Schulunterricht in den Kriegs- und Nachkriegsjahren
Schule Ellerhoop 1946 bis 1951
Da der Winter 1946/47 sehr streng war, verbunden mit großen Schneemengen, wurden die Weihnachtsferien bis zum 7. Februar verlängert. Nach meiner Erinnerung hatte der Schnee auf der Chaussee von Ellerhoop nach Bevern teilweise eine Höhe von einem Meter. Da genug Feuerung vorhanden war, nahm die Schule am 12. Februar in Ellerhoop den Unterricht wieder auf, allerdings zunächst nur in zwei Klassen. Doch schon nach einigen Wochen wurde die Schule gezwungen, erneut zu schließen. Als am 27. März 1947 die Entlassung der Konfirmanden erfolgte, war die Schule noch immer geschlossen.
Die Schule selbst verfügte nur deshalb über ausreichend Feuerung, weil die größeren Schüler, wie schon im Krieg, halfen, im Himmelmoor Torf zu graben. Die Gewinnung von Torf zu Heizzwecken für die Schule wurde auch in den folgenden Jahren fortgesetzt. Das der Schule zur Verfügung stehende Holz wurde von den größeren Schülern zerkleinert. Als ich in dem entsprechenden Alter war, wurde zwar kein Torf mehr im Himmelmoor gegraben, aber in meinen letzten Schuljahren haben wir größeren Schüler immer noch Holz auf dem Schulhof zerkleinern müssen. Morgens war es Aufgabe der größeren Schüler, die in den Klassen stehenden Feuerungskästen zu befüllen, denn die einzelnen Klassen wurden mit Öfen beheizt.
Am 10. April 1947 wurden 39 Kinder eingeschult, so dass zu diesem Zeitpunkt insgesamt 273 Kinder die Schule besuchten. Für diese Schüler standen allerdings nur 170 Sitzplätze in drei Klassenräumen zur Verfügung. Aus diesem Grund gab es weiterhin Schichtunterricht. Es musste auch am Nachmittag unterrichtet werden. Zwei Lehrer und zwei Schulhelferinnen unterrichteten zu diesem Zeitpunkt.
Wie anderenorts gab es ab 16. Juli 1947 auch in Ellerhoop die SchulspeisungDie Briten führten in ihrer Zone ab März 1946 eine Schulspeisung aus Armeebeständen durch. Die Schwedenspeisung versorgte drei- bis sechsjährige Kinder innerhalb der Britischen Besatzungszone – schwerpunktmäßig in Berlin, Hamburg und dem Ruhrgebiet. Die Schweizer Organisation Schweizer Spende unterstützte von September 1945 bis Ende 1946 Kinder in Hamburg, Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. Der ehemalige US-Präsident Herbert C. Hoover empfahl eine tägliche Zusatzmahlzeit (350 kcal) für Kinder und alte Menschen aus Armeebeständen, ergänzt durch Fett und Fleisch aus dem deutschen Viehabbauprogramm
. Auf seine Initiative geht zurück, dass ab 14. April 1947 in der Bizone aus den dafür bereitgestellten 40.000 Tonnen an Lebensmitteln 3,5 Millionen Kinder und Jugendliche zwischen sechs und achtzehn Jahren täglich mit einer Mahlzeit versorgt wurden.Siehe Wikipedia. Als später der Kreis der Empfänger von Schulspeisung erweitert wurde, erhielten 205 von den 273 Schülern fünfmal in der Woche eine warme Suppe. Dafür brachten wir unseren Essenstopf mit in die Schule. Samstags gab es Schokolade, Bonbons, Kekse und so weiter. Die Ausgabe der Schulspeisung war kostenlos, nur erwerbstätige Väter zahlten pro Mahlzeit 0,30 Reichsmark. Dieser Betrag wurde bis zum Jahresende auf 0,20 Reichsmark herabgesetzt. Auf Ersuchen der Gemeinde hatte die Genossenschaftsmeierei Ellerhoop das tägliche Reinigen der Kübel übernommen.
Gegen Ende der Sommerferien 1947 brach im Kreis die spinale Kinderlähmung aus, deshalb wurden die Schulen gleich nach Unterrichtsbeginn vom 16. August bis zum 11. September auf behördliche Anordnung wieder geschlossen. Glücklicherweise traten in Ellerhoop keine Fälle von spinaler Kinderlähmung auf.
