Ein unvergesslicher Urlaub in Kenia
Wenn ich über meine eindrucksvollsten Urlaubserlebnisse schreiben will, wo fange ich da an? In den USA, wo wir im Yosemite Park staunend vor den gigantischen, bis zu zweitausend Jahre alten Mammutbäumen standen, oder in der Ebene vom Monument Valley, wo wir im Auto saßen, weit und breit nichts, und unzählige Gewitter gleichzeitig am Himmel sahen? Oder in Kanada, wo wir nach faszinierender Fahrt durch das Land endlich am Pazifischen Ozean ankamen und am steinigen Strand auf einem der vielen gestrandeten, ausgeblichenen Baumstämme saßen und direkt aus der Hand frisch geräucherten Lachs aßen?
Nein, ich berichte von Afrika. Mein Mann und ich hatten bisher unsere Urlaube immer individuell gestaltet und auf Pauschalreisen verzichtet. Das Mir nach
bei den Reisegruppen, die wir unterwegs antrafen, war uns ein Graus. Doch wir wollten unbedingt einmal eine Safari machen, und da war eine Pauschalreise einfacher. So buchten wir 1995 eine dreiwöchige Reise nach Kenia, davon eine Woche Safari.
Unser Strandhotel in der Nähe von Mombasa ließ keine Wünsche offen. Wir wohnten inmitten eines tropischen Parks in einem der vielen Häuschen, die afrikanischen Rundhütten nachempfunden waren, innen aber jeden Komfort hatten. Im Haupthaus gab es verschiedene Restaurants und Bars, deren umfangreiches Angebot im Preis inbegriffen war. Wir hatten hier überall direkten Blick zum Meer. Der Strand war durch einen Wall vom Hotel abgetrennt, auf dem Wachpersonal patrouillierte.
Der Indische Ozean, der mich schon auf anderen Reisen beeindruckt hat und auf den ich mich freute, war hier leider eine Enttäuschung. Nicht wegen des Meeres, das mit seinen großen, rollenden Wellen so schön war, wie ich es kannte, sondern wegen des Strandes, den wir leider nicht genießen konnten. Hier waren unzählige Händler, die ihre Waren sehr aufdringlich verkaufen wollten und die wie Kletten an uns hingen. Ich dachte, wenn ich etwas kaufe, haben wir Ruhe, aber das Gegenteil war der Fall. Die Strandverkäufer boten hauptsächlich Souvenirartikel an, aber auch sich selbst. Mein Mann und ich wurden, obwohl wir zusammen unterwegs waren, mehrfach sehr zudringlich vom jeweils anderen Geschlecht angesprochen, ob wir Massagen
möchten. Paarungen wie: älterer weißer Mann und junge schwarze Frau oder ältere weiße Frau und junger schwarzer Mann, waren hier keine Seltenheit. Beim Besuch in unserem Nachbarhotel hatten wir den Eindruck, in einem Bordell gelandet zu sein. Unser Hotel war ausschließlich mit deutschen Gästen belegt und ich konnte hier in dieser Richtung keine Beobachtung machen.
Nach einer Woche, wir waren aufgrund der beschriebenen Gegebenheiten ausschließlich in der Hotelanlage geblieben, ging es endlich los zur Safari. Fünf Paare unseres Hotels wurden von dem Safari-Bus abgeholt und ungefähr fünf Stunden bis zum Eingang in die Nationalparks gefahren. Hier war die Rezeption für alle Lodges, die wir besuchen sollten. Das dauerte einige Zeit und ich konnte mich im großzügigen Foyer etwas umsehen. Durch die Präsentation der einzelnen Lodges und Hotels musste ich leider feststellen, dass alle Lodges unter der Leitung von Hilton
waren. Unser Geld kam also nicht der einheimischen Bevölkerung zugute, sondern der amerikanischen Hotelkette.
