Weihrauchland Oman
Hormuz, auch Ormuz, die Insel im Persischen Golf an der Straße von Hormuz
, die den Indischen Ozean mit dem Persischen Golf verbindet. An der Küste des Iran liegt die antike Stadt Harmuza/Hermupolis, die Marco Polo 1272 sah, schon damals ein strategischer Punkt des Fernhandels am Nadelöhr des Golfausgangs. 1515 von den Portugiesen erobert, die den persischen Außenhandel kontrollierten, angeblich von ihnen mittels einer eisernen Kette gesperrt. Der Persische oder Persisch-Arabische Golf ist ein flacher Meeresarm zwischen dem Schatt-al-Arab im Norden und der Straße von Hormuz. Hier verkehrten die Boote schon vor 7000 Jahren zwischen Sumer und der Indus-Kultur. Hier fuhren die Schiffe Alexanders des Großen nach seiner Rückkehr aus Indien. Die strategische Bedeutung des Golfs wuchs mit dem Bau des Suezkanals, 1869, der Bagdad-Bahn (1899-1914) und den Erdölfunden bei Abadan um 1910. Zum weltpolitischen Pulverfass wurde der Golf nach dem 2.Weltkrieg und dem Sturz des Shahs 1979. Und um das Geopolitische Geheimnis zu erforschen, landen wir auf dem internationalen Flughafen Seeb.
Die Hauptstadt Muscat war mal alt und eng. Viel zu wuchtig erscheinen die alten Festungen der Portugiesen über dem kleinen Wasserrund des Hafens. In tulpenförmiger Pracht steht der neue Sultanspalast – Hinter Seeb schlängelt sich die Straße ins Gebirge. Wie Theaterkulissen schieben sich spitze braune Berge ineinander. Immer höher. Keine massiv glatten Felsen – gigantische Halden lockeren rutschenden Schutts. Dazwischen braungrüne Grasbüschel und Schirmakazien. Schwarze Ziegen knabbern. Sonst aber: leer, tot, endlos, erschlagend mit heißer Wucht. Berge und Trockensteppen kennzeichnen dies Land, das mit 300 000 qkm größer ist als die Bundesrepublik, doch so dünn besiedelt, dass man außerhalb von Ortschaften kaum einem Menschen begegnet. Nur am Fuß der Berge sammelt sich genug Grundwasser für Palmenhaine und landwirtschaftliche Anbauflächen. Das Meer am Omangebirge steigt und fällt mit den Gezeiten um etwa 3 m. Gezeiten bewirken eine kräftige Strömung auch in der Hormuzstraße und erhöhen dort die Gefahr für die Schifffahrt durch abtreibende Seeminen.
An jeder Biegung ragt ein braunes Lehmtürmchen, mahnend an Omans große Zeiten und an frühe portugiesische Herren, die vor 500 Jahren Muscat eroberten. Mittags in Nizwa, der uralten Sultansstadt. Beherrscht von der kreisrunden riesigen Zitadelle. Oman wie im Märchen, als der Sultanstaat noch eigene Kolonien hatte in Ostafrika bis Sansibar, deshalb die vielen vornehmen Schwarzen im Regierungsviertel. Mit zerknittertem Gesicht, die lange Rifle im Arm, wacht der Uralte am holzgeschnitzten Tor. Wir sehen stille Bilder vom Spiel des Lichts und der schwarzen Schatten unter den weichen Bögen der Hallen und Treppenhäuser. Alles bestimmt von der Symbiose Holz-Lehm. Geschichte hat hohen Wert, das Vergangene wird sauber in Ordnung gehalten. Draußen vor dem Ort rinnt klar ein sagenalter Qanat, Süßwasser aus den Bergen – wie in Persien. Unter dem Wasserspiegel Schulen sardinienartiger Fische. Etwas Grün. Junge Menschen plaudern am Ufer. In Nizwa tauchen wir in den schattigen Suq, den Markt. Hier sind wir im Reich der Königin von Saba, die nicht weit im Jemen zuhause war, die dunklen Stände mit duftendem Ambra, der geheimnisvollen Myrrhe, Weihrauch in Blöcken, schwersilberne Krummdolche, Kupferkessel – eine Welt außerhalb europäischer Antiquitäten-Jetsets. In der Antike war Oman das Weihrauchland. Staunend gehen wir durch die hautengen Gassen der Altstadt mit den braunen Lehmhäusern, den ausgetretenen Treppen. Alle Türen tragen Schnitzereien. Zurück durchs kurvenreiche Gebirge. Blutrot wie im Hollywoodfilm sinkt die Sonne.
Antreten beim Deutschen Botschafter, der lachend schnurrige Geschichten erzählt von Land und Leuten. Auch die hübsche Story, wie der Sultan inkognito wie seinerzeit Harun al Raschid durch die Lande fährt. Ein prachtvolles Haus ließ er abreißen, weil die Architektur ihm zu amerikanisch war, entschädigte den Besitzer in Gold, und der konnte sich ein viel schöneres omanisches Haus bauen. Auch unpassende Häuserfarben lässt der Herrscher gern ändern, wenn er sie bei seinen Hubschrauberausflügen entdeckt.
