Arabische Gesten
Kürzlich sah ich mal wieder die Nachrichten auf PHOENIX. Dort erscheint neben dem Sprecher in einem kleinen Fenster ein Dolmetscher, der die gesprochenen Nachrichten synchron in Gebärdensprache übersetzt. Dieser Service wird für Gehörlose und Schwerhörige angeboten.
Die Gebärdensprache ist eine eigene Sprache mit einer eigenen Grammatik. Das weiß ich von meiner Tochter Isabel, die die Deutsche Gebärdensprache (DGS) studiert hat. Wenn ich sie mit ihren Freunden Simon und Rosi reden sehe, verstehe ich immer nur Bahnhof. Aber trotzdem finde ich die Kommunikation sehr spannend.
Wenn ich mit Rosi oder Simon spreche — sie lesen mir dann von den Lippen ab — versuche ich, meine Worte durch kleine Gesten zu unterstützen. Ich zeige beispielsweise auf mich, wenn ich ich
sage. — Dann wird mir wieder bewusst, dass wir tagtäglich unsere Sprache mit Gesten begleiten — obwohl wir in Deutschland im Vergleich mit anderen Kulturkreisen eine sehr eingeschränkte, ich bin geneigt zu sagen: unterkühlte
sprachbegleitende Gestik haben.
Aber manches geht auch ganz ohne Worte. Wenn man in unserem Kulturkreis etwas bestätigen möchte, nickt man; wenn man etwas ablehnt oder verneint, schüttelt man den Kopf.
Andere Kulturkreise, andere Gesten. Es ist allgemein bekannt, dass man sich gewaltig in die Nesseln setzen kann, wenn man die Gewohnheiten anderer Länder nicht kennt oder Gesten falsch interpretiert. Ich habe einige Jahre im Vorderen Orient gelebt. Dort isst man traditionell mit den Fingern. Wenn ich einmal die Gelegenheit hatte, traditionell zu essen, musste ich als Linkshänder höllisch aufpassen, nicht mit der Linken zu essen, denn die Linke ist die unreine
Hand. Zur Begrüßung die Rechte (das schöne Händchen!
) zu geben, wurde mir allerdings schon als Kind eingetrichtert. Die landesüblichen Gesten habe ich dort wie selbstverständlich verwendet. Sie sind mir vertraut und lieb geworden. Hier sind vier Beispiele aus dem arabischen Kulturkreis:
Beispiel 1:
Die Hand wird mit dem Handrücken nach unten gehalten, die Fingerspitzen sind geschlossen. Die Hand bewegt sich leicht auf und ab. Diese Geste bedeutet:Langsam!oderGeduld!oderHetz' mich nicht!Und wenn man keine Hand frei hat, kann man auchschwei-schweisagen.
Beispiel 2:
Die halb geöffnete Hand mit dem Handrücken nach oben wird im Handgelenk einmal um 180 Grad gedreht. Das bedeutet:ungefähr. Wenn man die Hand hin und her dreht, bedeutet das:Was ist los? Was soll das?
Beispiel 3:
Wenn man in Deutschland jemanden dazu auffordern will, näher zu kommen, dann hält man die geschlossene Hand mit dem Handrücken nach unten und streckt und beugt den Zeigefinger, ggf. mehrfach.
Im Vorderen Orient hält man die Hand aber mit dem Handrücken nach oben. Dann machen alle vier Finger die Bewegung, die in Deutschland nur der Zeigefinger macht.
Beispiel 4:
Das Anheben des Kopfes, gegebenenfalls verbunden mit einem kurzen Schnalz-Geräusch, bedeutetnein. Da kann es einem unbedarften Mitteleuropäer schon passieren, dass er die Aufwärtsbewegung des Kopfes und die notwendigerweise folgende Abwärtsbewegung (man will ja das Kinn nicht immer oben behalten) als Nicken interpretiert. Damit ist das Missverständnis vorprogrammiert.
Dann gibt es noch eine minimalistische Variante des Verneinens. Sie besteht darin, dass man nur eine Augenbraue anhebt. Das kann vom unbedarften Gegenüber leicht übersehen werden.
Diese Gesten sind mir lieb geworden. Schade, dass man sie bei uns in Deutschland nicht versteht. Ich hoffe sehr, dass sie trotz Globalisierung und Angleichung der Kulturen noch lange erhalten bleiben mögen.
Begleitende Erläuterungen:
Eine Gebärde ist das natürliche Kommunikationsmittel, das sich in der Gemeinschaft Gehörloser entwickelt hat. Gebärdensprachen besitzen ein eigenständiges Lexikon konventionalisierter Handzeichen sowie eigenständige Grammatiken, sie stellen also ein eigenes linguistisches System dar. Als visuelle Sprache greift sie auf räumliche Beziehungen zurück und bezieht nonmanuelle Mittel (z. B. Mimik) mit ein.
Eine Geste ist im Unterschied zur Gebärde ganzheitlich, sie transportiert Bedeutung analog und ist in ihrer Bedeutung kontextgebunden, auf das Hier und Jetzt angewiesen.
Quelle: http://isaac-online.de/index.php/../