Die Safari war einzigartig und noch viel beeindruckender, als ich es mir vorgestellt hatte. Wir fuhren durch den Tsavo Ost und West sowie durch den Amboseli Nationalpark. Hier bekamen wir die Big Five
(Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard) mehrfach zu sehen. Auch Zebras, Flusspferde, Giraffen und viele andere Tiere, die ich nicht alle aufzählen will, konnten wir beobachten. Elefantenherden waren unsere ständigen Begleiter. Sie gehen seit ewigen Zeiten immer die gleichen Wege. Einmal kreuzte direkt vor uns eine Herde die Schotterstraße. Unser Fahrer wartete, bis alle die Straße überquert hatten und wollte dann wieder anfahren. Doch da kam noch ein Nachzügler. Der Riese machte ein paar Schritte auf uns zu und baute sich direkt vor uns auf, stellte seine großen Ohren weit ab und trompetete uns laut an. Danach lief er schnell seiner Herde hinterher. Unser Fahrer und Guide lachte über diese eindrucksvolle Zurechtweisung und nahm uns dadurch auch die Angst, denn dass ein so großer afrikanischer Elefant so nah und sichtlich verärgert vor uns stand, hatte schon etwas Bedrohliches. Der Guide beruhigte uns und sagte, dass die Tiere im Nationalpark an Menschen gewöhnt seien und keine Angst vor uns hätten. Nur wenn die afrikanischen Die afrikanischen Büffel sind wesentlich größer als die europäischen Büffel (Mozzarella-Büffel)Büffel in die Nähe kamen, war er etwas angespannt und versuchte Abstand zu halten.
Immer wieder sahen wir Massai mit ihren Kuhherden umherlaufen. Diese hochgewachsenen Menschen waren schon von Weitem an ihren farbenfrohen, roten Gewändern zu erkennen. Wir durften auch einmal in ein Massai Dorf fahren und in eine fensterlose Lehmhütte, eine Manyatta, hineinsehen. Sie sind sehr niedrig und wohl nur zum Schlafen gedacht. Es war mehr eine touristische Etappe, aber wir zahlten gern einen Obolus für die Fotos, die wir dort machen durften.
Die Lodges, in denen wir übernachteten, waren sehr unterschiedlich, von komfortabel bis luxuriös. Bei unseren Überlandfahrten sahen wir Massai Frauen, die über weite Strecken Wasser zu ihrem Dorf trugen. Dieses transportierten sie in großen Behältern auf ihrem Kopf. Wenn wir abends in unserer Lodge einen kühlenden Pool vorfanden, empfand ich das schon etwas dekadent. Wir hatten aber dort unvergessliche Eindrücke. Eine Lodge war auf Pfählen über einen Elefantenpfad gebaut. Hier war ein kleiner Wasserfall angelegt, an dem die Tiere trinken konnten. Es war schön anzusehen, wie die kleinen Elefantenbabys von ihren Müttern und Tanten vorgeschoben wurden, damit diese zuerst ans frische Wasser kamen. Wir konnten und wollten in dieser Nacht nicht schlafen, weil immer wieder eine Elefantenherde unter unserem Zimmer hindurchstampfte und wir dieses Schauspiel vom Balkon aus verfolgten.
Eine andere Lodge war in einer Sumpfgegend. Vor Eintritt der Dunkelheit sahen wir Kuhreiher wenige Meter vor unserer Terrasse an uns vorbeigleiten. Sie benutzten ein Flusspferd als Transportmittel. Die Sammelstelle der Flusspferde war ein paar hundert Meter von der Lodge entfernt.
Einmal erwachten wir morgens in einer Lodge, die wir am Vorabend erst bei Dunkelheit erreichten. Als wir schlaftrunken auf den Balkon traten, erhob sich direkt vor uns, gigantisch groß, der schneebedeckte KilimandscharoRückblick auf die Kolonialzeit: Von 1902 bis 1964: Kaiser Wilhelm Spitze
- oder Wilhelmskuppe
, bei den Einheimischen kurz Kibo
, den die Einheimischen Kibo
nennen. Ich kann gut nachvollziehen, dass den ersten Europäern nicht geglaubt wurde, die davon berichteten, dass direkt am Äquator ein hoher, schneebedeckter Berg steht.
Leider gingen die Tage viel zu schnell vorbei und wir wurden wieder in unser Hotel gefahren, wo wir den Rest des Urlaubs verbringen sollten. Nach dieser eindrucksvollen Safari fühlten wir uns jetzt hier fehl am Platz. Einem anderen Ehepaar, mit dem wir uns während der Fahrt angefreundet hatten, ging es genau wie uns. Sie erzählten uns von einer außergewöhnlichen Baumlodge, die man in ungefähr zwei Autostunden erreichen könnte.
Nach kurzem Beratschlagen und Sichtung der Urlaubskasse buchten wir zusammen mit diesem Ehepaar die letzten Tage unseres Urlaubs in diesem Baumhaus. Einen Urlaub im Urlaub. Es war die teuerste und zugleich einfachste, aber unvergesslichste Unterkunft, die wir jemals hatten.