In der Lehrmittelversorgung gab es auch im Laufe des Jahres 1947 noch keine Verbesserungen, so dass weiterhin großer Mangel an Lesestoff und Rechenbüchern herrschte. Jedes Kind erhielt zwei Hefte und eine Fibel. Ab 1. August erhielt Ellerhoop mit Rudolf Berg einen zusätzlichen Lehrer. Dieser kam jeden Morgen zu Fuß von Quickborn nach Ellerhoop zum Unterricht. Aufgrund der fehlenden Klassenräume musste, wie bisher auch, nachmittags unterrichtet werden. Deshalb erhielt Lehrer Berg abwechselnd bei den Bauern sein Mittagessen. Am Spätnachmittag nach Unterrichtsende ging er dann zu Fuß zurück nach Quickborn.
In einer Resolution wandten sich Lehrerkollegium und Elternbeirat an das Schulamt, weil 48 von den 273 Schülern keine Schuhe oder feste Stiefel besaßen. Es wurde befürchtet, dass diese Kinder deshalb nicht zum Unterricht erscheinen und damit auch nicht an der gerade für sie so wichtigen Schulspeisung teilnehmen würden. Es darf bezweifelt werden, ob diese Resolution Erfolg hatte. Aus Erinnerung weiß ich, dass der Stellmacher Otto Eggert Holzlatschen fertigte. Er sägte die Fußsohlen aus dickem Holz und nagelte über den Spann Leder, das er wohl irgendwie aufgetrieben hatte. An diese Holzlatschen habe ich selbst schmerzhafte Erinnerungen, denn beim Fußballspiel bekam ich statt des Balles einmal einen solchen Schuh an den Kopf.
An eine Aktion der Schule kann ich mich noch gut erinnern. Wir Schüler zogen einmal mit Schere und Sack ausgerüstet in die Feldmark, um Kräuter wie Rainfarn, Kamille, Huflattich, Taubnessel und so weiter zu sammeln. Sie dienten zur Herstellung von Medikamenten.
Im Jahr 1947 fand zum ersten Mal nach dem Krieg wieder eine Weihnachtsfeier im Gasthof Zur Linde
statt. Sie musste aber, wie auch in den folgenden Jahren, aufgrund der großen Schülerzahl in zwei Veranstaltungen durchgeführt werden. Ursprünglich war geplant, den Kindern ein Päckchen mit einem Apfel und einem halben Pfund Kuchen zu überreichen. Letztendlich erhielt jedes Kind dann aber 100 Gramm Bonbons, eine Tafel Schokolade und einen viertel Liter Kakao. Der Elternbeirat sorgte für die Feuerung zum Beheizen des Saales.
Auf einer Tagung der Schulleiter im Frühjahr 1948 in Pinneberg wurde festgestellt, dass die Schulverhältnisse im Kreis immer noch trostlos waren. Die Klassen waren überfüllt und es bestand großer Mangel an Lehr- und Lernmitteln. Lehrkräfte waren ebenfalls knapp, denn Lehrer mit Nazivergangenheit durften, wie schon erwähnt, immer noch nicht eingestellt werden. Der Mangel an Klassenräumen in Ellerhoop wurde zusätzlich noch dadurch verschärft, dass hier in der Schule einmal in der Woche der Berufsschulunterricht für Landwirte stattfand.
Im Juli 1948 fand zum ersten Mal wieder ein Sportfest in Barmstedt statt. Von der Schule in Ellerhoop waren nur 29 Schüler dabei, da die Durchführung der Schulspeisung in Barmstedt nicht geregelt werden konnte. Ab August 1948 war Alfred Berg (genannt Englisch Berg"), der Bruder von Rudolf Berg, als unbezahlter Schulhelfer in Ellerhoop tätig. Anstatt arbeitslos zu sein, wollte er in Ellerhoop helfen und sich auf seinen Beruf als Lehrer vorbereiten.
Hier sei einmal das Spendenergebnis für die Weihnachtsfeier 1949 aufgeführt. Es wurden gespendet 343,20 D-Mark, 65 Eier, 184 Pfund Mehl, 30 Pfund Roggen. 15 Pfund Roggenmehl, 36 Pfund Zucker, achteinhalb Pfund Fett und ein Zentner Äpfel. Bäckermeister Hinrich Körner erklärte sich bereit, die Kuchen zu backen, während die Frauen des Elternbeirates die Päckchen für die Kinder packten.
Da im April 1949 insgesamt 26 Kinder eingeschult wurden, stieg die Zahl der Schüler in Ellerhoop auf 275 an. Die Schüler wurden in sechs Klassen eingeteilt, für die aber nur drei Klassenräume zur Verfügung standen. Mit Fräulein Eggert war eine Handarbeitslehrerin in Ellerhoop tätig, die zudem auch noch die Fächer Deutsch und Rechnen unterrichtete. Damit wurde der Unterricht zu diesem Zeitpunkt von insgesamt fünf Lehrkräften erteilt.