Herr Aschworth, der Europäer vom Informationsministerium, erklärt uns kurz und knapp: Musandam wollen Sie? Das ist militärisches Sperrgebiet. Die Straße von Hormuz bleibt ein Geheimnis. Erwartungsvoll melden wir uns bei Seiner Exzellenz, dem Minister für Information, Abdul Aziz bin Mohammed al Rowas. Urbild des Prinzen aus dem Morgenland, viel zu schön , um echt zu sein. Finster äugen seine Leibwächter vor der Tür zum Allerheiligsten. Mozart perlt aus den Lautsprechern. Exzellenz reichen die Kiste mit den dollarschweren Importen. Wir seien willkommen. Fast alles dürften wir, nur nicht Musandam. Huldvoll werden wir entlassen, und machen uns fein für den Empfang beim Deutschen Botschafter. Die Residenz steht allein mitten in der Wüste, mit Mauer. Im großen Garten schweben bunte Lampions. Der weißhaarige frühere Botschafter, nun in Qatar residierend, erzählt lustige Anekdoten aus seiner Omanzeit. Er genießt den Ruf, am guten Verhältnis der beiden Länder mitgewirkt zu haben.
Wir besteigen die Maschine nach Salalah, weit im Süden Omans. Unter uns das schier endlose wüstenbedeckte Inland. Winzig ein paar Pfade und Dörfer . Ist hier einst die Karawane der Königin von Saba gewandert auf dem langen Weg zum Palast des Königs Salomon? Auf geheimnisvolle Weise wirkt das Land aus der Höhe wie eine dreidimensionale Karte, so gestochen scharf kommen die Konturen im harten Licht des Morgens. In Salalah brennt die Sonne noch heißer als im Norden, die Vegetation tropisch mit bunten Blüten und hohen Palmen. Hinter den Palmen steigt die Sonne aus dem Dunst. Krabben graben spitze Hügel im Sand und gehen auf Fischfang. Vor der Moschee stehen hundert bunte Schuhe und Sandalen und von innen dringt die Stimme der Beter zu uns. Wir fahren zu den bunten Stoffzelten des alten Marktes, wo die Händler unter ihren breiten Schirmen sitzen, die dunklen Beduinenfrauen mit dem kühl abschätzenden Blick und dem goldenen Ring in der Nase. Körbe voller unbekannter Früchte und Gewürze und kleinen silbernen Fischen. Zeitlose Marktatmosphäre, voller süßer Düfte. Weiter zu einer großen Farm, 5000 schwarzbunte und einheimische Rinder, gut gehalten. Ihr Fleisch wird subventioniert. Drumherum grüne Wiesen für frisches Futter. Solche Farmen sind neu im Lande und eine importierte Idee des Sultans, der den Fleischmangel des Landes beheben will, zu moderaten Preisen. Auf dem kleinen Flughafen von Salalah drehen wir die Staatsfahne im Wind und denken, wie schade, ein Abstecher ins Rätselland Jemen wäre schön – die Zeit aber lässt keine Ausflüge zu.
In Richtung Seeb liegen die kolossalen Neubauten der Ministerien, manche wirken wie urtümliche Festungen. Das Parlamentsgebäude noch leer. Die deutsche Strabag baut mit Hilfe pakistanischer Gastarbeiter neue Straßen. Wir probieren sie aus und staunen über die grobe Pflasterung, wenn die Straße sich zu einem Wadi neigt. Im letzten Licht taucht das Fischerdorf Qurayar auf, märchenhaft der Wehrturm mitten im Wasser der Küste. Ziegen laben sich an giftgrünen Netzen. Das Meer unmöglich blau. Der Kameramann will den Sonnenuntergang über dem Gebirge drehen, doch der geschieht so schnell, dass er das Stativ nicht rechtzeitig gebaut bekommt. Im Hotelgarten haben die Österreicher zu Gast gebeten, und es gibt europäische Menus zum Smalltalk. In nächtlicher Hotelbar ein paar scharfnasige laute Araber aus dem Nachbarland, wo es keinen Alkohol gibt. Vor sich eine Reihe von Whiskeys, die im Minutentakt geleert werden, unter den Goldstrahlen der voluminösen Rolexe, mindestens zwei am Arm. Man erkennt: Omanis sind eben kein arabisches Volk, sondern eine eigene Mixtur, mit anderen Wurzeln.