Wieder holte uns ein Kleinbus ab, der uns zu der Baumlodge bringen sollte. Die Lodge war zwar nur ungefähr 60 Kilometer entfernt, aber die Fahrt dauerte doch ziemlich lange, denn wir mussten mit einer Fähre ein Hafenbecken von Mombasa überqueren und uns dazu in eine lange Warteschlange einreihen. Hier konnten wir das Land und die Menschen ohne Touristenbrille sehen. Unglaublich, welche Menschenmengen, überladene Kleinlastwagen und Tuk-Tuks auf die Fähre wollten und auch darauf gelassen wurden. Viel zu viele! Es war ein lautes Durcheinander und Gehupe, afrikanisches Leben pur.
Wie wohltuend, als wir endlich unsere Baumlodge im Shimba Hills Nationalpark erreichten. Das Baumhaus stand mitten im Regenwald auf Holzpfählen, in die Baumkronen gebaut. Über einen Holzsteg erreichten wir den Eingang und wurden sehr herzlich mit einem Willkommensdrink begrüßt. Dann bekamen wir kurz die wichtigsten Regeln für den Aufenthalt erklärt: Dass wir die Lodge nicht allein verlassen durften, war uns schon von den Unterkünften während der Safari bekannt. Aber hier sollten wir uns ganz leise verhalten, damit die Tiere uns so wenig wie möglich wahrnehmen. Deshalb durften hier auch nur Erwachsene buchen. Wir konnten das Gepäck kurz auspacken und dann war auch schon Zeit zum Mittagessen.
Unser Zimmer war sehr spartanisch eingerichtet: Zwei getrennte Betten mit einem engen Mittelgang, ein kleiner Schrank, Gemeinschaftsduschen und Toiletten auf dem Flur. Am Ende des Zimmers, am Fuß der Betten fehlte die Wand. Hier war nur eine Gittertür mit Insektenschutz, durch die man auf einen kleinen Balkon treten konnte. Von hier aus sahen wir unter uns ein mit Seerosen bewachsenes Wasserloch. Gegenüber im Baum saß auf Augenhöhe ein Weißkopfseeadler. Am Teich lagen zwei große Warane und in den Baumkronen sprangen Affen umher.
Wir gingen dann ins Restaurant zum Mittagessen. Auch hier war die Seite zum Wasserloch offen, sodass man von jedem Platz einen Ausblick darauf hatte. Während des Essens bekamen wir Besuch von niedlichen Buschbabys, die uns mit ihren großen Augen ansahen und um Brot bettelten.
Nach dem Essen gingen wir über den Baumkronenpfad
, einem Holzsteg, der zu einer Aussichtsplattform führte. Hier standen Liegestühle und ich hätte hier stundenlang sitzen können, doch am Nachmittag war schon die erste Pirschfahrt in den Regenwald angesagt.
Mit vier weiteren Gästen und einem Ranger, der auch der Fahrer war, fuhren wir im Geländewagen in den Regenwald. Doch schon bald mussten wir stoppen. Vor uns, mitten auf dem Weg badete ein Warzenschwein in einem Wasserloch. Es ließ sich nicht davon abhalten und nahm sich alle Zeit der Welt; wir warteten bis PumbaaPumbaa heißt das rotbraune Warzenschwein in König der Löwen
. fertig war. Auf der Weiterfahrt sahen wir auch einige Tiere, allerdings nicht so viele wie auf der Safari. Wir gingen auch zu Fuß ein Stück weit in den Wald und der Ranger, bewaffnet mit Gewehr und Machete, erklärte uns einige Besonderheiten. Besonders in Erinnerung blieb mir ein schwarzes Stromkabel
, ungefähr sechs Zentimeter im Durchmesser. Was sollte das hier, mitten im Urwald? Der Ranger bat uns auf keinen Fall draufzutreten, denn es war eine Ameisenstraße mit großen, schwarzen Ameisen. Die würden nie ihre Richtung ändern und über jedes Hindernis hinweg marschieren. Das wollten wir auf keinen Fall ausprobieren.
