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Der Altonaer Hof
Ein besonderes Gasthaus am Ochsenzoll auf Garstedter Gebiet
Teil 1, Vor dem Krieg

Das Gebäude des Altonaer Hofes, ein älteres mit Reet gedecktes Haus, lag quasi am Eingang des Ortes Garstedt an der Ohechaussee Nr. 2. Es war da, wo sich Segeberger Chaussee (Harksheide), Ulzburger Straße (Garstedt/Harksheide) und die Ohechaussee treffen. Es schaute mit seiner Frontseite direkt in den Schmuggelstieg, der über die Tarpenbeck zur Langenhorner Chaussee und somit zum Hochbahnhof Ochsenzoll nach Hamburg führt.

Möglicherweise war das Gebäude früher einmal ein bäuerliches Anwesen. Der Verfasser kennt es aber nur als gehobene Gaststätte. Der Eingang in das Haus erfolgte von der Ohechaussee aus über eine zwei oder dreistufige Treppe. Die Mauersteine der Hausfront waren mit rotbrauner Farbe gestrichen. Links und rechts von dem doppeltürigen Eingang befanden sich an der Wand schwarze Glasschilder mit goldfarbener Beschriftung, die den Namen des Hauses und seine Leistungen reflektierten. Die Fensterrahmen waren weiß gestrichen und das Ganze machte einen vornehmen Eindruck. Das Gebäude erstreckte sich parallel zur Ulzburger Straße und dürfte eine Länge von 15 bis 20 Metern gehabt haben. Stand man vor dem Gebäude-Eingang, so war links der Garten, der sich etwa 25 Meter hinzog. Zur Ohechaussee bestand die Abgrenzung aus einem weiß gestrichenen niedrigen Zaun. Etwa in der Mitte befand sich die Tanzfläche, die leicht erhoben war und aus Stein oder Kunststein bestand. Die Gartenwege waren mit schwarz-weißem Zierkies ausgelegt. Über die Fläche verteilt waren Tische und Stühle in weiß. Alles machte einen recht einladenden und vornehmen Eindruck. Ging man vom Garten in das Haus, durchschritt man zunächst eine Veranda mit vielen Glasflächen, die seitlich an einen Teil des Gebäudes montiert waren. Im Anschluss daran dürfte sich der Platz für die Musikkapelle befunden haben.

Kam man über den Haupteingang in das Haus, so durchschritt man zunächst zwei Glastüren, kam in einen kleinen Vorraum, von dem nach links eine Art Schankstube abging, während sich zur Rechten der sogenannte D-Zug erstreckte. Die Schankstube hatte ihre Fenster zur Ohechaussee hin und ließ die Veranda erkennen. Vor den Fenstern waren zwei oder drei Tische mit je vier Stühlen in üblicher Gaststätten-Manier aufgestellt und am Ende stand ein größerer runder Tisch mit Bestuhlung. Die Fenster des D-Zuges lagen überwiegend zur Ulzburger Straße hin und gaben einem schmalen Gang, deshalb D-Zug Licht. Die Bestuhlung war gering, denn auch die Treppe, die in den Keller zu den Toiletten führte, hatte hier ihren Platz. Der Gang mündete an einem Saaleingang. Von dem Vorraum aus führte ein Durchgang in den Saal, der vielleicht sechs mal acht Meter groß war.

Gleich links befand sich ein erhobener Platz für das Orchester, dann folgte der Durchgang zur Veranda und in den Garten. Es schloss sich eine weitere Empore an, die zur Tanzfläche in der Mitte mit Holzstäben gitterartig eingefasst und mit etwa vier Tischen und Stühlen bestellt war. Um die Tanzfläche herum standen die übrigen Tische und Stühle.

Die Küche wird vermutlich hinter dem Schankraum gewesen sein und hatte ihre Rückwand da, wo der eigentliche Saal begann: bei der Empore der Kapelle. Der Zugang erfolgte über den Schankraum, in dem sich auch die Theke für die Schank-Instrumente befand. Das Interieur war dunkel gehalten, die Tapeten im Saal dunkelrot und im D-Zug dunkelgrün. Sie wirkten so edel wie Seidentapeten.

Der Betreiber des Altonaer Hofs war zu meiner Jugendzeit, also vor dem Kriege, Herr Otto Habermann.. Er war eine große stattliche und elegante Erscheinung und stets gut angezogen, was seinen dunklen Typus noch unterstrich. Sein Gesicht war leicht gebräunt und wenn ich mich recht erinnere, trug er einen Oberlippenbart. Seine etwas hohe Stimme passte eigentlich nicht ganz zu seiner kräftigen Statur. Seinen Betrieb hatte er offenbar im Griff. Sonntags war der Laden voll! Da standen die tollsten Autotypen auf dem Parkplatz. Geparkt wurde entlang des Gartens direkt an der Chaussee und gegenüber auf der Freifläche neben der Shell-Tankstelle und vor der Strohdachkate, dem Anwesen von Franz Schwen, der dort seinen Fahrradhandel und Reparaturbetrieb hatte. Das Häuschen lag sehr zurück und so bildete sich eine Wegeführung von der Ohechaussee zum Schmuggelstieg, die eine Abkürzung ergab, die von der Bevölkerung wie selbstverständlich gerne benutzt wurde. Dieses freie Dreieck war sonntags total mit Kraftfahrzeugen der gehobenen Art voll gestellt und wir Jungens kannten kaum ein größeres Vergnügen, als zwischen ihnen herumzulaufen und unsere klugen Beurteilungen abzugeben, obwohl wir keine Ahnung hatten. Wer hatte denn damals schon ein Auto? Das war doch nur eine privilegierte Schicht. An den Autokennzeichen ließ sich erkennen, dass die meisten der Wagen aus Hamburg kamen. Es war eben schick, am Sonntag einmal kurz ins benachbarte Garstedt zum Tanztee zu fahren.

Man konnte zwar von der Straße aus die Musik hören und auch die Tanzpaare auf der Außenfläche durch das Strauchwerk entlang des Gitters schemenhaft erkennen und auch Damenjauchzen oder tiefe Herrenstimmen vernehmen, aber wen interessierte das schon. Das war eine ganz andere Welt.

Ich glaube, dass kaum einer der Gäste wusste, dass der Altonaer Hof auf Garstedter Gebiet lag. Sie nahmen bestimmt an, sie befänden sich noch in Hamburg, denn die Grenze verlief nur wenige hundert Meter entfernt. Gäste aus Garstedt, Harksheide oder Glashütte waren nicht gern gesehen. Es soll sogar vorgekommen sein, man erzählt sich ja so allerhand, dass unerwünschten Besuchern dieser Umstand dadurch klar gemacht wurde, dass ihnen ein Zettel mit entsprechender Andeutung auf den Tisch gelegt worden ist. Vorstellbar ist das durchaus.


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