Die Kolonne rauscht durch das malerische östliche Hajargebirge, vorbei (leider) an den Ruinen von As Sarm, Ibra und Al Mudairib. Stunden später rechts der urdeutschen Autobahn die gelbe Wüste Sharqiya mit Zwergbüschen, ein paar Ziegen, hochmütig aussehenden Kamelen. Vor ihnen hat unser Fahrer einen gehörigen Respekt, denn schon manch ein Kamel ist mit einem Auto kollidiert, zum Schaden des guten Lacks. An der äußersten Ostkante Omans stehen Holzzelte der Nomaden. Bei Al Kamil biegt die Straße nach Norden und führt am Wadi Falayi entlang an die Küste. Hier geht der Golf von Oman über in den Indischen Ozean. Das Gebirge ist weit zurückgetreten, und an einem schmalen Meeresarm liegt Stadt und Festung Sur. Vor nicht allzu langer Zeit spielte der Ort eine politische Rolle in den inner-omanischen Machtquerelen. Heute ist Sur das Refugium einer aussterbenden Kunst. Nur hier werden noch die schön geschwungenen und bemalten Dhaus gebaut, die Holzsegler, mit denen die Omanis einst die Meere beherrschten als das größte Seefahrervolk ihrer Zeit. Manche glauben gar, die Omanis seien Abkömmlinge der Phönizier. Hier beobachten wir die uralte Kunst der Schiffszimmerei in allen ihren Stadien, das Kiellegen, die Spanten aus Krummholz, das Beplanken, alles mit der Hand und archaischen Werkzeugen. Löcher bohrt der Handwerker mit der alten Holzspindel. Im Schuppen entstehen Miniaturmodelle der Schiffe als Anschauung für den Käufer. Die Werft ist ausgelastet, eine mittelgroße Dhau kostet etwa 150 000 Mark und hält ein Leben. Werft und Hafen bieten den Anblick eines alten Gemäldes im Stil der Holländer.
Fahrer Mussa brettert mit uns auf der zweispurigen Autobahn. Rechts und links kleine Gehöfte, wo man Gemüse anbaut. Das Meer nicht zu sehen. An vielen Stellen neu errichtete oder im Bau befindliche Moscheen, Zeichen frischer Islamisierung. Hinter Sohar biegt die Straße ab nach Buraimi. Bald erhebt sich inmitten roter Bergkegel ein qualmender Schornstein. Das Bild öffnet sich zu einem großen Industriekomplex, moderne Technik auf geschichtsgetränktem Boden, denn hier haben Omanivorfahren um drei- und viertausend vor Chr. nach Kupfer gegraben. Ihr Land hieß damals MAGAN = Kupferland. Noch stehen die alten Gruben und erinnern an die gleichaltrigen Flöze von Timna in Israel. Die Polizei geleitet uns durchs Gelände, aus dunklen Schächten keuchen Laster, beladen mit dem Erz. Wir verschwinden unter dicken Staubschichten. Zum Essen lädt man uns in die Kupfersiedlung, wo 900 Bergleute wohnen, bequem, doch einsam. Wir bibbern unter der hart eingestellten Klimaanlage und parlieren in Englisch und Arabisch. Der Sultan, hören wir, denke an die Zeit nach dem Öl, wolle eine eigene Industrie aufbauen mit eigenen Leuten. So erweckt er das Kupfer aus seinem Dornröschenschlaf – doch wird er es verkaufen können? Die Kupferpreise sind im Keller.
Nach wenigen Kilometern betreten wir noch einmal die Welt uralter Märchen. Tausend Mann bewachen einst Festung und Hafenstadt SOHAR – hier lebte Sindbad der Seefahrer. Doch der schießprügelbewehrte Wächter sieht aus wie der leibhaftige Abraham und lässt uns nicht ein. Wo einst die Lastschiffe nach Indien und Afrika ablegten, heute ein verstaubtes Nest. Wir streifen durch den Ort und drehen Malerisches, auch die scheußlich bunten Möbel, welche die Inder hier zusammenbasteln. Auf dem betonharten Flachstrand liefern muntere Jungomanis sich scharfe Rennen auf Motorrädern. Viel Abwechslung bietet ihr Sultan ihnen nicht.
In hoher Eile zum Ministerium. Ins Allerheiligste. Licht messen. Reicht nicht. Mögen Exzellenz vielleicht im helleren Garten? Mitnichten. Mögen Exzellenz vielleicht mit dem Gesicht zum Fenster? Harsche Antwort: Sie drehen mich von vorn oder gar nicht. Peinlichkeit im Raum. Das Omani-TV-Team kommt ohne Licht. Aber hat Oman nicht Fernsehen? Boten werden gehetzt. Exzellenz strahlen. Haben neue Karte zeichnen lassen von der geheimnisvollen Hormuz-Straße. Lassen sich die zuvor eingereichten Fragen noch mal erklären. Antworten in die Kamera wie ein Profi. Abhören vom Band. Zufrieden. Dürfen wir Exzellenz fotografieren? With Pleasure. Auch die Karte? Sure. Mit dem Sultan im Bild? Klar. Milde reicht er die schlanke Hand zum Abschied. Der Dolch schimmerte im Gewande. Aber Mozart klingt vom Band.