Im Juli 1949 unternahm Lehrer Lund zum ersten Mal wieder eine Fahrt mit den Konfirmanden. Große Schwierigkeiten bereitete die Verpflegung dieser Fahrt auf die Hallig Langeneß. Hilfe erhielt Lund durch die Schulspeisung, die Nährmittel, Süßigkeiten und Trockenmilch bereitstellte. Die Kinder der Bauern brachten Kartoffeln mit, und es wurden Dosenfleisch, Wurst und Speck gespendet. Da die teilnehmenden Schüler selbst Brot mitbrachten, war die Verpflegung gesichert.
Auf Anordnung der Landesregierung mussten die Schulhelferinnen zum 1. Oktober 1949 ihre Tätigkeit beenden, da nur noch ausgebildete Lehrkräfte unterrichten sollten.
Auf einer Tagung der Schulleiter im Januar 1950 wurde darüber geklagt, dass die Klassen nach wie vor überfüllt seien und weiterhin Mangel an Lehr- und Lernmitteln bestünde. In Ellerhoop besuchten im Schuljahr 1950/1951 noch 249 Kinder die Schule; damit war die Zahl der Schüler erstmalig leicht rückläufig. Durch Umsiedlung der Heimatvertriebenen setzte sich diese Entwicklung in den folgenden Jahren fort.
Von den Problemen, welche die für die Schule Verantwortlichen zu lösen hatten, haben wir Schüler nichts mitbekommen. In den späteren Jahren haben wir immer wieder feststellen können, dass wir gut vorbereitet aus der Schule entlassen wurden. Das haben mir immer wieder andere Schüler, die in diesen Nachkriegsjahren die Volksschule Ellerhoop besuchten, voller Dankbarkeit bestätigt. Großen Anteil daran hatte mit Sicherheit Schulleiter Lund. Er nutzte schon ganz früh zu Unterrichtszwecken Filmvorführungen und den Schulfunk. Das Vorführgerät für die Filme hatte Lund auf eigene Kosten angeschafft und 1951 an die Gemeinde verkauft. Die Filme stellte die Kreisbildstelle den Schulen zur Verfügung. Der NWDR (Nordwestdeutscher Rundfunk) bot damals den Kauf von Rundfunkgeräten auf Ratenzahlung an. Da der Gemeinde solche Ratengeschäfte nicht erlaubt waren, kaufte Lund ein Gerät auf seinen Namen.
Lehrer Lund unternahm mit den Schülern verschiedene Fahrradtouren, wie zum Beispiel durch die Marsch. Dabei lernten sie das damals noch sehr wichtige Handwerk der Bandreißer kennen oder benutzten die kleinste Fähre Deutschlands in Kronsnest. Eine dieser Fahrradtouren führte über das Himmelmoor, Quickborn, Friedrichsgabe nach Harksheide zu Schlangen-Peter
. Dieser besaß hier neben verschiedenen Schlangen auch eine Vogelspinne. Bezüglich der Fahrradtouren sollte noch erwähnt werden, dass die Fahrradbereifung teilweise ganz erbärmlich war. Manche Fahrraddecken hatten Risse und waren deshalb mit Band umwickelt.
Lehrer Land fuhr auch mehrfach mit den größeren Schülern per Bahn nach Hamburg. Dabei erlebten sie unter anderem eine Gerichtsverhandlung, in der es einmal um Unterhaltszahlungen und ein anderes Mal um die damals häufige Nichteinhaltung von Ratenzahlungen ging. In der damaligen Polizeizentrale Hamburg, am Karl-Muck-Platz wurde den Schülern der Einsatz der Peterwagen erklärt. Auf dem Flughafen Fuhlsbüttel durften sie sogar in einem Flugzeug, zu der Zeit noch Propellermaschinen, Platz nehmen. Ein Besuch der Schüler beim Rundfunk stand ebenfalls auf dem Programm. Auch Theaterbesuche im Deutschen Schauspielhaus unternahm Lehrer Lund mit den größeren Schülern, um Theaterstücke wie beispielsweise Das Käthchen von Heilbronn
oder Der zerbrochene Krug
anzusehen.
Den schweren Nachkriegsjahren und den damit verbundenen Widrigkeiten zum Trotz wurden die Schüler dieser Jahrgänge gut vorbereitet aus der Schule entlassen; getreu dem seit der Einweihung des Schulgebäudes 11. April 1912 im Schulflur angebrachten Grundsatz: Nicht für die Schule, sondern für das Leben
.