Meine Soldatenzeit 1942 bis 1945
Kapitel 3, Teil 5
Ausbildung am Infanteriegeschütz
Meine Dänisch-Kenntnisse waren mehr als bescheiden. Mit Zivilisten hatten wir kaum Umgang. Höchstens auf Kontrollen, die wir nachts an Bahnübergängen machen mussten. Die dänische Widerstandsbewegung, ja, so etwas gab es, beschädigte manchmal die Schienen durch Sprengungen. Die Dänen, auf die wir bei unseren Kontrollen stießen, waren harmlose Berufstätige, die auch nachts unterwegs sein mussten. Mein einziger Satz in Dänisch lautete: Smukke pige jeg elske dig. Har de smörmärker tor mig?
. Übersetzt heißt das: Schönes Mädchen, ich liebe dich, hast du Buttermarken für mich?
Diesen Satz kannte wohl jeder Landser im Königreich Dänemark. Angewendet wurde er wohl kaum, weil zu brutal
.
Nun war ich dran mit dem Tagesdienst. Abends ging ich zu Leutnant Pohlmann, um zu besprechen, wie der Ablauf des nächsten Tages gestaltet werden soll. Wir sollten am schweren Infanteriegeschütz ausgebildet werden, das ist schon eine richtig massige Kanone! Es sollte also eine Lafette angespannt und dann das Geschütz von Pferden auf die Exerzierwiese gezogen werden. Hier sollten dann die erforderliche Einweisungen vorgenommen und die Abläufe geübt werden. Soweit so gut. Ich besorgte mir also am nächsten Morgen rechtzeitig die Schlüssel für die Halle, wo die Geschütze standen, organisierte den Transport und ab ging es!
Wir waren gerade dabei, mit dem Geschütz zu hantieren, als unangemeldet hoher Besuch kam: Der General! Auf jeden Fall schaute er sich die Sache kurz an, um dann loszudonnern: Wieso nur ein Geschütz bei so vielen Leuten. Das reicht nicht, um alle zu beschäftigen. Ein zweites Geschütz muss her, damit die Leute auch lernen können.
Es hatte nur noch der Nachsatz gefehlt: …damit wir den Krieg gewinnen können!
Er fragte auch noch, wer das befohlen hätte, aber ich hütete mich, den Leutnant zu verpfeifen. Ich war klein wie ein Zwerg!
Die ganze Zeit über hatte ich den Schlüssel für die Geschützhalle verkrampft in der Hand gehalten. Als wir nun losgingen, ein zweites Geschütz heranzuholen, war der Schlüssel mit einem Mal nicht mehr da! Ich ließ mir zunächst das Unglück nicht anmerken und erzählte erst unterwegs dem mich begleitenden Fuhrwerksführer davon. Er meinte zu meiner großen Entlastung, das sei nicht so schlimm, an Ersatzschlüssel käme man leicht. Wir holten also das zweite Geschütz, stellten es auf und gaben es zur Übung frei.
Nur schade, dass wir keine scharfe Granate da hatten. Mordlust stieg in mir auf! Ausgerechnet wenn ich dran bin, kommt so ein Kerl daher!
Wir schrieben jetzt schon Mai
und das Ende näherte sich unübersehbar! Nur der General hatte das anscheinend noch nicht bemerkt. Da wurden Freiwillige
gesucht für den Entsatz von Berlin. Ob es bei uns Lebensmüde
gab, habe ich nicht wahrnehmen können. Vielleicht hat sich der Eine oder Andere aus dem Ostbereich unseres Vaterlandes gemeldet, um näher an der Heimat zu sein. Animositäten waren in der Stadt durchaus zu spüren, auch wenn die Abneigung nicht offen gezeigt wurde.
Auf einem Ausgang machten wir etwas abseits eine Eis
-Fahne an einem Haus aus und wollten uns gern ein Tüten-Eis genehmigen. Das Haus lag von der Straße zurück in einer Art Park. Wir betraten den Laden und taten kund, Eis kaufen zu wollen. Die etwas älteren Eheleute, denen offensichtlich die Bedienung oblag, taten zunächst so, als könnten sie uns nicht verstehen und wüssten nicht, was wir wollten. Wir versuchten, uns deutlicher zu machen. Nichts half. Die beiden waren stur wie Oskar und verhielten sich ängstlich. Da ließ ich mich zu einer Rieseneselei hinreißen: Ich legte meine Pistole, die ich mir privat besorgt hatte und stets bei mir trug, auf den Tisch. Die Eheleute erbleichten und sprachen erregt miteinander. Natürlich hätte ich nicht geschossen ‒ wegen zwei oder drei Eisportionen? Aber die Sturheit der beiden brachte mich auf die Palme. Zum Glück hatte einer meiner Kameraden die Besonnenheit zu sagen, lasst uns gehen; es hat keinen Zweck! Ich packte meine Kanone ein und wir gingen; merkten wir doch, dass sie unter erheblichem Druck standen. Die jungen Leute der so genannten Widerstandsbewegung witterten Morgenluft und wollten sich dicke tun. Sie bedrängten ihre Landsleute. Also, gab es kein Eis.