und kann mächtige Ausmaße erreichen, StalagmitenEin Stalagmit ist der vom Boden einer Höhle emporwachsende Tropfstein. Von Stalagnat spricht man, wenn beide Typen zusammengewachsen sind., durchscheinenden Fahnen, Sinterbecken und anderen Erscheinungen, die aus Kalziumkarbonat von der Natur gebaut
worden waren. Wir betraten den wunderbaren Salle Rouge, der Sinter war durch Eisenablagerungen rötlich gefärbt. An einigen Stellen hörten wir den tosenden Fluss unter uns und kamen in den Salle de la Fontaine. Auch hier war der Sinter durch Eisen rötlich gefärbt und die Halle war riesig. Ich hatte eine Nikonos dabei, eine wasserdichte Taucherkamera, extra zum Fotografieren in Höhlen angeschafft. Den Winter hatte ich mit Vorbereitungen verbracht, kleine TochterblitzeAls Tochterblitz bezeichnet man in der Fotografie den Einsatz von Blitzgeräten, die räumlich von der Kamera getrennt sind. Unsere Tochterblitze wurden drahtlos durch das Licht des Hauptblitzes der Kamera ausgelöst. gebaut und in Kunstharz wasserdicht eingegossen. Meine Kameraden wurden jetzt hier in dieser Halle zu meinen Fotosklaven, jeder bekam so einen Tochterblitz und wurde zur Ausleuchtung der riesigen Halle an einem anderen Punkt platziert. Das Blitzgerät der Kamera löste alle diese Tochterblitze aus, aber da es damals noch keine Digitalkameras gab, konnte das Ergebnis erst nach unserer Rückkehr und Filmentwicklung betrachtet werden. Irgendwie war das spannender als heute.
Der weitere Weg führte uns durch eine flache, trockene Halle, ideal für das geplante Biwak. Als nach dem Abendessen alle in ihren Schlafsäcken lagen, wurde das Licht gelöscht, um Brennstoff zu sparen. Dunkelheit und Stille, die uns umgaben, waren ungewohnt. Im Freien habe ich solche Dunkelheit nie erlebt, irgendwo war immer eine Lichtquelle, und wenn es ein Stern am Himmel war, hier war es wirklich dunkel und man hörte leise das Wasser tropfen. Selten habe ich so gut geschlafen. Am anderen Morgen, oder war es mitten in der Nacht, ich weiß es nicht, denn das Gefühl für Tag und Nacht, für die Zeit, ging sofort verloren, machten wir Licht, kochten Tee und begaben uns auf den beschwerlichen Weiterweg.
Nach Stunden mühseliger Kletterei erreichten wir das Ende der fossilen Galerie. Hier ging es nur über einen Wasserfall aus völlig glattem Gestein weiter, eine weitere versinterte Meduse, vom Wasser geschaffen. Mir schien eine Kletterstrecke seitlich der Meduse, leicht überhängend, zur Umgehung des glatten Steins, machbar zu sein und ich versuchte das Hindernis zu überwinden. Dörthe sicherte mich am Seil und ich kam recht gut voran, als plötzlich der Block, an dem ich hing, unter der Belastung nachgab und abbrach. Der Gesteinsbrocken brach und knallte mir auf den Oberschenkel, ich hing im Seil. Zurück am Boden hatte ich das Gefühl, schwer verletzt zu sein und ich hatte große Schmerzen. Eingehüllt in eine Rettungsdecke, die Lampe zum Wärmen zwischen den Füßen, erholte ich mich von dem Schrecken, die Schmerzen ließen nach und alle waren froh, dass ich mich nicht ernsthaft verletzt hatte. Das war für uns immer die schlimmste Vorstellung, einen Verunglückten aus einer Höhle zu bergen, per Trage durch die Enge und alle Kletterstellen.
Das Vorhaben, über die Meduse durch die Engstelle zum Aragonitgang vorzudringen, wurde nach diesem Vorfall aufgegeben, niemand hatte noch Lust zu versuchen, diese Kletterstelle zu überwinden. Immerhin waren wir 15 Kilometer in den Berg vorgedrungen. Das weitere System wurde als gefährlich brüchig beschrieben, hier wären wir wieder im aktiven Teil der Höhle gewesen. So beschlossen wir, den Rückweg anzutreten. Als wir wieder am Eingangssee ankamen, merkten wir, dass auch die Gerüche zurückkamen, es roch nach frischem Gras und dem Wasser. Unser Boot lag immer noch an gleicher Stelle festgebunden.
Eine Sache muss ich noch erwähnen, irgendwie hatte sich mein Stoffwechsel verlangsamt und sich unserer improvisierten Toilette mit dem Müllsackinlay verweigert. Als wir mit dem ganzen Gepäck an der Empfangshalle zur Schauhöhle ankamen und der Toiletten dort ansichtig wurden, gab es eine heftige körperliche Meldung, der ich nachgeben musste. Als ich in meinem lehmverschmierten Schlatz aus der Kabine kam, schauten mich zwei Mädchen entsetzt und vorwurfsvoll an, ich war in der Eile in der Damentoilette gelandet. Ich hatte wohl durch inneren Druck Stielaugen bekommen, mit denen die Umgebung nicht mehr richtig wahrgenommen wurde.
Wenn wir auch nicht Helmuts sehnlichstem Wunsch, in den Aragonitgang zu kommen, erfüllen konnten, haben wir doch noch die Grotte Merveilleuse Supérieure, die Wundervolle
, gefunden. In unserem Führer durch die Höhlen des Vercors haben wir dazu geschrieben: Man erreicht die Grotte Supérieure über eine delikate Kletterei von 20 Metern
. Mein Oberschenkel hatte alle Farben des Regenbogens durchlaufen und war jetzt bei grün angekommen, mir war nicht nach delikater Kletterei zumute.
Auch in den folgenden Jahren sind wir mit verschiedenen Leuten in den Höhlen des Vercors gewesen, immer wieder hat uns diese wundervolle Landschaft, über und unter Tage, in ihren Bann gezogen.