Kurz vor Einbruch der Dämmerung machten wir an einem vorbereiteten Picknickplatz halt. Wir bekamen einen Sundowner und Fingerfood serviert. Wir konnten den Sonnenuntergang, der am Äquator nur eine halbe Stunde dauert, hier im Wald nicht sehen, dafür aber hören. Als das Licht abnahm, erwachten die um uns liegenden Berge zum Leben. Es war ein riesiger, mehrstimmiger Chor, der kreischte, brüllte, blökte, zwitscherte und zirpte. Als kurz darauf die ersten Sterne am Himmel erschienen, wurde es wieder ruhig.
Wir fuhren zurück zur Lodge, wo wir bei minimaler Beleuchtung und gedämpfter Unterhaltung das Abendessen einnahmen. Die Buschbabys waren wieder willkommene Gäste. Nach einem Drink an der Bar zogen sich alle frühzeitig zurück. Im Zimmer hatten wir auch nur dürftige Beleuchtung, doch die Augen gewöhnten sich schnell daran. Das Wasserloch war auch etwas beleuchtet und wir konnten vom Balkon aus noch Elefanten beobachten, die zur Tränke kamen. Danach lag ich in meiner Koje. Das Naturkonzert der Insekten und Frösche war einzigartig. Ich hätte gern länger gelauscht, aber ich schlief sofort ein.
Am nächsten Morgen sollten wir den Shedrick Wasserfall besuchen. Gleich nach dem Frühstück ging es mit derselben Gruppe wie am Vortag los. Wir fuhren etwa eine Stunde durch den Nationalpark. Dann ging es ungefähr eine halbe Stunde zu Fuß bergab durch freies, schattenloses Gelände. Mein Mann warnte mich schon am Anfang und gab zu bedenken, dass ich den Weg auch wieder bergauf gehen müsste, denn er wusste, dass ich bei Anstrengung schnell Atemprobleme bekomme. Ich fühlte mich prima und wollte unbedingt mitgehen, der Abstieg war ja auch frühmorgens so einfach. Als wir an den Wasserfall kamen, der in einen kleinen See herabfiel, konnten einige eine kühle Dusche genießen oder im See baden. Wir genossen nur den Anblick der tropischen Natur, denn wir waren vor Bilharziose in afrikanischen Gewässern gewarnt.
Dann begann der Aufstieg. Am Anfang ging alles noch gut, aber nach einer Viertelstunde bekam ich keine Luft mehr und konnte nicht mehr laufen. Der Rest der Gruppe ging voraus, mein Mann und der Ranger blieben bei mir. Ich bekam Angst, denn die Sonne stieg am Himmel immer höher. Wo gibt es Hilfe hier mitten in der Wildnis? Ich malte mir die schlimmsten Szenarien aus. Da sah ich in der Ferne eine Elefantenherde langsam und stetig das Land durchqueren. Ich schaltete jetzt mental in den Elefantenmodus: Einatmen - Schritt, Ausatmen - Schritt, Einatmen - Schritt …, so lief ich ganz langsam fast eine halbe Stunde bergauf. Als ich unseren Bus ungefähr zehn Meter oberhalb vor mir auf dem Weg stehen sah, dachte ich: Endlich in Sicherheit
und zack, weg war ich. Als ich wieder aufwachte, lag ich vor dem Bus im Schatten. Der Ranger leistete Erste Hilfe und bald ging es mir wieder gut. Ich bin sicher, dass ich noch einige Zeit hätte weiterlaufen können, aber als ich den Gedanken Sicherheit
zuließ, machte mein Körper schlapp.
Ich erholte mich bald, doch mein Mann und ich verzichteten auf die nächsten Pirschfahrten und wir verbrachten einige Zeit alleine in der Lodge. Es waren wunderschöne Stunden fernab jedes Zivilisationslärms. Umgeben von den Geräuschen der Natur saßen wir in den Baumwipfeln auf der Plattform am Ende des Baumkronenpfades. Bei gekühlten Getränken, die uns serviert wurden, konnten wir Tierbeobachtungen machen. Dem Weißkopfseeadler beim Fischen und den Affen beim Spielen zusehen. Auch das Buschbaby kam zu Besuch und hoffte auf ein Stück Brot. Aber Essen war außerhalb des Hauses verboten, um keine Tiere anzulocken. Also musste es bis zum Abendessen warten.
Es war eine einzigartige Welt, eine einzigartige Stimmung und ein unvergesslicher Urlaub. Wenn später Kollegen in stressigen Situationen sagten: Ich bin reif für die Insel
dachte ich: Ich bin reif für das Baumhaus
.